Hausdurchsuchungen:
Als Folge der Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz lädt Vizekanzler Werner Kogler alle Parteien zu Gesprächen über die Zukunft. Der Kanzler sei möglicherweise handlungsunfähig.
Wien, 07. Oktober 2021 | In einer Aussendung stellte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) am Donnerstag die Handlungsfähigkeit von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in Frage. Durch die von der Staatsanwaltschaft gesammelten Beweise für “korruptes Verhalten” des “engsten Umfelds von Sebastian Kurz” sei eine “neue Dimension” erreicht. Dass auch Kurz selbst zu den Verdächtigen gehört, erwähnte Kogler nicht. “Wir können nicht zur Tagesordnung übergehen, die Handlungsfähigkeit des Bundeskanzlers ist vor diesem Hintergrund in Frage gestellt” sagte der Kogler. Er wolle nun für “Stabilität und Ordnung” sorgen.
Laut Grünen-Insidern würden führende Teile der kleine Regierungspartei am liebsten weiterregieren und nur das Spitzenpersonal ihres Partners austauschen.
NEOS und FPÖ offen für Vier-Parteien-Bündnis
Kogler lädt daher die Klubobleute aller Parlamentsparteien – auch August Wöginger von der ÖVP – zu Gesprächen. Bereits am Mittwochabend hatte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger Gespräche angeboten. Kogler war da nicht für sie erreichbar. Meinl-Reisinger hatte Offenheit für ein gemeinsames parlamentarisches Vorgehen aller Parteien außer der ÖVP angedeutet. Eine Bereitschaft für ein Vier-Parteien-Bündnis lassen auch FPÖ-Abgeordnete hinter den Kulissen durchblicken. In der SPÖ gibt man sich noch bedeckt.
Meinl-Reisinger gegen Neuwahlen
Die gesamte Opposition beantragte eine Sondersitzung des Nationalrats zu den Ermittlungen gegen Kurz und seine engsten Berater. Sie war ursprünglich für Freitag angedacht. Weil Kurz am Freitag aber in Berlin weilt, wird sich der Termin verschieben. Die ÖVP wollte gegenüber ZackZack keine Stellungnahme zur Aussendung Koglers abgeben. Beate Meinl-Reisinger sagte in einer Presskonferenz, sie habe mit Kogler einen Gesprächstermin für Samstag vereinbart. NEOS kündigten für die Nationalrats-Sondersitzung einen Misstrauensantrag gegen Sebastian Kurz an. Meinl-Reisinger sprach sich gegen Neuwahlen aus. Gewählt werde nicht der Kanzler, sondern der Nationalrat und dieser sei handlungsfähig.
Kickl will Klarheit von Grünen
FPÖ-Chef Herbert Kickl sagte, er verschließe sich Gesprächen mit Kogler nicht. Kurz sei handlungsunfähig, es mangle dem Kanzler außerdem an Problembewusstsein. Auch die FPÖ kündigte für die Sondersitzung einen Misstrauensantrag an. Von den Grünen verlangte Kickl eine klare Positionierung: “Worüber wollen die Grünen reden, wenn sie selber nicht wissen, wie die Dinge zu bewerten sind? Wir haben eine solche, aber die grüne Position ist mir und der Öffentlichkeit nicht klar. Ist Kurz handlungsfähig – ja oder nein?”
(tw)
Der Artikel wird laufend aktualisiert.
Titelbild: APA Picturedesk