Mittwoch, April 24, 2024

Siebeneinhalb Jahre für ÖVP-Bürgermeister in Vergewaltigungsprozess

Ein oberösterreichischer ÖVP-Bürgermeister, der bei den Kommunalwahlen am Sonntag der Vorwoche als Ortschef wiedergewählt wurde, ist am Montag zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Wien, 04. Oktober 2021 | Er soll eine ehemalige Mitarbeiterin sexuell belästigt, mehrmals vergewaltigt und verleumdet haben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Sollte es das werden, ist damit ein Amtsverlust verbunden. Sein Landtagsmandat hat der Angeklagte im Zuge des seit Jahresbeginn laufenden Verfahrens zurückgelegt und er war bei der Landtagswahl auch nicht mehr aufgestellt worden. Als Ortschef ist er aber weiter im Amt. Ihm wird vorgeworfen, eine Mitarbeiterin in der Zeit von 2014 bis 2016 zweimal sexuell belästigt, dreimal vergewaltigt und – als sie ihr Schweigen schließlich brach – verleumdet zu haben. Die Anklage stützt sich u.a. auf ein vom mutmaßlichen Opfer vorgelegtes Taschentuch, auf dem Scheidensekret der Frau und Sperma des Angeklagten nachgewiesen wurden.

Der Bürgermeister leugnet alle Vorwürfe vehement und ortet eine Intrige. Er will niemals eine Affäre mit der Frau gehabt haben und meint, das Beweisstück müsse manipuliert sein. Er hatte die Mitarbeiterin, nachdem sie Vorwürfe gegen ihn erhoben hatte, wegen Verleumdung angezeigt und eine Unterlassungsklage eingebracht. “Ohne diese Unterlassungsklage würden wir hier nicht sitzen”, sagte die Anklagevertreterin im Prozess. Denn die Staatsanwaltschaft stellte letztlich ihre Ermittlungen gegen die Frau ein und erhob gegen den Politiker Anklage.

Kollegen vom Gemeindeamt berichteten sinngemäß, dass das mutmaßliche Opfer die Nähe des Angeklagten gesucht habe, aber auch, dass die Frau im Umgang schwierig gewesen sei. Die Geschädigte wiederum meint, dass der Bürgermeister einige Mitarbeiter auf sie angesetzt habe, sie sei gemobbt worden. Für Aufregung sorgte, als herauskam, dass sich mehrere Zeugen zuvor im Büro des Verteidigers getroffen hatten.

Laut Verteidigung sei der Bürgermeister zu einem der angeblichen Tatzeitpunkte auf Urlaub gewesen. Das ausrangierte Handy des Ortschefs, dessen Geodaten dieses mögliche Alibi beweisen sollten, war aber nicht mehr auffindbar. Daher ließ der Richter das Google-Konto des Politikers auswerten. Der Gutachter fand zu den mutmaßlichen Tatzeitpunkten keine GPS-Daten. Ungewöhnlich sei, dass am Handy insgesamt mehr Geodaten gespeichert gewesen seien als in der Cloud des Google-Kontos, berichtete er. Das lege nahe, dass “in der Cloud nachgeputzt wurde”, eindeutig nachweisen könne man Löschungen aber nicht. Einige Suchanfragen des Angeklagten zwischen Prozessstart und Arbeitsbeginn des Gutachters hätten sich aber mit Fragen von Löschung und Speicherungen von Google- bzw. Geodaten befasst, berichtete der Experte. Andererseits wurde auch eine Chat-Nachricht gefunden, die auf einen Italienurlaub hindeutet – der Angeklagte will zu einem der Tatzeitpunkte am Gardasee gewesen sein.

Während der Abspielung der kontradiktorischen Opfer-Einvernahme wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Eine ergänzende Video-Einvernahme der Frau scheiterte dann daran, dass sie keine Fragen des Verteidigers beantworten wollte und sich schließlich auf ihr Aussageverweigerungsrecht berief.

