Samstag, April 20, 2024

AMS-Kurse weiter ohne Maske und ohne 3G – »Blinder Fleck« in Pandemiebewältigung

»Blinder Fleck« in Pandemiebewältigung«

Mehr als 70.000 Arbeitslose werden weiterhin zu Präsenzkursen verdonnert – bei unzureichenden Schutzmaßnahmen. Von einem „blinden Fleck“ spricht Statistiker Klimek. Erkrankte Kursteilnehmer haben „wahrscheinlich“ das Recht auf Schadenersatz, sagt Jurist Horn.

Florian Bayer

Wien, 06. November 2021 | Die Infektionszahlen gehen durch die Decke, die Spitäler füllen sich wieder, doch im AMS geht alles den gewohnten Gang: Nach wie vor herrscht in Fortbildungen des Arbeitsmarktservice weder Maskenpflicht noch 3G-Regel. Während alle anderen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens streng reglementiert werden, werden mehr als 70.000 AMS-Kursteilnehmer (Zahl von Oktober 2021) und Tausende Trainer kaum durch gesetzliche Vorschriften geschützt.

Denn gemäß der neuen Corona-Maßnahmenverordnung gilt die 3G-Regel („geimpft, genesen, getestet“) erst bei „Zusammenkünften“ ab 25 Teilnehmern. Diese Vorschrift für Zusammenkünfte aller Art gilt mangels spezifischer Regelungen für Aus- und Fortbildungen eben auch für AMS-Kurse.

Quelle: Neue Corona-Maßnahmenverordnungsgesetz (gültig seit 1.11.2021)

Dieses gesetzliche Minimum hat das AMS Österreich pflichtschuldig übernommen, anstatt sich vor oder spätestens in der neuen Welle strengere Maßnahmen aufzuerlegen. Zwar ist es einzelnen Kursträgern unbenommen, im Rahmen ihrer Hausordnung nachzuschärfen, also etwa eine Maskenpflicht in den eigenen Räumlichkeiten vorzuschreiben. Systematisch passiert dies aber nicht, denn es ist ja auch nicht vorgeschrieben.

Quelle: AMS-Website (5.11.2021)

Unterschiede zwischen Instituten

Ob und wie streng kontrolliert wird, unterscheidet sich also stark. Die größeren Institute wie BFI und WIFI haben den Ruf, relativ streng zu sein. Viele andere Institute sind es nicht, wie uns eine Deutschtrainerin in Wien-Favoriten berichtet:

„Regelmäßig kommen ungeimpfte Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit abgelaufenen Tests in die Klassen. Bis man sie davon überzeugen kann, dass sie unter diesen Umständen eine FFP2-Maske aufsetzen müssen, vergeht viel Zeit mit heftigen Diskussionen. Kaum ist die Maske auf, wird auch schon wieder ein Riemchen abgenommen und gelüftet – die Maske, nicht das Zimmer.“

Auf Twitter überraschte AMS-Kopf nun mit der Aussage, er habe sich insgeheim strengere Maßnahmen für Fortbildungskurse gewünscht. Dies ist insofern verwunderlich, weil sich die AMS-Spitze nie entsprechend in der Öffentlichkeit geäußert hat.

Vielmehr hat die Bundesregierung, konkret das zuständige Gesundheitsministerium, gegensätzlich gehandelt: Als die Maßnahmen in anderen Bereichen des Lebens verschärft wurde, gab es meist Ausnahmen von Schutzmaßnahmen für berufliche Aus- und Fortbildungen.

Warum diese unerlässlich seien und der Schutz dort nicht so wichtig sei wie etwa in Hochschulen, wurde uns auf mehrmalige frühere Anfragen nie beantwortet. Als vor einem Jahr Schulen und Universitäten längst geschlossen waren, wurden Zehntausende verdonnert, AMS-Kurse auch weiter in Präsenz zu besuchen. Selbst im Voll-Lockdown und nachdem die eigenen Mitarbeiter vor der AMS-Zentrale demonstrierten. ZackZack berichtete mehrmals.

Der aktuelle Tweet von Johannes Kopf.

Kopf: „Anliegen nicht berücksichtigt“

In seinem Tweet spielt Kopf nun den Ball also ans Gesundheitsministerium, das das „Anliegen“ des AMS – offenbar geht es um Ende des Präsenzunterrichts – nicht berücksichtigt habe. Wir haben beim Gesundheitsministerium nachgefragt, ob und wie dieses Anliegen vorgetragen wurde und wie darauf reagiert wurde, erhielten aber bis Redaktionsschluss keine Antwort.

