Donnerstag, April 25, 2024

Die Nerven liegen blank – Wer wird deutscher Kanzler?

Wer wird deutscher Kanzler?

Im Kampf um die Merkel-Nachfolge fliegen die Fetzen. Während sich CDU-Laschet mit einer fragwürdigen Aussage zur Nachkriegsleistung der Sozialdemokratie hinreißen ließ, muss SPD-Scholz Fragen zu einer Razzia im Finanzministerium beantworten.

 

Berlin, 11. September 2021 | Nach 16 Jahren Angela Merkel ist das Rennen um das Kanzleramt in Berlin so offen wie nie. Etwas mehr als zwei Wochen noch, dann weiß Europa, wer Regierungschef im mächtigsten und bevölkerungsreichsten EU-Land wird.

Gerade bei den Konservativen steigt die Nervosität, denn der Trend in den Umfragen scheint sich zu verfestigen: die SPD liegt deutlich vor der Union aus CDU und CSU. Selbst die zuvor zurückhaltende Noch-Kanzlerin Angela Merkel schaltete sich in ihrer letzten Rede vor dem Parlament ungewöhnlich scharf in den Wahlkampf ein. Etliche andere Unionsvertreter warnen beinahe täglich vor einem „Linksrutsch“, sollte die SPD von Kanzlerkandidat Olaf Scholz die Wahl gewinnen.

Laschet mit Entgleisung auf Parteitag

Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet, der in der Direktwahlfrage nicht einmal in Bayern vor Scholz liegt, steht gehörig unter Druck. Sollte er die Wahl verlieren, droht der Noch-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen bald ganz ohne Amt dazustehen. Umso schärfer werden auch seine Töne. Am Samstag ließ er sich zu einer Entgleisung auf dem CSU-Parteitag hinreißen: „In all den Entscheidungen der Nachkriegsgeschichte standen die Sozialdemokraten immer auf der falschen Seite“, so Laschet.

In den sozialen Medien rief die Aussage Empörung hervor. Bilder vom Kniefall des Ex-SPD-Kanzlers Willy Brandt in Warschau machten die Runde. Andere erwähnten die „Ehe für Alle“, die vom Koalitionspartner SPD maßgeblich auf den Weg gebracht worden war. Laschet hatte damals für den Fall einer Mehrheit des Vorhabens vor einem Verfassungsbruch gewarnt. Vor einigen Tagen sorgte er deshalb für Verwirrung, als er im ZDF betonte: „Ich hätte dafür gestimmt, man kann aber auch dagegen stimmen.“ Mittlerweile will er es anders gemeint haben: „Damals hätte ich so gehandelt wie Angela Merkel: Sie hat den Weg freigemacht, aber bei der Abstimmung ihre Bedenken berücksichtigt. Heute hätte ich für das Gesetz gestimmt.“

Söder auf einmal zahm

Dass der Union eine Wahlniederlage blühen könnte, weiß man auch in München. Berichten zufolge bereitet sich die CSU schon darauf vor, die Schuld auf die Schwesterpartei CDU zu schieben und schießt deshalb fleißig in Richtung Laschet. Das geschieht nicht uneigennützig, denn auch die bayerischen Löwen hat der Sinkflug in den Umfragen erwischt, die CSU liegt bei unter 30 Prozent. Am Parteitag in Nürnberg gab sich CSU-Chef Markus Söder allerdings zahm: „Wir wollen, dass du Kanzler der Bundesrepublik Deutschland wirst. Die Bühne gehört dir“, sagte Söder zu Laschet, der im Angesicht der jüngsten CSU-Angriffe gegen seine Person fast schon frenetisch bejubelt wurde.

Laschet forderte in seiner Rede abermals von Scholz, ein Linksbündnis aus SPD, Grünen und Linken auszuschließen. Umfragen zufolge hat eine deutliche Mehrheit aber keine Angst vor einem solchen möglichen Bündnis. Selbst konservative Experten sehen die „Rote Socken“-Kampagne bislang nicht aufgehen.

Neuer Druck für Scholz

Gewonnen ist die Wahl für die SPD allerdings noch lange nicht. Scholz hatte sich am Donnerstag nach den Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft Osnabrück in seinem Finanzministerium verstimmt gezeigt. Das kam nicht überall gut an und wird jetzt von der politischen Konkurrenz ausgeschlachtet. Laschet warf Scholz Populismus vor. Er solle sich bald dafür entschuldigen. Grüne, FDP und Linke wollen Scholz zudem vor den Finanzausschuss zerren und zu den Vorgängen rund um die Geldwäscheeinheit FIU befragen. Gerüchte, wonach das CDU-geführte niedersächsische Justizministerium die Durchsuchung aufgrund des Termins kurz vor der Wahl aus parteipolitischen Zwecken durchgeführt haben könnte, wurden vom Ministerium selbst zurückgewiesen. Der leitende Staatsanwalt in Osnabrück ist in unterschiedlichen Funktionen bei der CDU tätig.

