Freitag, März 29, 2024

Lukaschenkos Erpressung mit Geflüchteten: Angespannte Situation an EU-Ostgrenze

Angespannte Situation an EU-Ostgrenze

Tausende Geflüchtete sitzen an den EU-Grenzen in Belarus fest. Die Union will sich nicht erpressen lassen und sucht nach einer gemeinsamen Strategie. Polen und Litauen beorderten Soldaten an die Außengrenzen.

Minsk/Warschau, 09. November 2021 | Die Lage an den EU-Außengrenzen in Polen und Litauen verschärft sich weiter. Seit gestern, Montag, bewegen sich Hunderte bis Tausende Migranten in Belarus (Weißrussland) auf die Ostgrenzen der Europäischen Union zu – ZackZack berichtete. Während Polen laut derzeitigem Stand rund 12.000 Soldaten an die Grenze verlegte, rief Litauen an seinen Grenzen zu Belarus den Notstand aus.

Lukaschenko und Putin wollen EU destabilisieren

Die neuerliche Migrationskrise hat politische Hintergründe. Der autoritäre Machthaber Weißrusslands, Aljaksandr Lukaschenko, lässt extra fluchtbereite Menschen aus dem Nahen Osten und der Türkei einfliegen, um sie an die EU-Grenzen zu schicken. Laut polnischem Geheimdienst werden die Migranten von bewaffneten belarussischen Spezialeinheiten dirigiert. Zuletzt beförderten Einheiten der belarussischen Armee rund 500 Migranten an die litauische Grenze. Dort reagierte man ähnlich wie in Polen und schickte die Armee an die Grenze.

Lukaschenkos Instrumentalisierung der Geflüchteten, die von Russlands Präsident Vladimir Putin unterstützt wird, ist eine Reaktion auf die wirtschaftlichen Sanktionen der EU gegen den autokratischen Staat. „Der letzte Diktator Europas“, dem regelmäßig Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land vorgeworfen werden, könnte die Europäische Union mit seiner hybriden Kriegsführung ebenfalls in eine Lage bringen, die menschenrechtlich bedenklich ist.

Polen verweigert EU-Hilfen

Die Europäische Union hatte Polen in den vergangenen Wochen mehrmals Hilfe beim Grenzmanagement angeboten. Polen müsste um diese Hilfe jedoch ansuchen, was sie bisher nicht tut. Die Europäische Grenzschutzagentur „Frontex“ mit Sitz in Warschau hat damit kein Mandat, um an der polnisch-belarussischen Grenze aktiv zu werden. Migrationsexperte Gerald Knaus befürchtet, dass die polnische Regierung keine EU-Behörden und Hilfsorganisationen an den Grenzen haben will, die etwaige Verstöße der polnischen Soldaten gegen EU-Recht oder Menschenrechte dokumentieren könnten. Er schlägt vor, Abkommen mit der Republik Moldau und der Ukraine zur Aufnahme der Migranten zu schließen. Damit wäre die EU nicht mehr erpressbar. Gleichzeitig beruhigt er: Bisher seien in Deutschland weniger Menschen aus Belarus angekommen als 2015 an einem einzigen Tag.

Angesichts mehrerer Todesfälle unter den Migranten fordern die österreichischen Grünen das Einsetzen eines funktionierenden Grenzmanagements. Seit gestern fallen immer wieder Schüsse an der polnischen Außengrenze. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg traf sich heute mit Polens Präsident Andrzej Duda, um über die angespannte Lage zu beraten. Er bezeichnete die Taktik Lukaschenkos als „nicht akzeptabel. Die NATO steht in Solidarität mit Polen und allen unseren Verbündeten in der Region“, so Stoltenberg.

Tausende Geflüchtete im Wald

Die Leidtragenden sind vor allem jene tausenden Geflüchteten, die ohne adäquate Versorgung in den weißrussischen Wäldern festsitzen. Von Lukaschenko nach Weißrussland eingeflogen, werden sie zum politischen Spielball, an dem sich die EU nicht die Finger verbrennen will. An der Erpressungstaktik des weißrussischen Autokraten dürfte auch die Türkei beteiligt sein. Denn die mit Migranten gefüllten Flugzeuge kommen aus Dubai, Damaskus aber auch aus Istanbul. Die EU-Kommission ließ mit einer Reaktion nicht lange auf sich warten. Fluggesellschaften, die an Lukaschenkos perfider Strategie beteiligt sind, sollen mit harten Sanktionen belegt werden.

Mahnungen aus Österreich

Österreichs Neoaußenminister Michael Linhart (ÖVP) ließ heute verlautbaren: „Wir müssen als Europäische Union zusammenstehen und uns entschlossen zur Wehr setzen. Das wird auch gezielte Maßnahmen gegen die Verantwortlichen in Minsk beinhalten“. Auch die EU-Abgeordnete Claudia Gamon (NEOS) fordert ein entschlossenes Vorgehen gegen Belarus: „Wir müssen gegenüber dem belarussischen Regime mit aller gebotenen Härte auftreten“.

