Donnerstag, März 28, 2024

»Einsturzgefahr im ‘House of Kurz’« – Internationale Presse

Internationale Presse

Das “House of Kurz” droht einzustürzen, das ist das Urteil der internationalen Presse.

Wien, 08. Oktober 2021 |

“Neue Zürcher Zeitung” (Zürich) und “Handelsblatt” (Düsseldorf): “Alte Übel statt neuer Stil”

“Für die Politik gelten jedoch andere Massstäbe als nur diejenigen des Strafrechts. Deshalb ist derzeit sehr ungewiss, ob Kurz diesen Skandal politisch überlebt. Der grüne Koalitionspartner musste sich argumentativ bereits verbiegen, als im Mai Ermittlungen wegen Falschaussage gegen den Kanzler eingeleitet wurden – ein im Vergleich vernachlässigbares Delikt. Dass die Partei die Regierung weiterhin stützt, wenn deren Chef wegen Korruption angeklagt werden sollte, ist schwer vorstellbar, zumal die Grünen in dieser nun gut anderthalbjährigen Partnerschaft wenig erreicht haben. Nun könnte sich rächen, dass die ÖVP dem Juniorpartner politisch kaum einen Erfolg gönnte. Österreich steht vor turbulenten Wochen, die durchaus zum Ende von Kurz’ einst so spektakulärer politischer Karriere führen könnten. Dass seine eigene Partei ihn fallenlässt, scheint zwar vorerst ausgeschlossen. Doch bricht unter seiner Führung zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren eine Regierung auseinander, wird es ihm schwerfallen, nach allfälligen Neuwahlen wieder Bündnispartner zu finden. Dafür hat Kurz mit seiner Politik im altbekannten Stil zu viel Geschirr zerschlagen.”

“Tagesspiegel” (Berlin): “Spuk”

“Der Lieblingskanzler mancher deutschen Jungpolitiker und Boulevardblätter steht erneut unter Verdacht. Nach möglichen Lügen in Untersuchungsausschüssen und Postenschacherei werden nun noch schwerwiegendere Vorwürfe gegen den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz und seine ÖVP erhoben: Unter anderem sollen Umfragen, die Kurz beim Kampf um das Kanzleramt im Aufwind sahen, verfälscht und mit Steuergeld in der Presse verbreitet worden sein. Stimmen diese Vorwürfe, wäre dies eine Manipulation der öffentlichen Meinung und der nächste Beweis für das verdrehte Demokratieverständnis von Kurz. Wieder gibt sich Kurz gelassen, er habe von nichts gewusst. Für die Grünen, den Koalitionspartner, ist das ein ernstes Problem, denn schon nach den letzten Skandalen war ein ‘Weiter so’ nur schwer erklärbar. Eigentlich müssten sie die Koalition beenden – in der sie aber überraschend viele grüne Ideen durchsetzen konnten. Denn die ÖVP hat den Grünen in ihren Bereichen des Umweltschutzes relativ freie Hand gelassen, ein CO2-Preis und ein Klimaticket zählen zu den Errungenschaften. Doch die Grünen haben sich auch den Kampf gegen die Korruption auf die Fahne geschrieben. Daher müssten sie dem Spuk ein Ende machen.”

“Dolomiten” (Bozen): “Nach Beben im Kanzleramt bebt die Republik”

“Fest steht: So unter Druck stand der jüngste Bundeskanzler und ÖVP-Chef der Zweiten Republik noch nie. Ihm und seinen engsten Beratern, der sogenannten ‘Kurz-Truppe’, wird vorgeworfen, die Machtübernahme in der Partei 2016 als Außenminister akribisch auch dadurch vorbereitet zu haben, dass ein Vertrauter im Finanzministerium die Unterbringung gefälschter Umfragen im Boulevardmedium ‘Österreich’ organisierte und mit Scheinrechnungen finanzierte – so sollte Kurz gepusht und Parteichef Reinhold Mitterlehner ‘runtergeschrieben’ werden. Es gilt, wie man in Österreich so schön sagt, die Unschuldsvermutung.

Fest steht auch: Selbst wenn es keinen Beweis für einen Auftrag seitens Kurz’ gibt, hat er neuerlich Ermittlungen als Beschuldigter am Hals (wegen Falschaussage im parlamentarischen U-Ausschuss laufen sie schon länger). Ihm droht die zweite Regierung seiner jungen Karriere abhanden zu kommen (nach der geplatzten ÖVP-FPÖ-Koalition; die vorherige SPÖ-ÖVP-Koalition ließ ja der an die Macht gekommene Kurz platzen). Vor allem aber: Der ‘neue Stil’, mit dem Sebastian Kurz 2017 angetreten ist, die Partei und die österreichische Innenpolitik umzukrempeln, die ganz andere Art des Politikmachens ist Schnee von gestern – selbst wohlwollendste Medien kommentieren: Das nimmt Sebastian Kurz niemand mehr ab.”

