Angst vor Wahlen
Erstmals scheint ein Wahldebakel Orbans realistisch. Jetzt könnte es „freiwillige Rücktritte“ hageln, um Orbans Zugriff auf staatliche Einrichtungen einzubetonieren. Der autoritäre Premier zieht zudem in den Krieg gegen ausländische Investoren.
Wien, 16. Oktober 2021 | Die Chefin der allmächtigen ungarischen Medienaufsichtsbehörde (NMHH) und des Medienrates, Monika Karas, tritt mit 31. Oktober “freiwillig zurück”. Ein Schachzug im Lichte der anstehenden Wahlen, wie Experten vermuten. Karas’ neunjähriges Mandat würde erst im September 2022 ablaufen.
Machtpoker aus Angst vor Machtverlust
Wie Medien am Freitagabend kommentierten, gehöre dieser “freiwillige Rücktritt” zum Machtpoker des rechtsnationalen Premier Viktor Orban und seiner Fidesz-Partei. Denn der Rücktritt eröffne den Weg zur Einbetonierung eines neuen regierungsnahen Kandidaten noch vor den Parlamentswahlen 2022 für neun Jahre, konstatierte das Onlineportal “mixonline.hu”. Nach Meinung von Analysten steht Orban seit seinem Machtantritt 2010 erstmals wirklich unter Druck.
Der autoritäre Regierungschef habe durchaus Ängste vor dem Ausgang der Wahlen. Fidesz könnte durch den vereinten Auftritt der Opposition die Wahlen oder zumindest ihre Zwei-Drittel-Mehrheit verlieren. Die Opposition hatte im Zuge der Vorwahlen zur Spitzenkandidatur mit einem Cyberangriff zu kämpfen. Laut inoffiziellen Quellen des Onlineportals “index.hu” soll Klara Dobrev von der sozialliberalen “Demokratischen Koalition” die meisten Stimmen erhalten haben.
Folgen weitere “freiwillige Rücktritte”?
Karas hat laut dem Onlineportal “24.hu” ihren Rücktritt “mit der Suche nach neuen fachlichen Herausforderungen” begründet. Unter ihrer Führung habe die Behörde nicht selten Entscheidungen zugunsten von Fidesz getroffen, wie etwa die Einstellung der Sendefrequenz des letzten unabhängigen Senders “Klubradio”, erinnerte das Onlineportal “merce.hu”.
Das Staatsfernsehen sieht Karas bereits auf dem Posten der stellvertretenden Vorsitzenden des Staatlichen Rechnungshofes – für zwölf Jahre. Das Mandat des derzeitigen Vorsitzenden, des Ex-Fidesz-Parlamentsabgeordneten László Domokos, läuft im Juli 2022 ab. Es sei durchaus möglich, dass auch er noch vor den Wahlen “neue Herausforderungen” finde, schrieb das Onlineportal. Als Karas-Nachfolger wird András Koltay, Rektor der Nationalen Öffentlich-Rechtlichen Universität, gehandelt.
Krieg um Budapester Flughafen
Unterdessen führt Orban einen regelrechten Krieg gegen gewisse ausländische Investoren. Wie die “NZZ” schreibt, gestaltet der autoritäre Premier mehr denn je die Wirtschaft zugunsten seiner Freunde um. Das bekämen vor allem die Eigentümer des Budapester Flughafens zu spüren. Der Düsseldorfer Investor Avi Alliance kämpft aktuell mit von der Regierung gestreuten Fake News: So soll man laut Orban-Medien kurz vor dem Rückzug stehen. Das stimmt jedoch nicht, behauptet Avi Alliance. “Wir müssen und wollen nicht verkaufen”, heißt es von der Kommunikationsabteilung der Flughafen-Eigentümer.
Der Flughafen Budapest ist von geostrategischer Bedeutung. Gerade China sieht ihn als Tor zu “Zentral- und Osteuropa” an, es gibt eine Kooperation mit der chinesischen Henan Airport Group.
(wb/apa)
Titelbild: APA Picturedesk