Beobachter rechnen auch aufgrund der Causa damit, dass sich Laschet und Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock am Sonntag im ARD-„Triell“ auf Scholz einschießen werden. Spannend dürfte die Konfrontation allemal werden. Geht es nach CSU-Söder, wird sich an diesem Wochenende die Wahl entscheiden. Es sei die letzte Möglichkeit für eine Trendwende, so Söder im Vorfeld des Parteitags.

Einer „YouGov“-Umfrage zufolge erholt sich die Union aus CDU und CSU zwar leicht, sie liegt bei 21 Prozent. Doch die Sozialdemokraten legen weiter leicht zu und würden Stand jetzt von 26 Prozent gewählt werden. Die Grünen sind mit 15 Prozent wohl aus dem Rennen um die Kanzlerschaft. Die rechtsradikale AfD hält bei 12 Prozent, während die liberale FDP von 13 auf 10 Prozent abrutscht. Die Linke fällt von 8 auf 6 Prozent und kämpft damit um den Wiedereinzug (5-Prozent-Hürde).

(wb)

Titelbild: APA Picturedesk

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35 Kommentare

  1. Es ist völlig wurscht. Scholz ist ein Bankenknecht und hat mit der Sozialdemokratie Willy Brandts nichts am Hut. Laschet hat keine Nerven und nutzt sein Talent zum Moderieren nicht. Baerbock wird in bester grüner Tradition tun alles mitmachen was ein stärkerer Koalitionspartner fordert. Die AfD ist wegen ihrer Vorgeschichte und wegen ihres Personals für aufrechte Deutsche, die sich zur Geschichte bekennen und aus ihr gelernt haben, unwählbar. Das scheinbare Engagement gegen Covid-19-Maßnahmen ist nur ein taktisches Manöver wie bei Kickl. Die FDP ist eine Klientelpartei und wird immer danach handeln. Die Linke hat sich durch fehlende Profilierung, interne Streitigkeiten, ideologische Laschheit und fehlendes Programm selber ins Aus geschossen. Es ist völlig wurscht, wo man sein Kreuzchen macht. Diese Wahl verdient ihren Namen nicht.

    • Es ist nicht wurscht. Es gibt noch die Kleinparteien, insbesondere die Basis. Die werden zwar keinen Kanzler stellen, aber jedes Zehntelprozent für die kann sehr wichtig werden.

      • Die Deutschen sind extreme Herdentiere. Obrigkeitshörig bis zur Selbstaufgabe. Wenn die Basis einige Stimmen kriegt, freue ich mich. Aber die sollten lieber einen sehr langen Atem mitbringen. Die 5%-Hürde ist sehr schwer zu knacken.

  2. 16 Jahre schwarz sind wohl mehr als genug. Da hatten die jede Menge Zeit zum Abzocken.
    Jetzt kommen andere dran… Umverteilung eben. Von oben nach oben.

    • Jetzt zocken auch noch andere ab. Die Grünen z. B. haben gerade die höchste Wahlkampfspende in der Höhe von 1.25 Millionen Euro erhalten. Und eine zweite in Höhe von 1 Million von SAP (Softwarekonzern), daher sind sie nun extrem engagiert für die Digitalisierung. SAP wird sich freuen, die Million war gut investiert.

  3. Was sind die “rechtsradikalen” Forderungen der AfD? Man hört/ließt davon oft, aber was diese letztendlich wirklich umfasst kann man mir eigentlich nie sagen, außer “das sie das in TV und Zeitung” gelesen haben.

    • Habe mir gestern eine Rede eines AfD-Abgeordneten im Bundestag zu Kinder-Impfungen angehört. Der junge Mediziner hat die fundierteste und sachlichste Meinung dazu geäußert, die ich von einem deutschsprachigen Politiker je gehört habe,

      Das Problem sind halt die “Oberen” der Partei, die oft von rechten Hardlinern gestellt werden.

  4. Als ob es uns nicht piepegal sein müsste wer uns die Haut bei lebendigem Leib abzieht …

  5. Na wenn der Kurz vor einer “Linksregierung” in D. warnt dann kann das doch nur gut sein.

  6. Wir sollten uns eigentlich ums unsere Volkstreter Gedanken machen und nicht um die Deutschen kümmern.Österreich geht dem Großteil der Deutschen sicher am A…h vorbei, das sieht man ja daran wie wir von den Deutschen von oben behandelt werden,oder auch an der Bezeichnung Ösi.

