Terroranschlag in Wien
Ein Jahr ist es her, dass Recep Gültekin, Mikail Özen und Osama Abu El Hosna in der Terrornacht von Wien zu Helden wurden. Die beiden Österreicher und der Palästinenser Hosna zögerten keine Sekunde, um das Leben anderer Menschen und eines Polizisten zu retten. Auf ein offizielles „Danke“ der Republik warten alle drei bis heute vergeblich.
Wien, 03. November 2021 | Während die meisten Menschen am Schwedenplatz bei den ersten Schüssen noch an Knallfrösche denken, weiß Osama Abu El Hosna sofort Bescheid. Nur zu gut kennt der junge Mann aus Palästina das Geräusch einer knatternden AK47. Zu oft hat er es in seinem Leben gehört. Trotzdem läuft er zu einem angeschossenen Polizisten, zieht ihn in Deckung, versucht mit seinem T-Shirt die starke Blutung zu stillen.
Mikail Özen und Recep Gültekin sind bereits vor Ort und bringen Menschen außer Gefahr. Auch sie laufen zu dem angeschossenen Polizisten und helfen Hosna den Beamten zu einem Krankenwagen zu bringen. Gültekin wird am Bein angeschossen. Was seitdem passiert ist, ist alles andere als ein Ruhmesblatt für die Republik Österreich.
Zwar wurden Özen und Gültekin zu Bürgermeister Michael Ludwig zum Kaffee geladen und alle drei erhielten von der Stadt Wien eine Dankesmedaille und eine Anerkennungsmedaille der Polizei Wien. Von Seiten des offiziellen Österreichs hat sich niemand jemals bei den drei Lebensrettern bedankt. Kein Anruf, kein Brief, kein gar nichts. Damals-Kanzler Sebastian Kurz, Innenminister Karl Nehammer, Bundespräsident Alexander van der Bellen – bis heute diesbezüglich auf Tauchstation.
„Warum muss man Migrantionshintergrund sagen?“
Eine Ausnahme des Schweigens der Bundesregierung gibt es. Innenminister Karl Nehammer erwähnt die Rettung des Polizisten am Tag danach bei einer Pressekonferenz. Allerdings betont er dabei den Migrationshintergrund von Özen und Gültekin. „Wenn man Österreicher ist, dann gehört man doch dazu. Ich habe mich damals so gefühlt, als würde ich eben nicht dazu gehören, sondern draußen stehen“ sagt Özen dazu heute. Auch wenn die Aussagen Nehammers positiv gemeint waren, er wäre lieber als Österreicher bezeichnet worden, ohne den Zusatz „Migrationshintergrund“.
Die Zeit anzurufen, um Danke zu sagen hatte Innenminister Karl Nehammer bis heute nicht.
Damals hätte ihm das viel bedeutet. Heute ist es ihm bereits egal. „Wirklich traurig finde ich, dass niemand bei den Hinterbliebenen angerufen hat. Das wäre für mich sehr wichtig gewesen“ so Özen, „oder man hätte Osama die Staatsbürgerschaft geben können, auch das wäre eine schöne Geste gewesen“.
Staatsbürgerschaft – bitte warten
Und genau darauf wartet Hosna und wartet und wartet. Vor eineinhalb Jahren stellt er den Antrag auf Staatsbürgerschaft, doch es tut sich nichts. Seine Anwältin Muna Duzdar schlägt ihm dann schlussendlich im Sommer vor, doch um die „Staatsbürgerschaft im Interesse der Republik“ anzusuchen. Immerhin hat er das Leben eines Polizisten gerettet. Anfangs will Hosna das nicht, er möchte keinen Sonderstatus, sieht sich selbst nicht als Held, sondern als Mensch, der einem anderen Menschen geholfen hat. Doch das lange Warten auf die Staatsbürgerschaft lässt ihn umdenken. Er fügt jedoch sofort hinzu „ich habe den Polizisten aber nicht gerettet, weil ich irgendetwas dafür wollte“. Denn er weiß, wie schnell man in Österreich mit Unterstellungen bei der Hand ist. Einen richtigen Pass zu haben ist der größte Traum von Hosna. Endlich nicht mehr an jeder Grenze stundenlang erklären müssen, wo er herkommt, was er getan hat und wo er hin will. „Ich bin sehr froh in Österreich zu sein und möchte nichts sehnlicher als Österreicher werden, für das Land arbeiten und meine Träume verwirklichen“ sagt er mit deutlicher Wehmut in der Stimme. „Wenn ich die Staatsbürgerschaft erhalte, bin ich Österreicher und nicht mehr staatenlos. Dann gehöre ich hier her“.
Der Antrag ist laut seiner Anwältin im August eingebracht worden und laut Innenministerium derzeit in Bearbeitung. Schlussendlich entschieden darüber wird allerdings im Ministerrat. Wann dies der Fall sein wird ist nicht bekannt. Die Frage, ob Innenminister Nehammer diesen Antrag unterstützt, wurde selbst nach mehrmaliger Zackzack-Nachfrage nicht beantwortet.
Weiter Probleme in Weikendorf
Doch die Staatsbürgerschaft ist nicht das Einzige was Hosna derzeit Kopfzerbrechen bereitet. Wie medial intensiv berichtet, kauften Hosnas Familie ein Haus in der niederösterreichischen Gemeinde Weikendorf. Daraufhin unternahm der ÖVP-Bürgermeister Johann Zimmermann alles, um die Familie aus dem Ort zu mobben. Zimmermann wollte sogar den Hauskauf für rechtswidrig erklären lassen. Nun droht weiteres Ungemach. Denn nach über 30 Jahren hat man im Gemeindeamt Weikendorf entdeckt, dass eine Holzhütte und Teile eines Nebengebäudes nicht abgerissen werden müssen. Grund ist eine fehlende Baubewilligung. Familie Hosna konnte bis heute allerdings keine Einsicht in den Bebauungsplan nehmen und auch die Möglichkeit einer nachträglichen Bewilligung wurde von der Gemeinde nicht mitgeteilt. Lediglich der Abrissbescheid wurde Mitte März zugestellt. Anwältin Muna Duzdar hat Berufung eingelegt. Der Fall liegt derzeit beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.
Bei der Gemeinde rechtfertigt man sich damit, dass nun ein eben ein Bebauungsplan erstellt werde und da müsse man alle Grundstücke überprüfen. Ob auch andere Grundstücke überprüft wurden, falle allerdings unter das Amtsgeheimnis.
Vergessen trotz Gedenken
Viel ist in den letzten Tagen vom Gedenken und Erinnern, vom Nicht-Vergessen der Opfer die Rede. Doch wie schon bei den Hinterbliebenen und Verletzten der Terrornacht scheint die Bundesregierung auf die Helden aus der Zivilgesellschaft dieser schrecklichen Stunden vergessen zu haben.
P.S. Osama Abu El Hosna hat ein Buch mit dem Titel “Wie wir nicht sind – mein Kampf gegen Vorurteile” geschrieben welches auch schon im Handel erhältlich ist.
(bp)
Titelbild: Recep Gültekin, Mikail Özen und Osama Abu El Hosna