“taz” (Berlin): “Kurz klammert sich an die Macht”

“Außer dem Bundespräsidenten und den eigenen Parteigranden kann niemand Kurz zur Aufgabe zwingen, solange die Koalition hält. Es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass er auch aus Neuwahlen wieder als Sieger hervorgehen würde. Doch er riskiert damit eine Spaltung der Gesellschaft. Ähnlich wie in den USA, wo eine große Anzahl Konservativer Donald Trump unverbrüchlich die Treue hält, ist in Österreich die Fangemeinde von Sebastian Kurz durch Fakten nicht von ihrem Glauben abzubringen. Der Kanzler würde dem Land und wohl auch seiner Partei einen Gefallen erweisen, wenn er sich zumindest bis zur endgültigen Klärung der Vorwürfe zurückziehen würde. Aber so tickt Sebastian Kurz nicht.”

“Süddeutsche Zeitung” (München): “Korruptionsgewohnheiten”

“Es geht allerdings nicht um eine Person allein und deren mutmaßliches Fehlverhalten. Zur Diskussion steht ein politisches System, das durch und durch verdorben ist. Machtmissbrauch, illegale Parteienfinanzierung, die Verstrickung von Medien und Politik, der Staat als Selbstbedienungsladen: All diese Missstände sind nicht erst seit Ibiza bekannt. Gemacht worden ist nur viel zu wenig dagegen. Mit der Folge, dass Österreichs Korruptionssumpf nun bis ins Kanzleramt reicht. Es ist dringend ein Neustart geboten, ein sauberer Schnitt.”

“Il Manifesto” (Rom): “Die Ära Kurz scheint am Anfang des Endes zu sein”

“Kurz steht einen Schritt vor dem Ende. Das politische Erdbeben in Österreich hält weiter an. Wie lang wird Kurz noch Kanzler bleiben? In Wien hat bereits die Suche nach einer Lösung begonnen, die dem Land Neuwahlen ersparen kann. Die Ära Kurz scheint am Anfang des Endes zu sein”.

“Sole 24 Ore” (Mailand):

“Kurz verteidigt sich, doch seine Allianz mit den Grünen wackelt. Der Schatten einer Regierungskrise in Österreich wird länger. Der Kanzler gibt nicht auf und kann mit der Unterstützung seiner ÖVP-Minister rechnen”.

“Hospodarske noviny” (Prag):

“Sebastian Kurz ist zwar unter den Staats- und Regierungschefs bei EU-Gipfeln immer noch der Jüngste, doch haben die Razzien im Kanzleramt und in der ÖVP-Zentrale seine steile Karriere in ihren Grundfesten erschüttert. Zwei Aspekte sind an der ganzen Affäre am schlimmsten: Zum einen wird der Eindruck bestärkt, dass sich Politiker in der Alpenrepublik wohlmeinende Berichterstattung mit öffentlichen Geldern kaufen können. Zum anderen untergräbt die Kurz-Affäre nicht nur das Vertrauen in die Politik, sondern auch in die Medien, deren Aufgabe es eigentlich sein sollte, die Politiker zu kontrollieren.”

Nürnberger Nachrichten” (Nürnberg): “Einsturzgefahr im ‘House of Kurz'”

“Für Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wird es nach Razzien in seinem Amtssitz, in der ÖVP-Zentrale und bei engsten Vertrauten eng und enger. Der grüne Koalitionspartner hat die Reißleine schon in der Hand, zögert aber noch, sie zu ziehen. (…) Noch deutlicher wurde die stellvertretende Grünen-Fraktionschefin im Nationalrat, Olga Voglauer: ‘Ich kann mir keine weitere Koalition mit einem Kanzler Kurz vorstellen.’ Im Klartext: Notfalls muss die ÖVP ihren Superstar in die Wüste schicken. Danach sieht es zwar derzeit noch nicht aus – aber das ‘House of Kurz’ wankt wie nie.”

(apa/bf)

Titelbild: APA Picturedesk

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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24 Kommentare

  1. Ist das, was jetzt zum Vorschein kommt das, was die Mei-Pochtler mit “am Rande des demokratischen Modells” gemeint hat?

  2. Glückwunsch Sebastian Kurz! Hast Du gut gemacht! Die ganze Welt wird dich kennen – als Lügner und Betrüger! Und als denjenigen, der seine Partei zu Grabe getragen hat. Ich kann mir keine größere Schande für jemanden vorstellen, der so eitel ist.

  3. Wenn jetzt die Krone oder Oje24 noch eine Umfrage macht ob Kurz lügt, kommt raus
    83% Nein, er lügt nicht
    27% Ja natürlich
    13% Möchten sich nicht äußern

  4. Kurz klammert sich an die Macht……na logisch , mit seiner Ausbildung dürfte er bald beim AMS vorstellig werden bzw. die Regierungsbank mit der Anklagebank tauschen…wenn ich mich nicht irre…….