Auch von AMS-Vorstand Kopf wollten wir wissen, was genau er meint und woher der Sinneswandel kommt – bis jetzt hat sich die AMS-Spitze für Präsenzunterricht ausgesprochen und einen Laissez-faire-Kurs hinsichtlich Corona verfolgt. Auch Kopf ließ unsere Anfrage unbeantwortet.

Anders das AMS Wien: „Gegen klarere – und gern auch strengere – rechtliche Vorgaben explizit für den Bereich der Erwachsenenbildung würden wir uns nicht wehren“, sagt ein Sprecher der Wiener Zweigstelle. Mangels solcher Vorgaben habe das AMS Wien vor einer Woche den Partnerinstituten „schriftlich dringend empfohlen, die 3G-Regel in Schulen anzuwenden“. Es bleibt aber eine unverbindliche Empfehlung.

Anspannung vs. Leichtsinn

Auch die Favoritner Deutschtrainerin berichtet uns von solchen Fällen: In der Gruppe ihrer Kollegin gab es zwei Impfdurchbrüche. Sie berichtet von einer Mischung aus „völligem Leichtsinn“ und „höchster Anspannung“ sowohl unter ihren Kollegen, als auch unter den Kursteilnehmern. „Eine generelle Maskenpflicht im ganzen Haus, das würde jeder verstehen und hat auch vor den Juli-Lockerungen sehr gut funktioniert“, sagt die Trainerin, auch wenn sie ihr Hoffen „vergeblich“ nennt.

Von einem „großen blinden Fleck“ spricht Peter Klimek, Statistiker am Complexity Science Hub Wien im Zusammenhang mit den AMS-Kursen. „In Schulen haben wir eines der rigidesten Testregimes, für berufliche Fortbildungen gibt es aber, wie auch für Kindergärten, zu wenig Aufmerksamkeit.“

Zwar würde er das Risiko „nicht ganz so hoch“ einschätzen wie in der Schule, wo die Kinder viele Stunden am Stück in schlecht belüfteten Klassenzimmern sitzen. Dennoch seien auch AMS-Kurse ein „riskantes Setting“.  Klimek plädiert im Gespräch mit ZackZack für verpflichtendes 3G oder besser noch 2,5G. „Sollte sich die Infektionslage weiter verschärfen, für 2G und einen negativen PCR-Test.“

Rechtliche Einschätzung

Auch rechtlich stellen sich spannende Fragen. Aus Sicht des Juristen Florian Horn, der sich von Anfang an intensiv mit der Pandemie beschäftigt, gelte entgegen der Auslegung durch das AMS bereits jetzt Maskenpflicht in allen Betriebsstätten. Dies besagt §4 der an sich „wenig strengen“ Covid-Maßnahmenverordnung, wie er sagt.

Quelle: RIS

Mitarbeiter müssen demnach zwar keine Maske tragen, aber jedenfalls einen 3G Nachweis mit sich führen. „Die anderweitigen Bestimmungen über Zusammenkünfte (§12, Anm.) hebeln das nicht aus. Sollte es hier tatsächlich zu systematischen Verstößen im AMS kommen, so müssen die Landes-Gesundheitsämter einschreiten“, sagt Jurist Horn.

Zusätzlich haben betreute Personen, die sich infizieren, „wahrscheinlich“ einen Schadenersatzanspruch, sagt Horn. „Soweit dies eine bewusste geschäftliche Entscheidung ist, droht den Entscheidungsträgern eine strafrechtliche Verantwortung. Zumindest wegen der fahrlässigen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten.“ Strafrahmen wäre dann bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe. Freilich: Wo kein Kläger, da kein Richter. Auch gilt die Unschuldsvermutung.

Die Kurse gehen inzwischen (5.11.: 9.388 bestätigte Neuinfektionen in Österreich) weiter. Unter den Kursteilnehmern sei das Bewusstsein über die Gesundheitsgefahr oft gar nicht vorhanden, sagt die von uns befragte Trainerin: „Wie sollen sie den Überblick über all die unklaren und verwirrenden Regeln behalten? Es wundert mich überhaupt nicht, dass sie Covid nicht ernst nehmen.“

Teile dieser Recherche erfolgten in Kooperation mit Sebastian Reinfeldt/Semiosis, das ebenfalls über das Thema berichtet.

Titelbild: APA Picturedesk

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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34 Kommentare

  1. Nur mal so hineingeworfen : Bei einigen AMS GS in Wien soll man die E-Card in deren Lesegeräte stecken.
    Wer weiss, was die alles auslesen..

