Freitag, April 19, 2024

Skylla und Charybdis – Heilige Maschinen

Skylla und Charybdis

Die Maschinen stehen knapp vor dem Aufstand. Wieso das ist, erklärt Julya Rabinowich in ihrer Kolumne.

 

Julya Rabinowich

Wien, 06. November 2021 | Der Leib der Frau ist nicht ihr Leib. Ihr Wille ist nicht ihr Wille. Sie hat kein Recht darauf, weder auf das eine, noch auf das andere. Die Frau ist leer. Die Frau ist ein Gefäß, das gefüllt werden muss. Die Frau ist eine Opfergabe an den Willen des ihr Übergeordneten. Auf niederer Ebene ist das jener, der in seinem Ebenbild geschaffen worden ist. Auf höherer Ebene ist es sein Schöpfer.

Auf ihn wird sich jedenfalls in letzter Instanz immer berufen, wenn es um Selbstsbestimmung des weiblichen Körpers geht. Im Mittelalter standen die Ungehörigen noch wegen mächtiger Zauberei am Scheiterhaufen, während die aufzüngelnden Flammen der Haut näher und näher kamen. Heute exerziert man Exempel an der gewöhnlichen Schwangeren. Ihr wird keine Hexenkraft zugemutet, es reicht, wenn der göttliche Samen in sie gefallen ist. Wo das Göttliche hinfällt, muss die Frau sich in Demut beugen. Die Frau ist der Reproduktion geweiht, sie hat nicht zu entscheiden, was mit dieser Produktionsstätte, auch ihr Körper genannt, geschehen soll. Sie ist bloß schnelle Brüterin, bloß Überbringerin der Frucht, sie ist eine Maschine, geheiligt, wenn sie funktioniert. Verdammt, wenn sie es nicht tut. Wenn man das wirklich konsequent zu Ende durchexerziert, landet man beim Abtreibungsverbot für vergewaltigte zwölfjährige Mädchen und findet das richtig.

Aufstand der Maschinen

Wenn man das konsequent weitertreibt, landet man nicht wieder im Mittelalter, sondern hier und heute in Polen, immerhin einem EU-Mitgliedsland, das sich zu den Grundrechte der EU-Charta bekannt hat. Sie wissen schon, Freiheit, Unversehrtheit und Gleichwertigkeit und so weiter, dann findet man auch nichts dabei, eine junge Mutter mit Komplikationen in der zweiten Schwangerschaft lieber sterben zu lassen, bevor die Maschine entweiht wird durch einen lebensrettenden Eingriff. Abtreibungsverbot ist eben Abtreibungsverbot. Andere verzweifelte Frauen werden wohl zu Engelmacherinnen ausweichen, deren Name schon verrät, wohin die Reise gehen kann. Es geht um Leben oder Tod. Radikale Abtreibungsgegner sind in letzter Konsequenz Mörder. Es bleibt sehr zu hoffen, dass die polnischen Frauen nicht lange zuwarten, bevor sie den Aufstand der Maschinen ausrufen.

Titelbild: APA Picturedesk

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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8 Kommentare

  1. „Mein Bauch gehört mir!“ war vor 50 (!) Jahren der Ruf in der „Frauenbewegung“.
    Und „Schnipp, schnapp, S…z ab!“ Tja…wie die Zeit vergeht und scheinbar nichts passiert.

  2. “Radikale Abtreibungsgegner sind in letzter Konsequenz Mörder.”
    Danke für diese klare Aussage!
    Gegen manche Entwicklungen muss man mit drastischen Worten (und notfalls auch Taten) auftreten und nicht mit Wattebällchen-Empörung. Diese FanatikerInnen setzen Kliniken in Brand, attackieren Frauen und ÄrztInnen, lassen Frauen krepieren,….aber wir halten uns immer schön an die politisch korrekte Ausdrucksweise und sachliche Argumentation.
    Schluss damit.
    Diese FanatikerInnen sind MörderInnen!

  3. Einzelfälle extrem aufzubauschen ist das Handwerk der Radikal-Emanzen!

    Natürlich soll eine Frau über ihren Körper bestimmen dürfen, aber dabei darf es “umstrittene Grenzen” geben.
    Ungeborene Kinder sind auch (eigene?) Lebewesen – einen verantwortungsvollen Umgang mit ihnen muß man auch mit schwangeren Frauen diskutieren dürfen!

    • Dafür gibts aber eine Voraussetzung und zwar die, dass die Männer auch endlich für die von ihnen gezeugten Kinder Verantwortung übernehmen. Dann aber nur dann haben sie überhaupt das Recht bei der Abtreibungsfrage mitzureden. Und davon sind wir noch weit, weit entfernt. Und bevor sie mich auch als Emanze bezeichnen, ich finde das Abtreibung eine grausame und unnötige Sache ist für alle Beteiligten.

      • Wie begründest Du die Pauschalverurteilung der Männer und – nur der Männer.
        Bist Du sicher, daß nur Männer Kinder haben wollen oder Kinder nicht haben wollen.
        Rechtlich hat der Kindesvater (als Nichtehemann) sowieso kein Mitspracherecht bei Abtreibungen – was ich für richtig halte.

        Vielleicht sollten Frauen und Männer einfach nur rechtzeitig das Hirn gebrauchen – Verhütungsmittel z.B. gibt es zuhauf.

  4. “Abtreibungsgegner sind in letzter Konsequenz Mörder. ”

    Das lässt sich aber über jeden sagen, der die körperliche Selbstbestimmung von Menschen nicht respektiert. Auch bei der “Impfung”.

    Schon erstaunlich, wie angeblich gebildete Menschen so mit 2erlei Maß messen.

    • Sie messen mit zweierlei Maß, den Ärzte die in Polen Abtreibungen durchführen kommen bis zu drei Jahre ins Gefängnis. Impfverweiger in Österreich müssen sich für die Arbeit testen lassen und dürfen manche Firmen nicht als Kunden betreten.

      Und nach Ihrer Argumentation wären Impfverweigerer auch in letzter Konsequenz Mörder, weil es Menschen gibt, die sterben, weil alle Intensivbetten mit Impfverweigeren belegt sind.

  5. polen und texas
    aber soweit braucht ma gar nicht schauen.

    So fand z.B. in Wien, Stephansplatz, am 16. Oktober der alljährliche „Marsch für das Leben“ statt.

    Fundamentalistischer Abtreibungsgegner*innen, Ultrakonservative Rechtskatholik*innen und rechtsextreme Identitäre marschieren gemeinsam mit Hochrangigen ÖVP Funktionär*innen durch die Innenstadt.

    Offiziell unterstützt wird der Marsch von der Katholischen Hochschulgemeinde, dem Bund Evangelikaler Gemeinden, dem Österreichischen Cartellverband sowie der Plattform Christdemokratie – keine kleine NGO, sondern eine Initiative im Umfeld der ÖVP.

    Man sollte aber nicht glauben, dass das auf die „zweite Reihe“ beschränkt ist. Im Gegenteil.
    Weil mitten drin statt nur dabei auch die ÖVP-Abgeordnete Gudrun Kugler. Menschrechtssprecherin ihrer Partei im Parlament.

    https://www.hagerhard.at/blog/2021/10/oesterreich-darf-nicht-texas-werden/

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