Samstag, April 20, 2024

Großprozess wegen Bestechlichkeit – 45 Wiener Wohnen-Mitarbeiter vor Gericht

45 Wiener Wohnen-Mitarbeiter vor Gericht

Dem Wiener Landesgericht für Strafsachen steht ein Korruptionsverfahren ungewöhnlichen Ausmaßes ins Haus. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat eine Anklage gegen 45 Mitarbeiter von Wiener Wohnen eingebracht, denen Bestechlichkeit vorgeworfen wird.

Wien, 03. September 2021 | Die als Werkmeister oder Referenten tätigen Mitarbeiter sollen sich von Unternehmen im Einflussbereich eines 56-jährigen Geschäftsmanns mit Tank- und Einkaufsgutscheinen bestechen haben lassen. Dem 56-Jährigen, der unter anderem eine Glaserei und Malerei, einen Steinmetzbetrieb und mehrere Baufirmen betrieben hat, dessen Schwester und sechs weitere in seinem Firmen-Konglomerat tätige Mitarbeiter wurden wegen Bestechung zur Anklage gebracht. Insgesamt müssen sich somit in der Korruptionsaffäre – inkriminiert ist ein Tatzeitraum von April 2011 bis Jänner 2013 – 53 Personen vor Gericht verantworten.

Cash für Reparaturen von nicht vorhandenen Schäden

Ausgang soll das Ganze mit einer “Geschäftsidee” des 56-Jährigen genommen haben. Seine eigenen Leute meldeten bei Wiener Wohnen angebliche Schäden in öffentlich zugänglichen Bereichen in Gemeindebauten, etwa in Kellerabteilen Dachböden oder Stiegenhäusern. Dazu ließ er laut Anklage von seinen Mitarbeitern so genannte “Häuserlisten” erstellen, für die Behebung der – teilweise nur behaupteten – Schäden, darunter etwa zerbrochene Fensterscheiben, wurde dann letztlich auf Kosten des Steuerzahlers abkassiert.

Die Ingenieure und Werkmeister bei Wiener Wohnen, deren Aufgabe es gewesen wäre, allfällige Schäden bei Begehungen feststellen, ließen sich der WKStA zufolge diese Aufgabe vom 56-Jährigen entgeltlich abnehmen. Sie wurden für ihr Nichttätigwerden “mit Gutscheinen belohnt”, heißt es in der Anklage. Dabei soll es sogar eine Art Tarif gegeben haben: die laut WKStA korrupten Werkmeister erhielten in der Regel Gutscheine – in seltenen Fällen Bargeld – im Gegenwert von rund drei Prozent der beauftragten Rechnungssumme.

WKStA-Anklage wegen “Scheinaufträgen”

“Nachdem sich das System eingespielt und als wirksam und gewinnbringend herausgestellt hatte, wurde es optimiert”, hält die WKStA in ihrer Anklage fest. Da die Wiener Wohnen-Mitarbeiter weder feststellten, ob es überhaupt Schäden gab, und nachher auch nicht kontrollierten, ob diese überhaupt behoben und die erteilten Aufträge ordnungsgemäß durchgeführt wurden, “war es ein leichtes, tatsächlich nicht eingetretene ‘Schäden’ zu melden und derart Scheinaufträge zu generieren”. Laut Anklage wurden die Bestechungszahlungen an die Gemeindebediensteten in einem eigenen Evidenzbuch erfasst.

Der Großteil der Angeklagten hat im Ermittlungsverfahren vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Vom Rest soll sich keiner geständig verantwortet haben. Für sämtliche zur Anklage gebrachten Personen gilt die Unschuldsvermutung.

ÖVP und FPÖ üben Kritik

Die beim Landesgericht eingebrachte Anklage löste am Freitag eine Fülle an politischen Reaktionen aus. Die ÖVP ortete einen “weiteren politischen Skandal im roten Wien”. Besonders brisant sei, “dass Bürgermeister Ludwig, damals in seiner Funktion als Wohnbaustadtrat, selbst politisch verantwortlich für diese vermeintliche Korruption auf dem Rücken der Wiener Steuerzahler ist”, hielt die Wiener ÖVP-Landesgeschäftsführerin Bernadette Arnoldner in einer Aussendung fest. Es stelle sich die Frage, was Ludwig von den Vorgängen wusste. Die Wiener Türkisen verlangten “volle Aufklärung und sofortige politische Konsequenzen”.