Siebeneinhalb Jahre – nicht rechtskräftig

Die Staatsanwältin sah in ihrem Schlussplädoyer die Schuld des Angeklagten als erwiesen an. Der Angeklagte habe seine Rechtfertigungen immer wieder geändert, mehrere Zeugen haben sich nach Ansicht der Anklagevertreterin hingegen in manchen Details nach Jahren zu genau erinnern können. Einen “Racheplan” der ehemaligen Mitarbeiterin gegen den Politiker hält sie nicht für glaubwürdig. Wenn die Frau das geplant hätte, hätte sie viel mehr vorgelegt als das eine Taschentuch. Der Verteidiger präsentierte in seinem Schlussvortrag u.a. etliche Fotos, die zeigen sollen, dass die Frau bei Veranstaltungen meist recht fröhlich und mit dem Bürgermeister vertraut gewirkt habe – sie hatte das in ihrer Einvernahme mit “ich habe gute Miene zum bösen Spiel gemacht” erklärt.

Das Taschentuch lasse nur einen Schuss zu, so das Gericht in der Urteilsbegründung: Es habe Geschlechtsverkehr gegeben. Da einvernehmlicher Sex immer bestritten wurde, wurde der Politiker schuldig gesprochen. Er wurde bei einem Strafrahmen von fünf bis 15 Jahren zu siebeneinhalb Jahren verurteilt und muss dem Opfer 7.000 Euro bezahlen Wenn das Urteil rechtskräftig wird, muss er sein Amt abgeben

Als mildernd wurde die Unbescholtenheit gewertet, als erschwerend u.a. der lange Tatzeitraum, die mehrfache Wiederholung und die Ausnutzung eines Autoritätsverhältnisses. Die Verteidigung meldete Nichtigkeitsbeschwerde, Strafberufung und Berufung gegen die Privatbeteiligten-Ansprüche an, die Staatsanwältin ebenfalls Berufung und der Opfervertreter gab keine Erklärung ab. Der Politiker zeigte sich im Gerichtssaal fassungslos und sagte immer wieder: “Ich habe keine einzige dieser Taten begangen.”

(bf/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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27 Kommentare

  1. Alleine das dieser Mensch so dreist war, bei der Wahl wieder anzutreten ist eigentlich unglaublich. Die Vorwürfe waren schließlich nicht von der Hand zu weisen. Aber anscheinend hatte die schwarze Sippschaft fest damit gerechnet, die Sache würde sich schon irgendwie richten lassen. Die Frau etwas mit Dreck bewerfen und als Psycherl hinstellen und schon wäre die Weste der “Herrn” Bürgermeister wieder rein. Leider hat man nicht damit gerechnet, dass der lange Arm der ÖVP doch nicht überall hinlangt.

  2. “Ich hätte gern einen Termin beim Bürgermeister in Scharten.” “Er hat leider keinen Termin frei die nächsten 7,5 Jahre. Aber er stellt sich in ein paar Jahren zur Wiederwahl. Ich hoffe, wir können auf Ihre Stimme zählen.” “Natürlich, ich habe ja ein Hirn und bin Oberösterreicher”. So oder so ähnlich wird es jetzt 8 Jahre in Scharten Amtshaus zugehen.

  3. Aber zurückgetreten ist er noch immer nicht? “Die Grenze ist das Strafrecht” gilt wohl auch nicht mehr. Zumindest eine erstinstanzliche Verurteilung ist für die Partei der institutionalisierten Korruption kein Problem – wer weiß, welche Leistungsträger das auch bald in Anspruch nehmen werden müssen.

  4. Unglaublich aufgrund welch lächerlicher Beweise man in Österreich verurteilt wird. Das Taschentuch kann sie genauso gut in seinem Büro im Papierkorb gefunden und dann mit eigenen Sekreten ergänzt haben.

    Sämtliche Zeugen für den männlichen Angeklagten werden mit einem Fingerschnippen für nichtig erklärt und dieses einsame, mehr als zweifelhafte Taschentuch reicht für sieben Jahre Häfn.

    Ich sage nicht, dass er unschuldig ist, aber bei solch einem einzigen, lachhaften Indiz MUSS in einem Rechtsstaat im Zweifel für den Angeklagten gelten. Alles andere ist Willkürjustiz.

