Freitag, April 19, 2024

Krisenmodus: Welt ohne Weltpolizei

In der Redaktion von ZackZack ist immer etwas los. Den wöchentlichen Einblick gibt Benjamin Weiser.

 

Wien, 21. August 2021 | Afghanistan lässt niemanden kalt. Vergangene Woche dominierte das Thema die Berichterstattung von ZackZack, das sich sonst eher auf die Niederungen der österreichischen Innenpolitik konzentriert. Die abgebrühte Redaktion musste schlucken.

Schreckliche Szenen aus dem Land, das an die Taliban-Islamisten fiel, laufen seit Tagen rauf und runter. Ein Soldat, auf einer Mauer mit Zaun stehend, nimmt ein Baby von einem verzweifelten Mann entgegen. Das Schicksal des kleinen Menschen liegt jetzt nicht mehr in der Hand des mutmaßlichen Vaters. Derweil suchen militante Islamisten nach Journalisten, Aktivisten und Ortskräften, die den westlichen Ländern über die vergangenen Jahre geholfen haben. Rette sich, wer kann.

Wer nur auf Waffen setzt, wird Waffen ernten

Es sind Bilder, die sich einbrennen werden. Ähnlich denen vom 11. September, als ein Flugzeug in die World Trade Center gekracht war. Vergangene Woche war für uns das zweite 9/11. Es markiert das Scheitern der Reaktion auf das erste 9/11 und wird weit über die nächsten Wochen hinaus nachwirken. Der War on Terror von George W. Bush war das Rachemotiv der USA, um in Afghanistan einen langen Krieg zu beginnen. Die USA, die „State-building“ in Afghanistan betreiben wollten, sind mitsamt ihrer Koalition 20 Jahre nach Einmarsch in das zentralasiatische Land gescheitert.

Fachlich lässt sich freilich diskutieren, ob und wie ein solches „State-building“ funktionieren kann. Wenn aber nicht einmal eine Hülse von Staatswesen existiert, ist es unmöglich. Zumal die gewählten Instrumente dem Trend der Ver-Sicherheitlichung der internationalen Politik entsprachen. Heißt: Militärische Ausrüstung vor Schulen, funktionsfähige Polizei vor korruptionsfreier Wirtschaft. Das kann nicht funktionieren. Es ist selbstverständlich kein Entweder-Oder-Mechanismus, der irgendwann zu einer demokratischen Gesellschaft ohne Steinzeit-Terroristen führen könnte. Wer aber nur auf Waffen setzt, wird Waffen ernten.

Anarchische Welt

Was wir erleben, ist der von Experten seit Jahren vorausgesagte Umbruch in der Weltpolitik. Nach dem Ende des Kalten Krieges und der kurzen Phase amerikanischer Alleinherrschaft, folgt jetzt eine nicht-polare Welt. Der US-Spezialist Ian Bremmer hat den Begriff geprägt. Er stellt sich damit gegen Kollegen, die ein Umfeld mit mehreren Machtpolen (multi-polar) voraussagen. Das wird’s erstmal nicht spielen, zumindest nicht in den kommenden Jahren. China wartet ab und kauft Afrika sowie Teile Osteuropas auf. Man geduldet sich, bevor man sich Taiwan holt (in ihrer Sprache: „zurückholen“). Militärisch ist China den USA noch immer unterlegen, doch wirtschaftlich hat es quasi aufgeschlossen. Bei Russland ist es andersrum: es ist zwar wirtschaftlich am Boden, militärisch aber immer noch gut ausgerüstet. Putin versteht es bestens, sich größer zu machen als er ist.

Und Europa? Eine Karikatur ihrer selbst. Tiefpunkt ist wieder mal Österreich um Innenminister Karl Nehammer, der wirkt, als wäre die Wahlkampf-Schablone von 2017 die einzige Richtschnur seines politischen Handelns. Gewissenlos und doch ein Abbild des Zustandes europäischer Politik. Die Gefahr von Terrorismus wird steigen. Wie wir darauf vorbereitet sind, hat man am 2. November in Wien gesehen.

In dieser Welt ohne Weltpolizei, auf die wir berechtigt schimpfen konnten, ist nichts besser als zuvor. Die Unsicherheit steigt, aber auch die Unfähigkeit, etwas dagegen zu tun. Vor allem nachhaltig. Es sind gerade die Hardliner in der Flüchtlingspolitik, die am wenigsten von allen irgendein Konzept haben. Es darf unterstellt werden, dass sie das auch gar nicht wollen. Eine Polit-Polizei, die keine Kriminellen mehr hat, macht sich schließlich überflüssig.

Titelbild: APA Picturedesk

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22 Kommentare

  1. Es sollte endlich völkerrechtlich geächtet werden, wenn ein Land einen Krieg in einem Land anzettelt oder unterstützt um seine eigenen Interessen zu vertreten. Seit den Stellvertreterkriegen zw. den USA und den Russen hat sich nicht das Geringste geändert. Es muss endlich aufhören, dass diese Länder unter fadenscheinigen Gründen Kriege anzetteln oder befeuern, Waffen liefern usw. Hier ist ein internationales Abkommen nötig. Und die EU hat dafür zu sorgen, weil die EU auch das Flüchtlingsproblem hat. Weder die USA noch Russland sind derzeit in der Lage sich als Weltmächte aufzuspielen die überall Krieg spielen wo es ihnen passt. Endlich mehr Selbstbewusstsein und Zusammenhalt in der EU.

