Fiktiver Dienstleister:
Eine fiktive Firma sollte für die AfD mehrere Millionen Wahlkampfflyer verteilen – tat sie aber nicht. Hinter der Aktion steckt das Zentrum für Politische Schönheit.
29. September 2021 | Aktionen des Zentrums für Politische Schönheit (ZPS) sind oft provozierend und hart. So auch die neueste Aktion: vor der Bundestagswahl in Deutschland habe das Künstlerkollektiv laut eigenen Angaben rund 72 Tonnen Werbematerial der AfD, sogar mithilfe der Partei selbst, entgegengenommen. Mit einem fiktiven Unternehmen sollen die Aktivisten der Partei angeboten haben, als Dienstleister Flyer zu verteilen. „Eine GmbH ohne Adresse, Handelsregistrierung oder Steuernummer“ habe allen AfD-Verbänden in der Republik „ein Angebot gemacht, dass sie nicht haben ablehnen können“, teilten die Aktivisten mit.
“Weltmarktführer im Nichtverteilen von Nazi-Flyern”
Durch die Aktion habe das ZPS von der Partei Aufträge in Millionenhöhe akquiriert, hieß es weiter. Man habe fünf Millionen Flyer von verschiedenen Kreisverbänden der Partei gesammelt – nur um sie später zu entsorgen. Auf Fotos war zu sehen, wie die Aktivisten tonnenweise Flyer der rechtsradikalen Partei in Müllcontainer werfen, die früher oder später sowieso weggeworfen werden – nur dass sie keiner außer der AfD und der fiktiven Flyerfirma zu sehen bekam. Ziel sei es gewesen, „Weltmarktführer im Nichtverteilen von Nazi-Flyern“ zu werden.
Gegenüber der „Zeit“ sagte ein Sprecher der AfD, dass der genaue Umfang des entstandenen Schadens noch nicht bekannt sei. Am vergangenen Freitag hatte die Partei lediglich von mehr als einer Million nicht verteilter Wahlkampfflyer gesprochen. Die AfD kündigte an, Strafanzeigen stellen zu wollen. Angeblich seien Kreisverbände und Kandidaten in Niedersachsen, Berlin, Hessen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pflaz betroffen gewesen.
Im Namen der Kunst
AfD-Spitzenkandidat Tino Chrupalla hatte kurz vor der Wahl erklärt: „Diese beispiellose Aktion trifft nicht nur die AfD. Hier ist bereits jetzt ein erheblicher Schaden für die Demokratie eingetreten.“ Das ZPS versuche, der radikalen Partei im Wahlkampf vorsätzlich zu schaden und zwar „mit einem hohen Maß an betrügerischer Energie“. Weitere Reaktionen der AfD hat das ZPS auf der Aktionsseite in Form von Kundenrezensionen zusammengefasst.
Das Künstlerkollektiv rechnet derweil nicht damit, dass eine Strafanzeige Erfolg haben könnte. “Es existieren keine Auftragsbestätigung, keine rechtsgültigen Verträge, sondern nur ‘Angebote’ einer Flyerverteilfirma ohne jegliche Rechtsform und im Namen der Kunst”, heißt es auf ihrer Homepage. “Warum sollte eine Superpartei und echte Alternative ihre Flyer auch selbst verteilen wollen, wie diese ganzen Trottel von den Altparteien?” heißt es weiter. Das Ergebnis: 85 Orts-, Kreis- und Landesverbände der AfD lieferten 72 Tonnen AfD-Flyer, unwissend, mit wem sie es eigentlich zu tun hatten.
Warum sollte eine Superpartei und echte „Alternative“ ihre Flyer selbst verteilen wollen – wie diese ganzen Trottel von den Altparteien? – Leider ist unser einziger Kunde extrem sauer und will uns verklagen. Werde deshalb jetzt Teil vom Flyerservice Hahn: https://t.co/gIoLJRAAyf pic.twitter.com/QXTF9p3CLI
— Zentrum für Politische Schönheit (@politicalbeauty) September 29, 2021
Im Angebot: Weihnachten mit Björn Höcke
Um den Rechtsstreit mit der AfD finanzieren zu können, hat das Künstlerkollektiv zur Spende aufgerufen. Als Dankeschön gibt es für jede Spende ab zehn Euro ein kleines Geschenk des fiktiven Flyerunternehmens inklusive. Zum Beispiel AfD-Versorgungsurkunden, Vertragssets oder bei einer Spende von mindestens 1.000 Euro “Weihnachten mit Höcke (Frontmann des rechtsextremen “Flügels” in der Partei, Anm.)”.
Das ZPS war bereits in der Vergangenheit mit politischen Aktionen aufgefallen. So hatte das Kollektiv im November 2017 eine Nachbildung des Berliner Holocaustmahnmals in Nachbarschaft des Wohnhauses von AfD-Politiker Björn Höcke im thüringischen Bornhagen aufgestellt. Aktionen wie das Aufstellen einer Säule in Sichtweite des Reichstagsgebäudes, die Asche von NS-Opfern enthalten sollte, hatten für erhebliche Kritik gesorgt.
(jz)
Titelbild: YouTube Screenshot