Donnerstag, April 25, 2024

Letzter US-Soldat verlässt Taliban-Hölle

Nach knapp 20 Jahren haben die USA ihren Militäreinsatz in Afghanistan beendet, der letzte Soldat verließ am Montag kurz vor Mitternacht das Land.

Wien/Kabul, 31. August 2021 | Mit dem Abzug der letzten US-Soldaten vom Flughafen Kabul haben die USA den Militäreinsatz in Afghanistan nach fast 20 Jahren beendet. Damit endete auch die militärische Mission zur Evakuierung von US-Bürgern, Verbündeten und schutzbedürftigen Afghanen. US-Präsident Joe Biden, der am Dienstag eine Ansprache hält, und Außenminister Antony Blinken versprachen, zurückgebliebene Amerikaner und andere Schutzsuchende aus dem Land zu holen.

Das solle nun aber mit diplomatischen statt mit militärischen Mitteln passieren, hieß es. Der letzte US-Militärflieger hob eine Minute vor Mitternacht (Ortszeit) vom Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul ab. Der letzte Soldat, der die Maschine betrat, war Generalmajor Chris Donahue, der bei diesem historischen Schritt von einem Nachtsichtgerät aufgenommen wurde:

Foto: APA Picturedesk.

„Jeder einzelne Soldat ist jetzt aus Afghanistan raus. Das kann ich mit 100-prozentiger Sicherheit sagen“, erklärte General Kenneth McKenzie von den US-Marines. Biden hatte diesen Dienstag als Stichtag für den Abzug der US-amerikanischen Truppen gesetzt.

Noch Dutzende Amerikaner im Land, die Afghanistan verlassen wollen

McKenzie betonte, es sei kein einziger US-Soldat mehr in Afghanistan. Er räumte aber ein, es sei nicht gelungen, alle Menschen auszufliegen, die man in Sicherheit habe bringen wollen. “Wir haben nicht alle rausgeholt, die wir rausholen wollten.” Man habe bis zum letzten Moment die Möglichkeit gehabt, weitere US-Bürger zu evakuieren. Aber einige hätten es nicht zum Flughafen geschafft.

Blinken sagte, nach Einschätzung seines Ministeriums seien noch zwischen 100 und 200 Amerikaner in Afghanistan, die das Land verlassen wollten. Biden hatte allen ausreisewilligen US-Bürgern versprochen, sie aus Afghanistan herauszuholen. Blinken versicherte: “Wir wollen unsere unnachgiebigen Bemühungen fortsetzen, Amerikanern, Ausländern und Afghanen, zu helfen, Afghanistan zu verlassen, wenn sie sich dafür entscheiden.” Das sagte auch Biden zu.

Mehr als 123.000 Menschen außer Landes gebracht

Nach der Machtübernahme der Taliban Mitte August hatten die USA und ihre internationalen Partner begonnen, ihre Staatsbürger sowie afghanische Helfer und andere Schutzbedürftige, die unter der Taliban-Herrschaft um ihr Leben fürchten, außer Landes zu bringen. McKenzie sagte, seit dem Start der militärischen Evakuierungsmission vor gut zwei Wochen habe allein das US-Militär mehr als 79.000 Zivilisten aus Kabul ausgeflogen, darunter rund 6.000 Amerikaner. Die USA und ihre Verbündeten hätten gemeinsam mehr als 123.000 Menschen außer Landes gebracht. Biden sprach von der “größte Luftbrücke in der Geschichte der USA”.

Deutschland hatte seinen Rettungseinsatz bereits am Donnerstag beendet, Frankreich, Spanien und Großbritannien folgten am Freitag und Samstag. Immer noch befinden sich aber Zehntausende Menschen in Afghanistan, die vor den Taliban fliehen wollen – bei den meisten davon handelt es sich im Afghanen.

Taliban jubeln

Die Taliban reagierten auf den Abzug der Amerikaner mit Jubel. Taliban-Sprecher Zabihullah Mujahid schrieb auf Twitter, das Land habe jetzt die völlige Unabhängigkeit erreicht. Das hochrangige Taliban-Mitglied Anas Haqqani twitterte: “Wir schreiben wieder Geschichte. Die 20-jährige Besetzung Afghanistans durch die USA und die NATO endete heute Abend. Gott ist groß.”

