Samstag, April 20, 2024

Prozess wegen Geheimnisverrats: Pilnacek freigesprochen

Prozess wegen Geheimnisverrats:

Der suspendierte Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek hat laut Gericht Amtsgeheimnisse an eine Kurier-Redakteurin verraten. Warum sprach die Richterin ihn dennoch frei?

 

Wien, 03. November 2021 | Auf der Anklagebank des Großen Schwurgerichtssaals im Wiener Landesgericht nahm am Mittwoch einer Platz, der, wie der Ankläger sagte „die Justiz kennt wie kein Zweiter“: Der suspendierte Sektionschef Christian Pilnacek.

Es geht um einen Nebenstrang in den vielen Affären um den einstmals mächtigsten Mann in der Justiz. Presse-Journalistin Anna Thalhammer hatte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vorgeworfen, Chats unter anderem von Thomas Schmids Handy unrechtmäßig an den Untersuchungsausschuss zu liefern. Beamte der WKStA zeigten Thalhammer daraufhin wegen Verleumdung an. Eine „Überreaktion“, wie der Staatsanwalt im Prozess sagte. Die Staatsanwaltschaft habe deshalb auch nie vorgehabt Ermittlungen einzuleiten.

Info kam von Oberstaatsanwaltschaft

Die Information darüber ging nämlich aus der Oberstaatsanwaltschaft Wien (OStA) an Pilnacek. Der hält das zwar für nicht bewiesen, aber: Am selben Tag, an dem die OStA die Sache zum Akt nahm, landeten zwei Aktenseiten auf Pilnaceks Handy.

„Wie haben Sie von der Anzeige erfahren?“, will Richterin Julia Matiasch von Pilnacek wissen. „Es wird viel geredet in der Justiz“, sagt der. Wer genau geredet hat, will er nicht verraten. „Das ist Ihr gute Recht als Angeklagter, stellt Matiasch fest.

„Was für die Thalhammer machen“

Gefunden wurden sie dort, weil die Staatsanwaltschaft in einer anderen Sache gegen Pilnacek ermittelte: Der Sektionschef soll Amtsgeheimnisse an den ehemaligen Justizminister Brandstetter verraten haben. Nach der Sicherstellung von Pilnaceks Handy fanden Ermittler Nachrichten von Pilnacek an Kurier-Redakteurin Ida Metzger. Er steckte ihr die Informationen. Er „würde gerne was für die Thalhammer machen, sobald die Anzeige öffentlich bekannt ist“, schrieb Pilnacek an Metzger.

Pilnacek sagt, er wollte nie, dass die Informationen veröffentlicht werden. Auf die Frage der Richterin, warum er dann mit einer Journalistin darüber sprach, weiß Pilnacek keine rechte Antwort. Er habe es „empörend“ gefunden, dass gegen eine Journalistin vorgegangen würde, die der WKStA kritisch gegenüberstehe.

Da die Staatsanwaltschaft aber ohnehin keine Ermittlungen einleiten wollte, hätten weder Thalhammer noch die Öffentlichkeit ohne Pilnaceks Indiskretion je von der Anzeige erfahren. Pilnacek riet Kurier-Redakteurin Metzger daher: Sollte es keine Ermittlungen geben, könne sie ja eine parlamentarische Anfrage anstoßen, damit die Sache doch noch an die Öffentlichkeit komme.

Für die Staatsanwaltschaft heißt das: Pilnacek wollte die WKStA, mit der ihn seit dem Eurofighter-Verfahren („daschlogts es!“) eine Feindschaft verband, in der Öffentlichkeit schlecht dastehen lassen.

Pilnacek: „Wollte nur auf Missstand aufmerksam machen“

Keineswegs, sagt Pilnacek, der seinen Verteidiger offenbar nur für Formalakte mitgenommen hat, und sich ansonsten von der Anklagebank wortreich verteidigt. Er habe lediglich auf einen Missstand in der Justiz aufmerksam machen und die Pressefreiheit verteidigen wollen.

Richterin Julia Matiasch glaubt Pilnacek das. Ohne Zweifel habe Pilnacek Geheimnisverrat begangen, sagt sie, nachdem sie Pilnacek freispricht. Doch das sei nicht vorsätzlich geschehen. Matiasch ist überzeugt, dass Pilnacek reine Absichten hatte. Und ohne Vorsatz ist der Bruch des Amtsgeheimnisses nicht strafbar.

Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung über Rechtsmittel ab. Das Urteil ist daher nicht rechtskräftig.

(tw)

Titelbild: APA Picturedesk

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