Freitag, April 19, 2024

Der »Ibiza-Detektiv« vor Gericht

Das ist ein Unterüberschrift

Im Verfahren gegen „Ibiza-Detektiv“ Julian Hessenthaler verstrickten sich die beiden Belastungszeugen in Widersprüche. Es geht um Kokain, die Suche nach dem Ibiza-Lockvogel, eine Pistole und fehlende Akten.

 

St. Pölten, 23. November 2021 | Am Landesgericht St. Pölten wurde am Dienstag der Prozess gegen den „Regisseur“ des Ibiza-Videos, Julian Hessenthaler, fortgesetzt. Ihm wird von zwei Belastungszeugen, K. und seiner Freundin H. vorgeworfen, ihnen bei mehreren Gelegenheiten insgesamt über ein Kilo Kokain verkauft zu haben. Hessenthaler bestreitet das. Er sagt, die Zeugen hätten für ihre Aussage Geld erhalten.

Tatsächlich hat der Betreiber der Plattform „EU-Infothek“ an K. und eine weitere Person 55.000 Euro für Informationen über Hessenthaler bezahlt. Mit seiner Aussage habe das aber nichts zu tun, sagt K.

Der Richter gibt auf

Die Anklage von Staatsanwalt Bernd Schneider stützt sich ausschließlich auf die Aussagen seiner beiden Zeugen. Sachbeweise für ihre Vorwürfe konnte die Staatsanwaltschaft nicht finden. Ausgerechnet diese beiden Zeugen verstrickten sich vor Gericht in Widersprüche – mit sich selbst, miteinander und mit Aussagen in anderen Verfahren. Wer wann wo und für wieviel Geld welche Drogen ver- oder gekauft haben soll, bleibt auch bei stundenlanger Befragung durch Richter und Hessenthalers Verteidiger unklar. „Ich gebe auf!“, seufzt der Richter nach der Befragung von Zeugin H.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich die meisten Beteiligten kennen und in der Vergangenheit zusammengearbeitet haben. So besuchte Hessenthalers Anwalt Wolfgang Auer den Zeugen K. wiederholt in der Haft – zwischen den beiden bestehe ein Vertrauensverhältnis. Ob und was da über Hessenthaler geredet wurde, wird am Dienstag nicht klar.

„K. ist ein Lügner“

Über ihren Freund K., den zweiten Belastungszeugen, sagt H.: „Er ist ein Lügner. Er sagt nicht immer die Wahrheit.“ K., der V-Mann der Kriminalpolizei ist, belüge auch die Polizei. „Warum?“ K. mache alles, um Geld zu verdienen, sagt H. Und: Durch ständigen Kokainkonsum leide K. an Wahnvorstellungen.

  1. gibt unumwunden – und sogar mit etwas Stolz – zu, Hessenthaler bedroht und körperlich angegriffen zu haben. Umgekehrt soll Hessenthaler ihr eine Pistole an den Kopf gehalten und gedroht haben, H. und ihre Familie zu töten, falls sie gegen ihn aussagen würde. Zum Beweis habe H. ein Foto von der Waffe und einer Patrone aus dem Magazin gemacht. „Wie kamen Sie an die Waffe, mit der sie bedroht wurden?“, will der Richter wissen. Hessenthaler habe sie ihr zur Aufbewahrung anvertraut, sagt H.

Der Ibiza-Lockvogel und die Pistole

Einen Nebenstrang bildet der Ausweis der Prostituierten K. (eine andere Person als Zeuge K.). Ob sie Frau K. kenne, fragt Hessenthaler-Anwalt Oliver Scherbaum. H. verneint. Daraufhin liest ihr der Richter Aktenteile vor, aus denen hervorgeht, dass H. und Fr. K. in engem Kontakt standen, über Höchstpersönliches sprachen. Nun erinnert sich H. doch daran, Fr. K. zu kennen. „Dass das nicht besonders glaubwürdig ist, ist aber schon klar?“, zürnt der Richter.

In Fr. K. vermutete Zeuge K. offenbar den Ibiza-Lockvogel. Er oder eine andere Person (die Aussagen dazu sind widersprüchlich) ließen dem Betreiber der EU-Infothek den Ausweis von Fr. K. zukommen. Der zeigte ihn Johann Gudenus, um die Identität des Lockvogels zu überprüfen (sie war es nicht).

Als K. selbst aufgerufen wird, gibt es Aufregung. Sein Anwalt, Timo Gerersdorfer, war während der Befragung von H. im Saal. Hessenthalers Verteidiger vermuten, dass dieser K. über die Aussagen von H. informierte, um Widersprüche zu vermeiden. Den Richter ficht das nicht an, er findet in seiner Befragung trotzdem eine Menge davon.