(dp)

Titelbild: APA Picturedesk

DanielPilz
DanielPilz
Taucht gern tiefer in komplexe Themengebiete ein. Lebt trotz Philosophiestudiums nicht im Elfenbeinturm und verpasst fast kein Fußballspiel.
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18 Kommentare

  1. Es wird keiner dieser Migranten in Polen einen Asylantrag stellen, also wird sich bald Deutschland drum
    kümmern müssen, da nunmal Deutschlands Sozialsysteme das Ziel der Migranten ist. Und wenn man nicht in der Lage ist den Magneten abzustellen muss man eben die Konsequenzen
    tragen. Im Übrigen frage man sich warum man überhaupt Asylanträge für Migranten
    durchführen muss.

  2. Tausend Augen / Und Fragen über Fragen / Und niemand kann mir sagen / Warum ich traurig bin / Tausend Wünsche / Und Lichter in der Ferne / Und über mir die Sterne / Verlieren ihren Sinn / In der Nacht. (Münchner Freiheit)

    Fragt der kleine Sohn seinen Vater: „Papa, warum hat der Heilige Martin seinen Mantel geteilt?“
    „Weiss ich auch nicht“, antwortet der Vater, „wahrscheinlich, weil er ihm eh´ zu gross war.“

  3. Heuchelei, Heuchelei, Heu…

    Also, dass die EU sich wirklich über Menschenrechtsverletzungen in Belarus oder China aufregt, ist an Heuchelei nicht mehr zu übertreffen.

    ZackZack-Artikel vor ein paar Wochen, dass die EU-Ausgrenze mittlerweile die gefährlichste weltweit ist. Leider finde ich den Artikel nicht mehr, sonst würde ich die URL anhängen.

    Ein anderer Bericht:
    https://www.proasyl.de/thema/tod-an-den-aussengrenzen/
    Zitat:
    Allein seit dem 1. Januar 2014 haben dort nach UN-Angaben 18.892 Menschen ihr Leben verloren (Stand 11. Oktober 2019). Sie starben bei dem Versuch, über das Meer nach Europa zu gelangen.

    Jetzt Tote an polnischer Grenze.

    Die EU kommt m.M.n. menschenverachtenden rechten Diktaturen immer näher. Immer unter dem Deckmantel “DEMOKRATIE”. Heuchlerisch: Siehe Ungarn, Polen aber auch Ö.

    DerStandard über Pushbacks: Die EU-Grenzschutzagentur Frontex hat laut einer Untersuchung des EU-Parlaments wissentlich Grundrechtsverletzungen gebilligt.

  4. Vielleicht sollte unser DabeiVdB seinem Haberer, den er unlängst (als einziger Staatschef in Europa) mit allen militärischen Ehren in der Hofburg empfangen hat, ins Gewissen reden? Moralisch agieren sie ja beide auf einem ziemlich gleich hohen Niveau…
    Gute Nacht Österreich!

  5. Die sind an der falschen Grenze! Über U Garn wär’s ein Leichtes ! Zauberwort : Asil….. Im schaut weg…

  6. Sobi sagte man müsse Diktaturen respektieren….
    Der ist auch hin in der Birne….
    Aber schon, jetzt hat turkus wieder ihr Ausländerthema….von dem zehren und leben sie….

  7. Schnellstens in den betroffenen Ländern aufklären, was einem blüht, wenn man ein weißrussisches Schlepperflugzeug besteigt. Da kommt kein gelobtes Deutschland mit Willkommenskultur, sondern nur eiskalte, nasse, endlose Wälder und schlecht gelaunte Grenzer.
    Schnellstens mit Lukaschenko und seiner Schutzmacht Putin ein Abkommen erzielen, damit dieser Wahnsinn aufhört. Dazu zuerst herausfinden, was deren eigentliche Ziele sind.
    Schnellstens Polen signalisieren, dass sie nicht allein gelassen werden, nur weil sie die Grenze zweier Machtblöcke abbekommen haben.
    Hier wird widerwärtigste Machtpolitik auf dem Rücken von Menschen, die sich ein besseres Leben erhoffen, gemacht. Das muss aufhören.

  8. Ohne den Einsatz von Gewalt bleibt kein einziger dieser Armutsein- und auswanderer in Polen.
    Die Sozialhilfe in PL beträgt für Alleinstehende zwischen €6,53 (30 PLN) und €152 (701 PLN) mtl.
    Hinzu kommt: Die polinische Sozialhilfe darf auch in Form von Sachleistungen ausbezahlt werden.
    Da ist Hartz4 in Deutschland schon wesentlich lukrativer – Weil: Armsein können sie daheim auch.

  9. Frage 1: Warum sind via Südroute kommende Migranten gut jene die via Ostroute kommen schlecht?
    Frage 2: Wird Assange in Kiew oder in London ohne Anklage in Isolierhaft gehalten?
    Frage 3: Warum wird einem Gerald Knaus* hier eine Plattform gegeben?

    * Gerald Knaus ist als Leiter des ESI (Europäische-Stabilitäts-Initiative) zu 100% für den Türkei-Deal mit der EU verantwortlich. Er stammt aus seiner Feder.
    ESI wird zur Gänze vom notorischen Europa-Hasser George Soros finanziert.