  2. Klimek und Horn sollten sich zuerst mit Sinnhaftigkeit und belegbaren Fakten der Wirksamkeit der eingeforderten Maßnahmen auseinandersetzen, bevor sie deren Umsetzung fordern. Besonders Klimek sollte wissen, dass die Datenbasis äußerst mangelhaft ist, obwohl wir fast zwei Jahre Zeit hatten, gute Daten zu sammeln und großangelegte Studien durchzuführen. Prägnant ist, dass Regionen oder Länder die auf diese Maßnahmen verzichten oder nur eingeschränkt durchführen, keine höheren Infektionszahlen oder Sterbezahlen aufweisen. Es spricht aber nichts dagegen – obwohl es nach der Erfahrung der letzten Jahre in einem paternalistischen und obrigkeitshörigen Land wie Österreich von den meisten, die sich gefährdet fühlen, schon zuviel verlangt scheint – sich selbst zu schützen; mit Impfung, Maske und Test. Das AMS könnte dies empfehlen und jeder, der will, kann es in Anspruch nehmen.

  3. Und was ist mit dem blinden Fleck der 70% Geimpften. Gehen überall ein und aus und der letzte Test war im Frühjahr …

  4. Gibt es ein Cluster bei den Arbeitslosen oder wird hier wie bei den Ungeimpften ohne Belege eine Pandemie der Arbeitslosen ausgerufen? Wer ist dann die nächste Gruppe, die als Sündenbock für verfehlte Coronapolitik herhalten muss? Die Bettler, die Ausländer, die Vegetarier?

  5. Ein mir bekannter BFI-Vortragender der fürs AMS schult zwingt die Teilnehmer zur Maske und predigt die ganze Zeit IMPFEN! IMPFEN! IMPFEN!

  6. ZZ Schreiber können offensichtlich nicht Sinn erfassend Texte lesen. Wo steht denn im genannten Par.4 etwas von Kursen oder Ams? Da ist mit dem “Juristen” und dem bf wohl die Fantasie durchgegangen, oder war da der Wunsch der Vater des Gedanken?

  7. Ich hab’s schon länger vermutet, aber ZZ deckt es auf: In Wahrheit sind die Arbeitslosen schuld an der Ausbreitung der Pandemie! Haut’s den Arbeitslosen endlich ein paar auf die Schnauze, ZZ wird dann berichten, wie die dann zum Impfbus gerannt sind.

    • Eh nicht. Die waren auch schon in der strengen bayrischen Maskenverordnung vom Söder ausgenommen. Man wird den Politikern schon hinter vorgehaltener Hand gesagt haben, dass es in Wahrheit nicht so arg ist. Man sah ja auch, dass der Schallenberg sich in Brüssel angesteckt hatte, passiert ist ihm eh nix. Auch die Merkel und der Spahn waren positiv. Der Spahn übrigens hat sich nachweislich am selben Abend auf einer Party angesteckt, an dem er für die Privatwohungen eine Höchstzahl von 4 Besuchern anordnete. Ging danach auf eine Party.

    • Ein von mir Bekannter geht überall ohne Maske rein und erklärt denen, wenn er angesprochen wird, er sei Politiker und er braucht das nicht und schon ist Ruhe.

      Am Anfang musste ich auch öfter argumentieren. Jetzt sagt schon lange niemand was, wegen der Maske.

  8. Und für eine solche ‘Aufopferungsbereitschaft’ will man in Zukunft den Menschen, die es betrifft, nur mehr so viel zahlen, dass es fürs Leben zu wenig und fürs Sterben zu viel ist.

  9. Niemand wird irgendwo von Ungeimpften gefährdet! Wer sich schützen will, kann sich ja impfen lassen, nicht wahr? Die Hersteller und die gut bezahlten Impfstoffvertreter in Politik und Medien versichern doch täglich, dass nur die Impfung schützt! – Wenn das also so ist, dann ist jede Zwangsmaßnahme hinfällig und unzulässig, da sich jeder, der sich per Injektion schützen will, das auch tun kann. Der andere, ungeimpfte und genesene Teil der Bevölkerung schützt sich ebenfalls eigenverantwortlich durch andere Methoden. Das ist auch ihr Recht, denn sie können Geimpfte ja laut Pharma gar nicht gefährden, da die Injektionen ja angeblich 95% Wirksamkeit haben und freiwillig jederzeit aufgefrischt werden können. So what? – Ich weiß, das passt nicht in Gehirne, die von Angst, Rückgratlosigkeit und Gier dominiert werden. – Sollten wir also vielleicht einmal darüber nachdenken, diesen gefährlichen Hosenscheißern und Gierschweinen unverzüglich das Wahlrecht zu entziehen?

