Ibiza-Prozess:
Ab Mittwoch steht Ibiza-Detektiv Julian Hessenthaler in St. Pölten vor Gericht. Vieles deutet darauf hin, dass der Video-Mann aus der Ibiza-Finca kaltgestellt werden soll. Wenn das Gericht die Beweisanträge der Verteidigung zulässt, kann der Prozess politisch brisant werden.
Wien, 7. September 2021 | Beim Prozess gegen Ibiza-Detektiv Julian Hessenthaler geht es unter anderem um mutmaßlichen Suchtgifthandel. Er soll mit Kokain gedealt haben.
Vorwurf: Kriminalisierung der Aufdecker
Was rund um Martin Hos Pratersauna von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei bislang kaum verfolgt wurde, kann Hessenthaler jetzt zum Verhängnis werden. Dem Ibiza-Regisseur wird vorgeworfen, mit Kokain gedealt zu haben. Doch immer mehr deutet darauf hin, dass Zeugen gekauft und präpariert worden sein könnten. Eine Spur soll, folgt man den Ausführungen von Hessenthaler im U-Ausschuss, zur Glücksspiellobby führen. Trotz ausufernder Ermittlungen im Zusmamenhang mit dem Ibiza-Video gab es bisher keine Anklage gegen Hessenthaler.
Brauchte man also andere Spuren, um einen der Ibiza-Aufdecker verfolgen zu können? Hessenthalers Anwälte glauben das. Weil die Strafandrohung für das Anfertigen geheimer Videoaufnahmen so gering ist, hätte man Hessenthaler nicht nach Österreich ausliefern können, sagt dessen Verteidiger Oliver Scherbaum. Der Ibiza-Detektiv befürchtet, mundtot gemacht zu werden. Unklar ist zudem, wo der Unterschied zu den britischen Journalisten rund um die Affäre Ernst Strasser sein soll. Der ÖVP-EU-Abgeordnete war mit einem Lockvogel und einer Videofalle zu Fall gebracht worden. Strasser-Anwalt Thomas Kralik, der auch Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid in der Ibiza-Causa Casinos verteidigt, hatte sich damals erfolglos an der Kriminalisierung der Aufdecker versucht. Die Ermittlungen gegen die beiden Journalisten wurden schließlich eingestellt.
Politische Einflussnahme befürchtet
Unterdessen versandten Amnesty International, Reporter Ohne Grenzen, epicenter.works und weitere Organisationen an Journalisten einen offenen Brief zum Prozess. „Wären die österreichischen Behörden schon 2015 den Hinweisen des Rechtsanwalts M. in Bezug auf die Korrumpierung Straches so intensiv nachgegangen wie die Ermittlungen gegen Julian Hessenthaler geführt wurden, hätte sich jede Notwendigkeit für ein Ibiza-Video erübrigt“, so Thomas Lohninger, Chef von epicenter.works.
Amnesty International-Generalsekretär Heinz Patzelt ergänzt: „Auch die im Untersuchungsausschuss bekannt gewordene polizeiliche Ressourcenverteilung gibt Anlass zur Sorge, dass es eine politische Einflussnahme auf die Ermittlungen gab: Von über 20 SOKO-Mitgliedern ermittelten siebzehn gegen Julian Hessenthaler und nur drei für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen Strache.“
Wahrheitsfindung in St. Pölten
Die Frage nach der Glaubwürdigkeit der „Belastungszeugen“ ist nur eine von vielen, die beim Prozess am Mittwoch entscheidend sein werden. Warum wurden Kokain-Spuren im Netzwerk des Kanzler-Freundes Martin Ho bislang nicht mit derselben Vehemenz verfolgt? „Ob Julian Hessenthaler die ihm nun vorgeworfenen Urkundenfälschungs- und Drogendelikte begangen hat, muss von einem Gericht geklärt werden. Die enorme Intensität, der Mittelaufwand und die Eingriffstiefe, mit der die Ermittlungen gegen Julian Hessenthaler, für den nach wie vor die Unschuldsvermutung gilt, geführt wurden, sind jedoch beachtlich“, macht Thomas Lohninger im offenen Brief klar.
Auch die Rolle von kriminalpolizeilichen V-Männern in der Ibiza-Affäre ist eine bislang ungeklärte. Ist Kokain bei Hessenthaler „platziert“ worden und wenn ja, von wem? Hessenthalers Verteidiger werden Beweisanträge stellen. Morgen wird das Gericht entscheiden, ob sie zugelassen werden und mit der Wahrheitsfindung in St. Pölten begonnen wird. Prozessbeginn am Landesgericht St. Pölten ist am Mittwoch. ZackZack wird berichten.
(wb)
Titelbild: APA Picturedesk