    • Auf einem Taschentuch im Büro? Sie haben keine hohe Meinung von unseren Politikern!

      • Das hat er anfänglich sogar behauptet. Von dieser Strategie ist er anscheinend aber dann abgekommen und hat stattdessen behauptet er wäre gar nicht im Land gewesen.

    • Sämtliche Zeugen schienen dem Gericht anscheinend für unglaubwürdig genauso wie der Bürgermeister. Ich glaube schon, das ein Richter weis wenn jemand lügt und wenn nicht. Die aller wenigsten Menschen können so glaubhaft lügen, dass es vor Gericht nicht auffällt. Die Geschichte des Bürgermeisters war etwas zu gut konstruiert, das fällt auf.

  5. Die Werte der ÖVP halt. Frauen sind nix wert. Ohh wo nochmals ist das auch so? Komm grad nicht drauf Herr Aussenminister. Könnens mir aushelfen?

  6. Siebeneinhalb Jahre sind ein guter Richtwert für andere Vergehen, die man auch dieser politischen Familie zurechnet.

  7. Unglaublich, dass man bei uns bei solcher beweislage verurteilt werden kann. Beweise? Eigentlich liegen gar keine vor.

    • Ah sie waren also bei der Verhandlung anwesend. Na dann klären sie mich auf.

      • War ich nicht, habe aber den Artikel gelesen. Hat die STA die alte Telefonrechnung gesucht für den Zeitraum an dem er angeblich am Gardasee war? Da müsste was von Roominggebühren stehen, falls er dort war. Hat man geklärt, von wem das besagte Taschentuch stammt? Bin mir sicher das würde nicht geklärt. Und nur so allgemein: Wenn jemand so ein Taschentuch jahrelang aufhebt… wie würden Sie persönlich so eine Person bezeichnen?

        • “Da müsste was von Roominggebühren stehen, falls er dort war.”
          Richtig! Italien liegt ja nicht in der EU, dann fallen “Roominggebühren” an. Schlampige Arbeit!

          • Deshalb gibt es ja auch keine Rechnungen mehr, wenn der Kunde sie nicht selbst archiviert hat.

          • Das war 2017 -> daher keine Rechnungen mehr: IST LEIDER FALSCH
            Das wäre strafbar, ein österreichisches Unternehmen muss ab Bilanzstichtag alle ausgestellten Rechnungen 7 (sieben) Jahre lang aufbewahren (d.h. heute bis inkl 2013!) und auf Wunsch der Behörden in einem Verfahren (v.a. Finanz) in einem angemessenen Zeitraum (2-3 Wochen üblicherweise) zur Verfügung stellen. Sogenannte Einzelgebührennachweise (Details welche Nummer wo angerufen wurden) werden üblicherweise binnen 3-12 Monaten nach Rechnungsbezahlung gelöscht (die meisten Provider archivieren die trotztdem mittels standardmässiger Backups).
            Also als Verteidiger des BGM würde ich auf den Rechnungen bestehen, falls er tatsächlich zum vmtl. Tatzeitpunkt nachweislich im Ausland war.

        • Na ja,wenn es ein Kleid,statt eines Taschentuches wäre,dann würde ich die Frau als Monica ansprechen,bezeichnen kann man die Person als Frau,aber benennen,wie gesagt wäre es ein Kleid,dann würde man die Person Monica nennen.

    • Naja, was heißt keine Beweise liegen vor. Wenn man einvernehmlichen Sex bestreitet auf dem Taschentuch aber das Sperma des Angeklagten zu finden ist, frage ich mich welche Möglichkeiten es da noch geben soll wie das Sperma da landet? Welchen Zugang zum Sperma sollte das Opfer denn da großartig haben um das zu fälschen oder onaniert man im Gemeindeamt fleißig am Klo?

  8. Tja, kann passieren, dass ein Schwarz-Türkiser Ermittlungen anleiert, die ihm dann auf die Füße fallen.

  9. Ein Schmutzfink….. und wie soviele kleine Bürgermeister völlig abgehoben.

    • Schmutzfink bei einem Vergewaltiger? Ein Verbrecher ist er. Nur halt noch nicht rechtskräftig abgeurteilt.

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