    • Die Bezeichnung Piefke ist ja auch nicht gerade schmeichelhaft, so gesehen sollte man bei Ösi nicht überempfindlich sein.

      Die Entwicklung in Deutschland ist halt extrem wichtig für die zukünftige Entwicklung der EU – und somit auch für Österreich. Im Großen betrachtet vielleicht sogar wichtiger als das, was unsere “Volkstreter” gemeinhin so aufführen.

    • Naja, wir haben ja auch unsere “Piefkes”. Soviel Spaß kann ruhig sein.

  7. In Deutschland kann man wieder mal live zusehen, wie die Superreichen agieren. Kaum liegt der SPD Kandidat in Umfragen vorne und es könnte nach der Wahl zu einem Linksbündnis kommen, schon gibt es eine Razzia im von Scholz geleiteten Finanzministerium. So ein Zufall, dass das gerade jetzt 2 Wochen vor der Wahl passiert, oder? Und die Boulevardpresse, die wie in Österreich im Eigentum eines kleinen, elitären Kreises von Superreichen steht, stürzt sich darauf, wie ein Rudel ausgehungerter Wölfe. Wäre doch gelacht, wenn sie diese Fehlentwicklung nicht noch in ihre Sinne drehen könnten.

    Ich habe den Wahlkampf in Deutschland bisher als relativ neutraler Beobachter verfolgt. Aber jetzt würde ich es der Union vergönnen, wenn sie die Wahl verliert. Und den Superreichen, dass es zu einem Regierungsbündnis kommt, das sie angemessen zur Kasse bittet.

    • “stürzt sich darauf, wie ein Rudel ausgehungerter Wölfe”
      Dafür wird bei uns Wirecard und die Ho Koks Geschichte ignoriert, als ob es nichts zu berichten gäbe.
      Daran sieht man deutlich, wie nahe wir schon Ungarn punkto Pressefreiheit sind.

    • Warum sollten die Superreichen gegen Scholz agieren? Er tut seit Jahren genau das, was die Superreichen noch reicher macht. Sie lieben Scholz, so wie sie schon Schröder geliebt haben, den Kumpel von Scholz. Schau mal, was Scholz mit CUMEX und mit WIRECARD zu tun hat.

  8. Egal wer gewinnt, er wird das Diktat der “Mitte” fortsetzen und “den Planeten retten” nachdem er “die Menschheit vom Virus befreit” hat.

    Wenn sich in Deutschland was ändern soll, dann müsste – wie auch hier – auf Altparteien vollkommen verzichtet werden.

    Da das nicht passieren wird, wird D auch weiterhin auf Kurs Dystopie bleiben. Man verspottet zwar Russland, China, Taliban, fährt aber längst selbst im gleichen Fahrwasser.

  9. Kanzler wird derjenige der es am besten schafft seine eigene Persönlichkeit zu verbergen, denn die ist in der modernen Politik unerwünscht.

  10. Der größte Unterschied der mir zum Nachbarland Deutschland auffällt -neben der Tatsache dass bei uns ein ausgewachsener Skandal nur ein kleines Hoppala darstellt – ist dass die Afd dort als rechtsradikal gilt und die FPÖ bei uns als angemessen rechtspopulistisch.

  11. Wer wird deutsche Kanzlerin?
    Nachdem nur eine zur Wahl steht – wohl keine Frage!

  12. Nicht der Wähler, der Bundestag bestimmt den Bundeskanzler. In Österreich wurde schon einmal der Spitzenkandidat der drittstärksten Partei Bundeskanzler. In der EU wurde jemand zur Präsidentin der Europäischen Kommission bestimmt, der (die) gar nicht zur Wahl anstand.

    “Bilder vom Kniefall des Ex-SPD-Kanzlers Willy Brandt in Warschau machten die Runde.”
    Davon, dass Brandt entscheidend zur Normalisierung der Beziehung zu Russland beitrug, steht nicht zur Debatte? Weil man schon wieder kriegsgeil geworden ist?

    • Ausnahmsweise bei Ihnen…die ” Wahl ” von van der Leyen war ein Schlag ins Gesicht der Europäer

  13. Deutschland schafft sich nun endgültig ab. Und reißt gleichzeitig ganz Europa mit in den Abgrund.

      • Die AFD ist für Deutschland sicher besser, als Ihre schwachsinnigen Kommentarefür uns.

        • Ich mag keine Alt Nazis in der Nachbarschaft wir haben eh in Ö. genug davon. Und bei der AfD sind einige wirklich braune dabei.

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