    • Völkerrechtlich geächtet?
      Die UNO-Charta, die alle diese kriegsführenden Länder unterschrieben haben, verbietet doch ohnehin Kriege. Das Gewaltverbot kennt nur zwei Ausnahmen: Selbstverteidigung oder ein Krieg mit einem Mandat des UN-Sicherheitsrates.

  2. Haben die schwürkisen eigentlich irgendein problem gelöst?
    Ich meine, außer für ihre spender gesetze zu verabschieden.

  3. Für mich zählen g.w.bush, dick cheney und donald rumsfeld zu den größten politverbrechern des 21. jahrhunderts.

    • Die Liste ist lange, aber die 3 stehen sicher drauf, da bin ich ganz bei Ihnen.

      Ein gutes Bsp was uns blüht, wenn wir den Basti nicht anbringen. Auch in den USA war das eine Clique, die sich über Jahre im Kreis die Posten zugeschanzt haben. Cheney und Rumsfeld waren ja im Laufe der Jahre noch die Experten für eh alles, dass ein Gunkl nur so schaut…..

      • Ging schon früher los, viel früher. Anfang der 20er Jahre haben ein paar Industrielle das Bildungsystem umgebaut (mehr Gott, weniger Wissen, sonst gibt’s keine Sklavenschicht). Eisenhower war der letzte, der sich traute, eine Warnung auszusprechen (1961). Sein Nachfolger – JFK – wurde 1963 “entfernt”, seither wagt es keiner mehr aufzumucken:

        https://www.youtube.com/watch?v=PCEOgamC1p0

        • Drum hat dr lüssel in zusammenspiel mit der unglückseligen gehrer in den sekundarschulen (ausser gym) 7 wochenstunden, auf 4 jahre verteilt, gestrichen.
          Die lehrerschaft durfte sich das untereinander auscatchen, welche der stunden gestrichen wurden.

      • Jup. Endete mit dem Provozierten Angriff auf Pearl Harbour. Da gibt’s sogar ein paar Dokus auf YT 🙂

        • Provoziert?
          Na, die hätten ja japan den krieg erklären können, und uns europäer im eigenen nazisaft schmurgeln lassen können.
          Ich bin den amis – und den russen, fesnzosen, engländern, etc, ewig dankbar, dass sie uns von der nazibagage befreit haben.
          Auch wenn mir vieles in den usa missfällt, bzw mich sehr stark verwundert.

  4. “Die Unsicherheit steigt, aber auch der Unwille und die Unfähigkeit, etwas dagegen zu tun. Vor allem nachhaltig. Es sind gerade die Hardliner in der Flüchtlingspolitik, die am wenigsten von allen irgendein Konzept haben. Es darf vermutet werden, dass sie das auch gar nicht wollen. ”

    Wann erkennen Sie endlich die Parallelen und das Strickmuster? Versuchen Sie mal in diesem Text Flüchtlinge durch Corona zu ersetzen – und schauen Sie dadurch in den Spiegel…….

    Es geht niemals um Nation-building, nicht um Gesundheit, nicht um Umweltschutz, nicht um Moral,……es geht immer nur um einen Mix “Money-Power”.

    Die vermeintliche “westliche Überlegenheit” hängt mir schon so zum Hals raus, weil sie eigentlich nur demonstriert, wie beschränkt und egozentrisch man in Wirklichkeit denkt. Der angebliche Altruismus und die moralische Bestürzung über verzweifelte Menschen im TV sind Heuchelei.
    “Verzweifeln Sie ruhig, aber zweifeln Sie nicht”. Auch bei Afghanistan gültig.

    • Naja, westliche überlegenheit, in einer moslemischen diktatur (und es gibt keine moslemisch regierte demokratie) würde ich zb als frau nicht leben wollen. Auch nicht als gay person oder atheist, auch nicht als ausgetretener aus der islamischen religion, was es ohnehin nicht gibt.

      • Aber das ist hier nur oberflächlich das Thema.
        Die Metabotschaft ist eine andere……

        Zumal Ihre Betrachtung von “moslemisch regierte demokratie”, die es ja gar nicht gäbe, schon deutlich meinungsmanipuliert auf mich wirkt.
        Mit Verlaub, das sind dann schon noch 2 Paar Schuhe.
        Wäre Religion und Glaube in unseren Breiten noch ein Zugpferd, dann würde es auch hier politisch missbraucht werden. Wird es ja in gewissem Maße eh: als überlegene Weltreligion die einzig und allein für Frieden stünde. Das vermeintlich aufgeklärte Christentum vs dem vermeintlich rückständigen Islam.

        So einfach ist es halt leider nicht. Sie machen westliche Demokratien ja auch nicht an einem Orban oder Bolsonaro fest und beurteilen sie dann pauschal nach diesem Meinungsbild.

        • …und Du denkst, das Du die Botschaft entschlüsselt hast.
          Ich habe mir die Freiheit genommen, nochmals deine Zeilen in deinen ersten Post zu lesen. Meine Analyse ist, das Du zwischen zwei Stühlen festsitzt, gebeutelt mit Worten umherwirfst, und das Wesentliche überliest.

        • Unter westlich stelle ich mir was anderes vor als orban.
          Diktaturen sind auch im westen nicht unüblich.
          Nennen sie mir 1 moslemische demokratie, ausser der tunesischen scheindemokratie.

          • Welche Demokratie im Westen ist eigentlich keine Scheindemokratie? Die EU geht mit gutem Beispiel voraus. Da wird von Macron und Merkel eine nicht gewählte Frau von der Leyen zur Präsidentin der Europäischen Kommission bestimmt.

    • Welch` moralisches Frack muss man sein, wenn man noch nie die selbstlose Denk- und Handlungsweise, im eigenen Spiegelbild erfahren hat!?

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