    • Aber die Krankenhäuser! 400 Covidpatienten auf den Intensivstationen und das System kollabiert!!

      • Lassen Sie sich impfen, wenn Sie Schiß vor CoVid haben. Und falls sie ein Demokrat sind, lassen Sie ihren Mitbürgern die Entscheidungsfreiheit. Andernfalls outen Sie sich bitte als Feind der Demokratie und als Feind der österreichischen Bundesverfassung.

  10. Eine Sache ist mir nicht klar: Warum ist Jurist Horn der Meinung, dass AMS-Kurse als Kundenbereich lt. §4 gelten? Da sind doch nur Apotheken Tankstellen, Einzelhandel und Post inkludiert oder habe ich was übersehen?

    • Vielleicht sind Ihnen viele Sachen in einer Demokratie nicht ganz klar und nicht nur §4? Vielleicht sollten Sie einfach rosa Toilettepapier benutzen, falls Ihre Hosen wg CoVid-19 voll sind? Fragen über Fragen… Beginnen Sie vielleicht damit, dass Sie sich fragen, wieso in dieser Demokratie abweichende Meinungen von Ärzten, Juristen, Journalisten und zahlreichen Bürgern unterdrückt werden. Und das dies das eigentliche Thema ist und nicht eines der unzähligen, nachrangigen Details der CoVid-Debatte.

    • Euphemistischerweise bezeichnens die Arbeitssuchenden als ‘Kunden’ und in der Kursindustrie ebenso.
      Dass das AMS nach wie vor das Arbeitsamt ist und die Arbeitslosen in Wirklichkeit keine Kunden sind wie bei der Apotheke Tankstelle, Post, etc. will niemand wissen, also ned so genau …

    • Hab ich auch schon festgestellt. Vielleicht hat er bei youtube studiert. Einen simplen Text lesen kann er offensichtlich nicht.

  11. Seltsame Aussage… Als ob nicht das Gesamte Pandemie Management ein Blinder Fleck wär… Die Impfdebatte sowieso… Wie lang bestehen wir noch drauf, mit blinden Flecken abgespeist zu werden????

  12. Home Office Pflicht so viel wie möglich in allen Unternehmen. Intensivbetten ausbauen. Jahre verschlafen. ÖVP hat Österreich zerstört. Danke ÖVP Wähler.

    • Wir können uns auch bei Rot und Grün bedanken, die haben brav mitgespielt.

  13. Überheizte ungelüftete Kursräume voller einparfümierter Damen und Herren – da nutzt auch keine FFP2 mehr…mich wundert eigentlich, daß nicht mehr auszucken.

    • ‘mich wundert eigentlich, daß nicht mehr auszucken.’

      Warum erwartet man nun ausgerechnet von den Erwerbsarbeitssuchenden (sind uU potenziell gewaltbereit?, weil eh scho tief gesunken?) so krampfhaft dass diese auszucken.
      Alle anderen (sind brav und anständig) zucken doch auch so gut wie nicht aus.

      • Nein, so pauschal wird das nicht erwartet und auch nicht erwünscht, bin wohl nur ich so tief gesunken und geh-halt-bereit.

        • Es sei Ihnen unbenommen auch das partout ins Lächerliche zu ziehen, denn weder ihr ursprüngliches Posting noch ihre ‘Reaktion’ wäre ernsthaft hilfreich für erwerbsarbeitssuchende Menschen.

    • Woher weisst du denn über das Parfümieren der Arbeitslosen so gut Bescheid? Bist gar auch so ein Kursteilnehmer?

  14. Noch bevor hierzulande einige andere Menschen (ungeimpft) erkennen mussten zu Subjekten 2. Klasse verkommen zu sein, war das schon seit Jahrzehnten bei den arbeitslosen Menschen Gang und Gäbe …

    • Ja dann zuck aus.
      Dann derfst Di womöglich mit Kursausschluss, Sperre des ALG/NSH und vlt. mit vermeintlich strafrechtlichen Vorwürfen auseinandersetzen.
      Das macht kaum jemand und warum, weil die Erwerbsarbeitssuchenden wissen, in einer gschissenen Situation zu sein, in die sie aufgrund des Gesetzes aber auch aufgrund von gesellschaftlichen Konventionen (ungeschriebene Gesetze) verfrachtet wurden.

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