Donnerstag, April 18, 2024

Journalisten zu »ausländischen Agenten« erklärt – Vor Duma-Wahl

Vor Duma-Wahl

In Russland wimmelt es seit einigen Wochen von „ausländischen Agenten“. Dabei handelt es sich jedoch nicht um MI6-Agenten wie in Bond-Filmen, sondern um kritische oppositionelle Medien.

Wien, 01. September 2021 | Journalisten in Russland haben es zunehmend schwerer. Mit der bevorstehenden Duma-Wahl hat der Kreml alle Hände voll zu tun. Berichten zufolge bekamen einige Medien bzw. deren Journalisten einen vermeintlichen Agentenstatus verliehen. Seit April dieses Jahres wurden bereits sieben Medien und 20 Journalisten zu „ausländischen Agenten“ erklärt.

Medien unter Druck

Ursprünglich war das Gesetz über „ausländische Agenten“ schon 2012 von der Regierungspartei „Einiges Russland“ als Machtinstrument ins Leben gerufen, um gegen regierungskritische Organisationen vorzugehen. Als die USA 2017 den staatlichen Fernsehsender „Russia Today“ zu einem „Foreign Agent“ erklärten, reagierte Russland wiederum mit einer Erweiterung des Anwendungsbereichs der Agenten-Regelung auf Medien.

Um zu einem ausländischen Agenten erklärt zu werden, braucht es zweierlei: das Verbreiten von Informationen und Geldflüsse aus dem Ausland. Für diese Medien heißt es, dass sie jede Veröffentlichung mit einer umständlichen Warnung in Versalien versehen müssen:

“Die vorliegende Meldung wurde von einem ausländischen Medienunternehmen, das die Aufgaben eines ausländischen Agenten ausübt, und/oder von einer russischen juristischen Person, die die Aufgaben eines ausländischen Agenten ausübt, erstellt und/oder verbreitet.”

Der Nachrichtensender Meduza, der Anfang des Jahres als “ausländischer Agent” eingestuft wurde, schreibt: „Dieser Status führt entweder zur Schließung von Medien oder schafft diskriminierende Bedingungen für die Arbeit.” Zuletzt wurde der einzige unabhängige Fernsehsender „TV Rain“ zu einem „ausländischen Agenten“ erklärt. Der Sender soll 130.000 Euro von der EU bekommen haben. Mehrere russische Medien appellieren in einem Schreiben, das harte Vorgehen gegen Journalisten einzustellen.

Der Begriff “ausländischer Agent” kommt aus der Sowjet-Ära und führt oft zu starken Rückgängen in den Werbeeinnahmen sowie zu geringer Bereitschaft von Quellen, Statements abzugeben.

Putin nervös

Am 19. September werden die Vertreter des Parlaments, der Duma, gewählt. Derzeit hat Putins Regierungspartei 343 von den insgesamt 450 Duma-Sitzen. Laut dem Meinungsforschungsinstitut Lewada-Zentrum sind die Umfragewerte der Putin-Partei „Einiges Russland“ auf einem historischen Tiefpunkt. Demnach sind einerseits die wirtschaftliche Situation und der hohe Grad an Korruption verantwortlich, andererseits auch die Causa rund um den inhaftierten Oppositionspolitiker Alexej Nawalny.

Oppositionsparteien bekommen heftigen Gegenwind, zum Beispiel indem dem Vernehmen nach vielversprechende Kandidaten von der Wahl ausgeschlossen werden. Andererseits will Putin Pensionisten, die unter den niedrigen Renten leiden, bei Laune zu halten: so seien einmalige Zahlungsleistungen von 115 Euro vorgesehen.

(nb)

Titelbild: APA Picturedesk

Nura Wagner
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13 Kommentare

  1. Wenn man beim verhandeln die Hand gleich bis in die MItte des Tisches ausstreckt und dann, wenn der andere “keinen Naggler macht”, noch weiter – und noch ein Stueck, dann kanns gut sein, dass man ueber den Tisch gezogen wird. So wird Jelzin gegen Ende seiner Praesidentschaft wohl die Zeit von Glasnost und Perestrojka vorgekommen sein, weswegen er (dann doch) Putin als seinen Nachfolger aufgebaut hat, ein Autokrat, der Russland (mit allen Mitteln und unter allen Umstaenden … aber … sind die USA und die EU besser?) in die Souveraenitaet zurueckgefuehrt hat.
    Leuten die glauben Parlamentarismus waere ein Synonym fuer Demokratie und nicht “Oligarchentum”, missfaellt natuerlich alles was Russland macht, ausser es waere die Uebernahme unserer Werte.
    Zumindest ist es, bei einem Artikel der schon so herablassend anfaengt, angebracht, mal die Gegenseite anzuschauen.
    https://de.rt.com/meinung/123251-einmischung-hier-schlecht-dort-gut-westliche-verlogenheit-vor-den-wahlen-russland/

  2. Wie würde es ZackZack wohl in Russland gehen?
    Oder dem Falter?
    Peter Pilz würde vielleicht Bekanntschaft mit Nowitschok machen müssen. Oder mit Blei. Oder wenigstens einem Gefängnisgitter.

    Wie würde es den Foristen von ZackZack in Russland gehen – als Dank für die notorische Regierungskritik?
    (Einschränkung dazu: Einige der Foristen sähen in Russland, als Russen, keinen Grund, die Regierung zu kritisieren, säßen also auf der sicheren Seite.)

  3. Machen wir es doch den Russen nach! Jede Zeitung muss in jeder Ausgabe in Großbuchstaben bekanntgeben, wieviel Geld sie auf Geheiß der Regierung vom Steuerzahler bekommen.

    Zusätzlich vielleicht noch, wieviele und welche Beiträge auf YouTube und sonst wo wegen drohender Strafzahlungen gelöscht wurden.

      • Sie möchten also, dass die mit unserem Steuergeld bezahlten Presseförderungen der ÖVP-genehmen Zeitungen weiterhin nicht bekannt gemacht werden?

    • Stellen Sie sich mal vor, Sie würden in Russland, als Russin, die Regierung und Putin und die Verhältnisse im Land so angreifen, wie Sie das in Österreich, als Österreicherin machen.
      Gäbe es da signifikante Unterschiede?

    • Das wär’ mal ein Scritt richtung Transparenz. Aber in Ö, wo die NVP regiert …

  4. Nur mal so, zu das ins richtige Licht zu rücken:
    Es gibt zur Zeit > 300 offiziell vom Westen gestützte/geförderte Organisationen in Russland, aber nur eine Hand voll russischer Organisationen im ganzen Westen (Russia Today ist wohl die bekannteste).

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