Prozess gegen Ibiza-Detektiv beginnt
Der Ibiza-Detektiv Julian Hessenthaler stand heute zum ersten Mal vor Gericht. Seine Verteidiger gingen in die Offensive: das Verfahren sei eine “Schande für den Rechtsstaat”.
St. Pölten, 08. September 2021 | Am Mittwoch begann im Landesgericht St. Pölten der Prozess gegen Julian Hessenthaler. Vorgeworfen wird ihm nichts, was mit dem Ibiza-Video in Verbindung steht, wie auch die Staatsanwaltschaft betonte. Er muss sich aber für angeblichen Handel mit Kokain und Urkundenfälschung verantworten.
Hessenthaler bestreitet die Vorwürfe. Seine Verteidiger gingen im Namen von Hessenthaler mit den Ermittlern des Bundeskriminalamts hart ins Gericht.
Verfahren der “Schande”
Zuerst sprach Anwalt Wolfgang Auer. Das Verfahren sei eine Schande für den österreichischen Rechtsstaat.
“Ich kann nur sagen: Ich schäme mich als österreichischer Rechtsanwalt und als Teil des österreichischen Justizsystems, ein derartiges Verfahren erleben zu dürfen oder zu müssen”.
Die Soko Ibiza sei nicht “unabhängig” gewesen, auch nicht ihre Ermittler (wie aus der Soko Ibiza eine Soko Türkis wurde, lesen Sie hier). Stattdessen seien in einem “einseitigen Verfahren” Vorwürfe konstruiert worden, um Hessenthaler zu belasten: “Da stimmt von vorne bis hinten nicht”. Man wolle ihn bestrafen, “weil er das Ibiza-Video gemacht hat.”
ZackZack liegt der Ermittlungsakt rund um die Ersteller des Ibiza-Videos vor. Tatsächlich ermittelte die Soko intensiv in Richtung Hessenthaler. So nutzten die österreichischen Ermittler europäische Ermittlungsanordnungen, um “die deutsche Justiz vor ihren Karren” zu spannen, wie es der deutsche Hessenthaler-Anwalt Johannes Eisenberg schon vor rund einem Jahr gegenüber ZackZack formuliert hatte.
Verdacht der konstruierten Vorwürfe
Die Folge waren umfangreiche Telefonüberwachungsmaßnahmen und eine Vielzahl an Hausdurchsuchungen. Der Republik Österreich dürfte dies eine gehobene sechsstellige Summe an Steuergeld gekostet haben. Für den zweiten Verteidiger des Ibiza-Regisseurs, Oliver Scherbaum, seien die Vorwürfe nicht nur “konstruiert”, sondern das “auch noch schlecht.” Das Verfahren sei durchaus einmalig. Nach diesem Verfahren werde man wissen, ob es in Österreich möglich sei, dass ein Aufdecker von Korruption mit “falschen Anschuldigungen” aus dem Verkehr gezogen werde, sagte Scherbaum.
Die Ermittler werfen Hessenthaler vor, mehr als ein Kilo Kokain weitergegeben zu haben. Zeugen belasten ihn. Die Angaben der Belastungszeugen stimmen laut der Verteidigung nicht überein. Ein Zeuge sei laut Hessenthaler unter Druck gesetzt worden, um den 40-Jährigen zu belasten. Dies bestritt der Zeuge beim Verhandlungstag allerdings. Auch die Vorwürfe, dass er von einem Glücksspiel-Lobbyisten Geld für belastende Aussagen gegen Hessenthaler bekommen habe, wies er zurück.
Die Einvernahme einer Belastungszeugin wurde vertagt, weil diese eine Panikattacke erlitt.
Halbes Jahr in U-Haft
Zudem wird dem Angeklagten Fälschung besonders geschützter Urkunden sowie Annahme, Weitergabe oder Besitz falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden vorgeworfen. Er soll einen gefälschten slowenischen Führerschein und Personalausweis, die auf den Namen einer rumänischen Bekannten lauteten, besessen und übergeben haben. Bei einer Polizeikontrolle am 7. Mai 2019 in Wien soll er die gefälschte slowenische Lenkberechtigung vorgewiesen haben. Einen Bluttest habe er verweigert.
“Ich übernehme die Verantwortung dafür, dass diese Dokumente falsch sind”, sagte der Angeklagte und verwies auf die Ausführungen seiner Verteidiger. Bei den Urkundendelikten sei jeweils “keine Strafbarkeit gegeben”, verwies Rechtsanwalt Auer unter anderem auf das Verbot der Doppelbestrafung.
Seit März ist Hessenthaler in Untersuchungshaft. Sein Auftritt im April dieses Jahres im Ibiza-U-Ausschuss hatte für Aufsehen gesorgt. Kurz vor Beginn der Verhandlung am Mittwoch veröffentlichte die NGO “epicenter.works” den Akt, auf dem die Kokain-Anklage gegen Hessenthaler aufbaut. Zusammen mit Amnesty International und anderen Organisationen zeigte sich die NGO besorgt über die “ausufernde Strafverfolgung”.
(ot)
Titelbild: APA Picturedesk