Erschwert werden die Zeugenbefragungen nicht bloß durch die widersprüchlichen Aussagen der Zeugen selbst. Ein wiederkehrendes Problem besteht darin, dass dem Gericht nicht alle relevanten Akten vorliegen – sehr zum Ärger des Richters, der „den im Saal anwesenden Polizeibeamten“ und dem „Herrn Staatsanwalt“ dafür sichtlich verärgert den Kopf wäscht.

Die fehlenden Akten

Da sich die Anklage ausschließlich auf die beiden Zeugen stützt, versuchen Hessenthalers Verteidiger, deren Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. Dazu benutzen sie unter anderem Aussagen aus den Ermittlungen der SOKO Ibiza unter dem heutigen Kripo-Chef Andreas Holzer. Sie hatten zum Ziel, die Macher des Ibiza-Videos aufzuspüren. Manche Aussagen, die Zeugen aus dem Drogen-Prozess gegen Hessenthaler damals tätigten, widersprechen jenen, die sie heute machen.

Den Anwälten fällt es jedoch schwer, das zu zeigen. Der Staatsanwalt hat diese widersprüchlichen Aussagen nämlich nicht zum St. Pöltner Akt genommen und Richter will keine Vorhalte „aus einem Akt, der in Wien liegt“ zulassen. Warum die Aussagen aus dem Video-Verfahren keinen Eingang in den Drogen-Akt fanden, bleibt, wie so vieles bei der Verhandlung am Dienstag, im Dunkeln.

Am Mittwoch geht es weiter. Dann werden ab 09:00 S., der Betreiber der „EU-Infothek“ und wohl auch Hessenthaler selbst befragt.

(tw)

Titelbild: APA Picturedesk

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10 Kommentare

  1. Es war zu vermuten, dass diese Zeugen nach allem was man bisher gehört hat nun so reagieren würden.
    Für mich ist das aber keine Entastung, sondern eine noch stärkere Bestätigung und müssen hier wohl sehr viele große Angst haben und damit auch Angste verbreiten, damit der Verdächtige nicht doch noch auspackt?
    Spannend wird es dann, wenn dann bei einem Freispruch die Zeugen wegen Verleumdung geklagt werden und was dann mit diesen passieren wird und vor allem wie diese dann darauf wieder reagieren werden.
    Aber auch die die hier vorher diese Zeugen bereits einvernommen haben, schauen dann ganz schön blöd aus ihrer Wäsch?

  2. Den Richter hab ich in der ganzen Geschichte als einzigen verstanden. Und ich verstehe wirklich Wahnsinn, habe fast 20 Jahre in einer (Kinder – und Jugend-)Psychiatrie gearbeitet.

  3. Das Stracherl setzt Bettelbriefe ab. Der Mann hier sollte nicht vor Gericht stehen, den gehört wohl eher ein Orden verliehen. Mit dem seiner Mithilfe ist diese Bagage gestrauchelt, und da glücklicherweise auch der große Blender.

  4. Herr H. war lediglich ein Ausführender, der wahre Regisseur (ein Nachrichtendienst) wird natürlich nie ermittelt werden, weil gar nicht gewollt. Was hier stattfindet, ist lediglich eine Schmierenkomödie und ein Scheinprozeß, bei dem auch nichts sonderlich spektakuläres herauskommen wird. Hier geht es um staatsräsonale Interessen, wo auch die Justiz nicht unterstützt, sondern im Regen stehen gelassen wird. Viel interessanter wäre zu erheben, warum das BKA mit seinem dubiosen Leiter Holzer (ein braver Familiensoldat) nie aus eigenem Antrieb versuchte, H. habhaft zu werden. Erst aufgrund von Informationen der EU-Infothek (Schmidt) wurde ein europäischer Haftbefehl gegen H. ausgestellt. Liegt es vielleicht daran, daß H. ein V-Mann des BKA war (sein Führungsoffizier war Holzer) und neben diesem “Dokumentarfilmchen” noch weitere Dienste für das BKA erledigte? Wie immer in dieses schmutzige Spiel ist auch der DabeiVdB involviert… Und wann wird dem korrupten Anwalt Murfakai endlich die Zulas

  5. Warum sitz der Herr H. monatelang in U-Haft?
    Zeugen aus dem Leprosenheim.
    Bananenrepublik!

    • Mir fallen da andere ein, die U Haft wegen Verdunkelungsgefahr bedürften.

      • Wenn ein Beschuldigter und seine Prätorianer öffentlich erklären, Korrespondenz zu löschen und dass es bei einer HD nichts mehr zu holen gebe fehlt mir ohnehin jedes Verständnis, dass ein solcher Schritt ausbleibt.

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