KPÖ, Grüne und SPÖ haben Elke Kahr (KPÖ) am Mittwoch zur neuen Grazer Bürgermeisterin gewählt. Die ÖVP bezweifelt bereits ihre Amtsfähigkeit.
Wien/Graz, 17. November 2021 | Die neue Grazer Bürgermeisterin – und Nachfolgerin des seit 2003 amtierenden ÖVP-Stadtoberhaupts Siegfried Nagl – heißt Elke Kahr von der KPÖ. Sie wurde Mittwochmittag von den Mandataren von der Koalition aus KPÖ, Grünen und SPÖ mit 28 Stimmen des 48-köpfigen Gemeinderates – der sich aus Covid-Präventionsgründen in der Grazer Messe konstituiert hatte – im ersten Wahlgang gewählt. Sie nahm die Wahl an.
Arbeitertochter und Kommunistin jetzt Bürgermeisterin
46 Stimmen wurden abgegeben (zwei Mandatare waren entschuldigt), 18 waren ungültig, dabei dürfte es sich um die Stimmen von ÖVP und FPÖ handeln. 28 waren gültig.
Pflegestadtrat Robert Krotzer (KPÖ) hatte zuvor den Wahlvorschlag für Kahr eingebracht, zitierte einige Bürgerreaktionen auf ihr Wirken und hob u.a. die rund 5.300 Vorzugsstimmen für sie bei der GR-Wahl am 26. September hervor. “Mit ihr wird eine Frau, eine Kommunistin und eine Arbeitertochter aus der Triestersiedlung Bürgermeisterin. Sie hielt sich nie für etwas Besseres und hat stets das Gespräch und den Kontakt zum Bürger gesucht”, sagte Krotzer.
Elke Kahr ist #Bürgermeisterin von #Graz. Die erste Frau und die erste Kommunistin in dieser Funktion.
„Wir wollen den Weg eines neuen Miteinanders gehen“, betont sie. pic.twitter.com/b1EoTPXboa— KPÖ Graz (@KPGraz) November 17, 2021
Die Mehrheit der Grazer habe sich trotz aller Verteufelungen Kahrs nicht “verwählt”, sondern eine klare Entscheidung getroffen. Die Verteilung der Ressorts auf die Stadtsenatsparteien drücke eine neue politische Kultur aus, das sei in Vergangenheit nicht immer selbstverständlich gewesen. Er freue sich auf eine gute Zusammenarbeit aller Parteien.
ÖVP bezweifelt Amtsfähigkeit
ÖVP-Stadtrat Kurt Hohensinner sprach vom 26. September als einschneidendem Tag für die ÖVP und Graz. Er bedankte sich bei Nagl für seine langjährige leidenschaftliche Arbeit, man blicke ohne Groll auf den Wahltag zurück, es gehe nur um die Zukunft der Stadt. Man werde ein Gegengewicht zu einer „linkslinken Koalition“ sein, sagte Hohensinner, bevor er sich direkt an die KPÖ-Chefin wandte: “Liebe Elke, ich schätze dich als Mensch und dein soziales Engagement, aber was ich in den vergangenen Jahren erlebt habe, reicht nicht für die Gesamtverantwortung.” FPÖ-Klubchef Alexis Pascuttini bezeichnete die Situation als “wenig erfreulich”.
NEOS-Chef Philip Pointner kündigte an: “Eine Opposition der Unverfrorenheit werden wir nicht machen, ich grenze mich von meinem Vorredner ab”, spielte Pointner auf die zuletzt aufgekommenen Berichte über finanzielle Unregelmäßigkeiten bei der FPÖ an. Er sei leidenschaftlicher Europäer und wolle seinen Beitrag für u.a. das transparente, unternehmerische Graz leisten, als einzige wahre Oppositionskraft stelle man aber keine politischen Blankoschecks aus.
Die Grüne Gemeinderätin Manuela Wutte sprach von einem historischen Moment: Noch nie gab es zwei Frauen als Bürgermeisterin und Stellvertreterin, spielte sie auf Grünen-Chefin Judith Schwentner an. Sie könne Hohensinner beruhigen, diese Koalition verlasse den Weg der Mitte nicht und wolle alle im Gemeinderat einbinden.
Die SPÖ wähle Kahr für ihren Zugang zu Lösungskompetenzen, wegen ihrer Persönlichkeit, wegen der Schnittmengen im Programm. In der Koalition könne man nun auch mit den vier Gemeinderäten mitgestalten, als Basis gelte der Wertekompass der Sozialdemokratie, dieser sei auch Inhalt der Präambel des Koalitionsvertrags. Natürlich wäre eine sofortige Einführung des Gratiskindergartens gut, aber angesichts der Budgetlage – doch gebe es nun erste Schritte zur Entlastung der Eltern.
(apa/ot)
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