Sonntag, November 3, 2024

Internationale Presse zu Österreichs Coronapolitik: »Ausdruck eines politischen Versagens«

»Ausdruck eines politischen Versagens«

Zeitungen im europäischen Ausland befassen sich in Kommentaren mit der Politik der österreichischen Bundesregierung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie und der Einführung der 2G-Regel. Scharfe Kritik kommt auch an Ex-Kanzler Kurz.

Wien, 10. November 2021 |

“Badische Neueste Nachrichten” (Karlsruhe/10. November):

“Dass das politische System in Österreich kaputt sein könnte, kam dem jungen Ex-Kanzler (Sebastian Kurz) nicht in den Sinn. Aber genau darin liegt die Wurzel der miserablen Pandemie-Bilanz: Österreich zählt mit einem Inzidenzwert von weit über 600 zu den Schlusslichtern in Europa, desgleichen mit der Impfquote von 65 Prozent der Bevölkerung. Ursache ist die österreichische Art des Föderalismus, den keine andere Partei seit 1945 so negativ geprägt hat wie die ÖVP. Die Landesfürsten wollten sich vom Bund nicht reinreden lassen. Die Folge ist ein Chaos an Regeln und Vorschriften, die mehr Verwirrung als Nutzen stifteten. Jetzt musste die Regierung unter dem neuen Kanzler Alexander Schallenberg die Notbremse ziehen und einen Konsens zwischen Bund und Ländern erzwingen: Nach fast zwei Jahren Pandemie bekommt Österreich ein einheitliches Regelwerk. Nebeneffekt: Der angeblich farblose Schallenberg hat sich erstmals deutlich von seinem ‘Schattenkanzler’ Kurz distanziert.

“Neue Zürcher Zeitung” (9. November):

“Das (2G, Anm.) kommt einem Lockdown für Ungeimpfte sehr nahe und bedeutet eine verkappte Impfpflicht. Ein derart weitgehender Eingriff in die persönliche Freiheit ist nur im äußersten Notfall akzeptabel. Glaubt man den Experten, ist dieser allerdings eingetreten: Die Intensivstationen in den besonders betroffenen Bundesländern Oberösterreich und Salzburg sind faktisch voll – und die rekordhohen Ansteckungszahlen der letzten Woche werden sich in den Spitälern erst in zehn Tagen abbilden. (…)

Dennoch ist die 2-G-Pflicht Ausdruck eines politischen Versagens. Die tiefste Impfquote Westeuropas hat Gründe, die in der Schweiz sehr vertraut klingen dürften. Zum einen kommunizierte die Regierung unentschlossen. Sie vermochte nicht, einen genügend großen Teil der Bevölkerung von der Notwendigkeit der Vakzine zu überzeugen. Stets auf die öffentliche Meinung bedacht, erklärte der ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz die Pandemie fast im Monatsrhythmus für beendet, überwunden oder ‘gut gemeistert’ – leider zu früh.”

(apa/bf)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Benedikt Faast

    Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.

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