Der Wiener FPÖ-Landesparteiobmann Dominik Nepp verlangte den Rücktritt von Wohnbaustadträtin Kathrin Gaal (SPÖ). Nepp und FPÖ-Bautensprecher Philipp Schrang traten überdies für eine Bundes-Aufsicht über Wiener Wohnen ein. “Die Sozialdemokratie schafft es offenbar nicht, bei Wiener Wohnen für Ordnung zu sorgen. Wir müssen das Tafelsilber Wiens vor dem Verfall schützen. Das Wirtschaftsministerium beherbergt eine wohnpolitische Abteilung und wäre eine geeignete Aufsichtsbehörde”, verlautete Nepp in einer Aussendung. Schrang kündigte dahin gehend einen weiteren parlamentarischen Antrag der Freiheitlichen an, nachdem ein erster in der Mai-Sitzung des Bautenausschusses zu Grabe getragen worden sei.

(red/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

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14 Kommentare

    • Genau … die Roten leiten Gerichtsverfahren ein, die Schwarztükisen daschlog´ns.

  1. Gigantisch, wie der Steuerzahler von Parteien und Politikern bestohlen wird! Die klauen unverschämt das erwirtschaftete Geld welches im Gesundheitsbereich und bei den Pensionisten fehlt.
    Es soll Konsequenzen für die Gaal geben? Ja sicher denn die ist die wohnbaulandesräten und die ressortverantwortliche!
    ABER: dann bitte auch Konsequenzen für den Schmähhammer – verantwortlich für 4 Tote im November 20. über diese „Sache“ redet man nicht mehr denn Bauernopfer wurden erbracht!
    Oder der Blüml, der nicht rechnen kann ..
    ein Kurz der damit Berühmtheit erlangt „geliebt zu werden und Kontakte mit korrupten pflegt! Was für ein gigantischer Sauhaufen

  2. Wir müssen das Tafelsilber Wiens vor dem Verfall schützen. Das heisst für die Dorfdeppen in schwarz: 20000 pro Wohnung an Familienmitglieder. Lächerlich.

  3. Die Blauen haben Schaum vorm Mund und den Türkisen rinnt der Geifer runter obwohl sie selber bis zum Hals im Korruptionssumpf stecken.

    • Ja, aber offenbar stecken jetzt auch deine Roten im Korruptionssumpf.

  4. Die Türkisen 🤦‍♀️ Das ist zweifelsfrei Betrug und Korruption, sofern ein Gericht das so feststellt, allerdings in der Liga eines Kleinganoventums. Um welche Summen ging es da (1.000-10.000 € pro Auftrag)? Multiplizier ich mit zig Aufträgen, so viel das es nicht zu verdächtig wirkt, und es kommt nicht einmal nah an das ran was die ÖVP in einem Jahr verballert. Der Typ gehört trotzdem ins Hefen und die Beamten weg.

  5. Gut, dass es die Anklage gibt. Es gibt einen Kronzeugen, der alles ins Rollen brachte. Die Beweise dürften ausreichend sein. Wiener Wohnen ist ein Kerngeschäft der Sozialdemokratie und muss deswegen korruptionsfrei sein. Auch wenn die Beträge wahrscheinlich lächerlich anmuten werden gegen andere Korruptionsverfahren, ist es notwendig, dass in Wien aufgeräumt wird.

    Wie soll man sonst gegen Korruption auftreten können, wenn man im eigenen Bereich nicht klar Schiff macht?

    Jetzt ist der richtige Zeitpunkt Ordnung zu schaffen.

  6. Das ist sicher nicht nur bei Wiener Wohnen, das betrifft sehr viele Hausverwaltungen in Österreich.

  7. Wenigstens kommt im roten Wien so etwas stante pede zur Anklage. Also schafft es die SPÖ, in ihrem Stall für Ordnung zu sorgen. Da können sich die Justizflüchtlinge der ÖVP und FPÖ ganz hinten anstellen. Wir können uns ganz sicher sein, dass in einer ÖVP/FPÖ-geführten Stadt so etwas niemals zur Anklage führen würde. Es würde geleugnet, verschleppt, vertuscht.

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