Taliban im Inneren einer “Afghan Air Force” Maschine am Flughafen Kabul, nachdem die US-Truppen das Land verlassen haben. Foto vom 31. August 2021, APA Picturedesk.

Nach Rückzug-Ankündigung von Biden: Taliban marschierten kampflos in Kabul ein

Biden hatte im April angekündigt, alle US-Soldaten spätestens bis zum 11. September bedingungslos aus Afghanistan abzuziehen. Dieses Datum markiert den 20. Jahrestag der Anschläge vom 11. September 2001, die den US-geführten Militäreinsatz in Afghanistan ausgelöst hatten. Nach Bidens Ansage kündigte auch die NATO an, den von ihr geführten internationalen Einsatz zu beenden. Im Juli zog Biden das Datum für das vollständigen Abzug schließlich auf den 31. August vor.

In den vergangenen Wochen hatten sich die Ereignisse in Afghanistan überschlagen: Nach Bidens Ankündigung gewann der Siegeszug der Taliban rasant an Tempo. Die militanten Islamisten übernahmen eine Provinzhauptstadt nach der anderen – oft leisteten die afghanischen Sicherheitskräfte wenig oder keinen Widerstand. Am 15. August floh der afghanische Präsident Ashraf Ghani ins Ausland, die Taliban marschierten kampflos in Kabul ein. Die US-Botschaft wurde geschlossen, die Diplomaten flohen an den Flughafen.

IS verübte Anschlag auf Flughafen

Von dort aus wickelten die US-Amerikaner und ihre Verbündeten zuletzt ihre atemlose Evakuierungsmission ab. Der Flughafen in Kabul blieb auch nach der Machtübernahme der Taliban unter Kontrolle der US-Truppen. Die USA flogen vorübergehend 5.000 zusätzliche Soldaten ein, um die Evakuierungen abzusichern. US-Kommandeure koordinierten sich dabei mit den Taliban. Bei einem Anschlag der Terrormiliz “Islamischer Staat” (IS) am vergangenen Donnerstag wurden vor dem Flughafen Dutzende Afghanen und 13 US-Soldaten getötet. Der IS und die Taliban sind miteinander verfeindet. Noch am Montag griff der IS erneut den Flughafen Kabul an. Nach Angaben der US-Regierung wurden fünf Raketen in Richtung des Airports abgefeuert. Der in Afghanistan aktive Ableger des IS reklamierte den Raketenangriff für sich.

(red/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

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5 Kommentare

  1. Donald Trump hatte den Abzug schon lang angekündigt, Joe Biden bekräftigt. Die europäischen Verantwortlichen hatten alle Zeit ihre Leute in Ruhe ausfliegen zu lassen.
    Was man wochenlang versäumt hat, musste man nun mit gefährlichen Kommandoaktionen nachholen. Und die, die von Anfang an gegen die “Verteidigung Europas am Hindukusch” waren, sind jetzt wieder die lachenden Dritten.

  2. Warum genau ist das eine Hölle? Es gilt dort Regeln zu befolgen, die manchen hier im Westen nicht gefallen. Auch hier sollen wir uns an Regeln halten, die laut Politik nicht hinterfragt werden dürfen. Mit welchem Recht wird beurteilt, dass die dortigen Regeln böse sind?

  3. Letzter US-Soldat verlässt die Hölle, nun ist es keine Hölle mehr!
    Untaten und Kollateralschäden unter dem Mantel “westlicher Werte”; unbeschreiblich menschenunwürdig! Völkermord?

  4. Es hat niemand zuerst die Russen, dann die Amis mit Ihren Mitläufern nach Afghanistan gezwungen. Der Westen sollte es endlich kapieren,dass er in solchen Ländern nichts verloren hat.

  5. Das ist keine Hölle, das ist ein geplanter Kriesenherd. Und die USA bleiben – nicht offiziell, aber Blackwater und Co gehen nicht.

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