    Zur Sache selbst: Das nennt man “politische Retourkutsche”.

    P.S. Das Geschrei im Westen möchte ich hören wenn Belarus die Migranten inhaftiert oder sonstwas.

  10. Wo ich nicht mehr durchblicke ist das Folgende:

    1.) Lukaschenko ist politisch kommunistisch, also links. Sein Geheimdienst heißt nach wie vor KGB.
    2.) Polen ist politisch rechtskonservativ und laut EU antidemokratisch

    Wenn jetzt aber Weißrussland Druck auf Polen ausübt bzw. sie offensichtlich erpresst, dann sind auf einmal die Rechten die Guten und die Linken die Bösen?

    Wäre sehr dankbar wenn mir das jemand aus der österreichischen Linken erklären könnte, wie man diese Doppelmoral argumentieren kann. Also in Österreich ist links gut und rechts schlecht und im Ausland ist es umgekehrt oder wie? Ich frage ohne Provokation aus ernsthaftem Interesse, weil ich selbst aus dem linken Spektrum komme und dieser Argumentationslogik nicht mehr ganz folgen kann.

  11. Die Weltbevölkerung explodiert, der Migrationsdruck ist daher überall hoch. Es gab aber keine Phasen, wo man sich davon überrennen lies. Der Club of Rome hatte bereits 1972 eindringlich vor der Bevölkerungsexplosion gewarnt und es war daher schon vor 50 Jahren klar, dass Europa sich dann abschotten würde. Also alles ganz normal.

  12. Es ist ein Angriff auf die EU, mit den Flüchtlingen als billiges Kannonenfutter. Hier ganz offensichtlich, aber hat Putin nicht zuletzt schon mit seinen Bombardierungen in Syrien die Flüchtlingswelle von 2015 mitverschuldet, und das mit Absicht?

  13. Natürlich ist es eine Erpressung aus Weißrussland. Allerdings wird uns hier wie so oft nur die halbe Wahrheit erzählt. Polens Präsident steht bei einer offiziellen Ansprache bereits vor der NATO Flagge: https://belarus.liveuamap.com/en/2021/9-november-president-andrzejduda-at-national-security-bureau

    Zuerst hacken alle auf Polen herum, weil sie den Rechtsstaat untermauern (zu Recht) und dann sobald es um NATO Konflikte geht sprechen alle wieder vom “Westen” und vergessen, dass die EU und die NATO zwei verschiedene Organisationen sind. Erstere ist ökonomisch und zweitere ist militärisch.

    Es läuft also wieder auf den Konflikt zwischen Washington und Moskau hinaus und die EU wird als Spielball dafür benutzt während der österreichischen Bevölkerung vorgegaukelt wird dass wir Polen unterstützen müssen. Die Flüchtlinge als Druckmittel wie es schon die Türkei macht. Die EU ist mittlerweile nicht mehr als der verlängerte Arm der NATO und Österreich mitgefangen.

    • Polen müssen wir unterstützen. Italien konnte noch so betteln, Italien hat die EU (vor allem Frau Merkel) nicht unterstützt.

      • Jein. Polen zu unterstützen finde ich legitim und sie haben auch das Recht ihre Grenzen zu schützen. Problematisch wird es allerdings wenn Polen nicht im Auftrag Warschaus handelt sondern Anweisungen aus Washington entgegennimmt. Denn Österreich ist laut Staatsvertrag zu immerwährender Neutralität verpflichtet und wir dürfen niemals im Interesse der NATO handeln, sondern im Interesse Österreichs. Natürlich müssen wir auch im Interesse der EU handeln, doch leider vermischen gewisse PolitikerInnen die Grenzen zwischen EU und NATO. Die NATO führt Krieg im Nahen Osten für Rohstoffe und die Flüchtlingsströme kommen nach Europa. Das ist schön und gut, wenn Sie nach Deutschland und Polen kommen, die durch ihre NATO Mitgliedschaft mitgefangen sind. Allerdings ist es nicht in Ordnung, dass auch NATO freie EU Länder wie Schweden, Irland, Österreich, Finnland erpresst werden und mit Flüchtlingsströmen unter Druck gesetzt werden. Unsere PolitikerInnen müssen hier Klartext sprechen: Was betrifft die NATO? Was betrifft die EU? Und was betrifft Europa? Die ÖVP unterwandert mit ihrer starken Affinität zur NATO unsere Neutralität und viele ÖsterreicherInnen sehen das nicht, weil sie Angst vor neuen Flüchtlingsströmen haben. Es ist wie eine hermetische Meinungsblase, die uns vorgegeben wird und die Leute müssen begreifen dass die EU und die NATO zwei verschiedene Dinge sind. Denn wenn der polnische Präsident bei seiner Ansprache, wie auf dem Bild in meiner Quelle verwiesen, vor einer NATO Flagge steht dann operiert er im Sinne eines Militärbündnisses und es ist nicht rechtens dass andere EU Staaten wie Österreich mithineingezogen werden nur weil beide in der EU sind.

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