  5. Es waren gestern auf der kurzfristig angesetzten Demo in der Lichtenfelsgasse (ÖVP-Zentrale) mehr ausländische Reporter und deren Teams anwesend als österreichische. Das fand ich bezeichnend. In den österreichischen Redaktionen ist die Bedeutung der Kurzschen Vorgangsweise offenbar immer noch nicht wirklich angekommen. Bei den Kollegen im Ausland schon. Sie wollten sich ein Bild machen und haben viele Teilnehmer interviewt.

    2 Punkte: Missbräuchliche Verwendung von Steuergeldern ist für österreichische Medien “nicht so normal”, dass man darüber berichtet. Viel schwerer wiegt aber die “Manipulation der öffentlichen Meinung”. Das ist in Österreich so NORMAL, dass diesen Aspekt kaum eine Zeitung aufgreift.

    Das Unrechtsbewusstsein der Tatbeteiligten ist bereits ein Schuldeingeständnis. So heißt es im Ermittlungsakt. Und ja, wenn man nichts dabei findet, die Meinung zu manipulieren und zu hintergehen, dann macht man es.

    Und Kurz hat bis heute kein Unrechtsbewusstsein.

    • Welche der österreichischen Medien hat die Linie zum Strafrecht überschritten? Das könnte auch die zögerliche Teilnahme klären. Es gilt die Unschuldsvermutung!

      • Juristisch können alle unschuldig sein. Politisch unschuldig sind sie nicht.

    • wsl zittern die meisten anderen medienanstalten… wer weiß, welch Dreck die am Stecken haben

    • Höhenflug und Realitätsferne in Kombination mit Selbstüberschätzung sind gewünschte Nebenwirkungen von Kokain. 3- K-Regel möglich: K konsumiert Kokain.

  6. Was mich wundert wie der Bub es schafft, den Schmid Tommy ruhig zu halten obwohl er ihn ja öffentlich fallen gelassen hat.
    Vielleicht findet sich ja ein Staatsanwalt, der Schmid , gegen Strafminderung, zum Plaudern bringt. So fleißig wie der gechattet hat , hat der sicher einiges zu erzählen😉
    Es gilt natürlich die Unschuldsvermutung.

  7. Die Kurz Bande will jetzt Neuwahlen, gibt halt Experten die trauen denen dann immer noch über 35% zu! Ich glaubs nicht, die werden eine auf den Deckel bekommen wie nach Ibiza die FPÖ. Dennoch 25% würd ich der korruptionsverdächtigen Truppe immer noch zutrauen

    • Mittlerweile weiß der gelernte Österreicher, was von diesen politischen Umfragen und Prognosen zu halten ist.

    • Die FPÖ hat wegen Ibiza kaum etwas verloren. Der Verlust ist fast ausschließlich aus der Spesenaffäre entstanden. Türkise und blaue Wähler sind in erschreckendem Ausmaß korruptionsresistent und demokratieabstinent. Ich lasse mich gerne durch kommende Wahlen eines Besseren beleheren, aber soviel legen bisherige Umfragen – abseits von OE24 – nahe.

  8. Lustig, wie sich die deutsche Presse jetzt auf Kurz einschiesst. Kein Wort bei denen, dass der nächste Kanzler Olaf auch in Skandale rund um CumEx und Wirecard verwickelt ist. So geht Presse.

  9. Da sagt einer, Politik wiederholt sich nicht. Der nächste Wahlkampf der Türkise wird wieder unter der Parole “Jetzt er recht” nach Waldheim-Manier ablaufen. Es sei denn, die Staatsanwaltschaft wird einige der Beschuldigten wegen Verdunklungs-und Verabredungsgefahr in Haft nehmen. Dann wird vielleicht auch die Old-ÖVP begreifen, wie ernst die Lage ist.

  10. Kurz hat ja vor nicht so kürzlicher Zeit kurze Gespräche im Silicon Valley geführt, da sollte er hin.
    Die brauchen dringend Leute die sich damit auskennen ihre Kunden zu verarschen
    und das dann auch noch als Supermegatoll zu verkaufen, nichts an sich rankommen lassen und
    an denen jegliche Menschlichkeit und Moral abprallt wie ein Tennisball gegen eine Mauer geworfen.

  11. Wenn sich jemand für Geopolitik und internationale Beziehungen im Kontext mit Österreich interessiert ist die Internetplattform der sogenannten Länderkugeln (Countryballs) sehr zu empfehlen.

    Dort werden auf humoristische aber doch sehr treffende Art und Weise die aktuellen und historischen politischen Entwicklungen und Zusammenhänge anschaulich dargestellt als lustige Comics.

    Hier finden Sie die Seite über Österreich und seine Beziehungen: https://www.polandballwiki.com/wiki/Austriaball#Freind_(Friends)

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