Donnerstag, April 25, 2024

»Mit revolutionären Grüßen«: Che Guevaras Briefe

Che Guevaras Briefe

Bisher unveröffentliche Briefe des Revolutionärs Ernesto “Che” Guevara geben einen tiefen Einblick in die Seele der kommunistischen Ikone.

Berlin, 23. November 2021 | Kurz bevor Che Guevara (1929-1967) in der bolivianischen Wildnis starb, wirkt er nach lebenslanger Suche im Einklang mit sich selbst. Davon zeugt sein Abschiedsbrief an die Eltern. Darin schreibt er: “Ich glaube an den bewaffneten Kampf als einzige Lösung für die Völker, die für ihre Befreiung kämpfen, und ich folge meinem Glauben.” Der Brief sollte zumindest seine Mutter nicht mehr erreichen. Sie starb zuvor an einem Krebsleiden.

Briefe aus Bolivien

Berührende Abschiedsbriefe der Ikone der kubanischen Revolution finden sich in dem jetzt veröffentlichten Briefband “Ich umarme dich mit all meiner revolutionären Hingabe”. Der größte Teil der Briefe wurde noch nie ins Deutsche übersetzt. Die Sammlung umspannt einen Zeitraum von zwanzig Jahren, sie setzt ein im Jahr 1947 und endet kurz vor Che Guevaras Tod im Oktober 1967.

In den zwei Jahrzehnten machte der gebürtige Argentinier eine atemberaubende Entwicklung durch – vom jungen, noch eher unpolitischen, reisenden Medizinstudenten zum kubanischen Revolutionär und schließlich Industrieminister und international agierenden Staatsmann. Am Ende knüpfte Che Guevara wieder an seine Guerillazeit an und kämpfte im Kongo und in Bolivien, wo er gefangen genommen und hingerichtet wurde.

Die letzten Briefe des Revolutionärs lassen jedoch auch ein starkes Bedürfnis erkennen, seinen Gefühlen noch einmal Ausdruck zu verleihen, der Liebe zu seiner Frau, der Zuneigung zu seinen Kindern, der Verbundenheit mit seinem Freund Fidel Castro. Diese Gefühle, so erkannte er schmerzlich, hatte er allzu lange dem Primat des revolutionären Kampfs untergeordnet. An seine Frau Aleida March, die er “meine Einzige” nannte, schrieb Che Guevara: “Du hast keine Ahnung, wie ich vor allem an Weihnachten und an Neujahr deine zeremoniellen Tränen vermisst habe, unter einem Himmel voller unbekannter Sterne wurde mir plötzlich klar, wie wenig ich das Leben als private Person gelebt habe.”

„Mit revolutionären Grüßen“

Die beeindruckendsten Briefe sind aus der Anfangs- und der Schlussphase seines Lebens, einfach wegen ihres sehr persönlichen Charakters. Während Che Guevaras Zeit als Führer der kubanischen Regierung dagegen standen politische und organisatorische Anliegen im Vordergrund. Viele dieser oft nüchtern gehaltenen Briefe wurden unter großem Zeitdruck und Stress geschrieben. Meist enden sie formelhaft “mit revolutionären Grüßen. Vaterland oder Tod. Wir werden siegen. Comandante Ernesto Che Guevara”.

Die Jugendbriefe an seine Mutter, seine Tante Beatriz oder seine Freundin Tita Infante zeigen ihn dagegen als Abenteurer, der auf Reisen durch Lateinamerika seine Bestimmung suchte, der Gelegenheitsjobs annahm und Hunger litt. Seine dürftigen Verhältnisse schilderte er trotzdem meist mit viel Humor. So heißt es in einem Brief an seinen Vater: “Dein Anzug, dein bestes Stück, den du wie deinen Augapfel gehütet hast, ist in einem Pfandhaus den Heldentod gestorben…”

In Guatemala erlebt Che Guevara 1953 den Sturz der fortschrittlichen Regierung unter dem Einfluss der United Fruit Company und des CIA, was seiner politischen Entwicklung einen entscheidenden Push gibt: “In Guatemala will ich das lernen, was mir zum echten Revolutionär noch fehlt.” Anderthalb Jahre später trifft er in Mexiko Fidel Castro und findet seine Berufung. An wenigen Stellen erfahren wir etwas über sein Familienleben. So schreibt der frisch gebackene Vater über seine älteste Tochter Hildita entwaffnend ehrlich: “Die Kleine ist ganz schön hässlich.”

Und an anderer Stelle: “Meine kommunistische Seele strotzt vor Glück, denn sie sieht genauso aus wie Mao Tse Tung.” Eigentlich mache Hildita genau das, was alle Säuglinge so machen, “und trotzdem ist da etwas, was sie völlig von anderen Babys unterscheidet: Ihr Vater heißt Ernesto Guevara.” Guevara, der nicht nur als Revolutionär verehrt wurde, sondern auch als brutaler Guerillero und skrupelloser Politiker bekannt war, zeigt sich in diesen Briefen wie schon in seinen Tage- und Erinnerungsbüchern als charmanter und witziger Autor. Es ist wohl auch seinem literarischen Talent geschuldet, dass seine Schriften Revolutionäre weit über Kuba hinaus beeinflussten.

Ernesto Che Guevara: “Ich umarme dich mit all meiner revolutionären Hingabe. Gesammelte Briefe 1947-1967”, herausgegeben von Maria del Carmen Ariet Garcia und Disamis Arcia Muñoz, Übersetzt von Stefanie de Velasco, Kiepenheuer & Witsch, 368 Seiten, 25,70 Euro.

(apa)

Titelbild: APA Picturedesk

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16 Kommentare

  1. “Vaterland oder Tod. Wir werden siegen.” – Das sind die Worte eines Kommunisten.

    Wenn man das bei uns sagen oder schreiben würde, dann wäre man ein “rechtsradikaler Verschwörungstheoretiker”. So weit ist die Verblödung des Volkes bereits vorangeschritten.

    Mittlerweile kann man sagen es gibt zwei Optionen: Revolution oder Genozid.
    Dank Rupert Murdoch wird weder das eine noch das andere im Fernsehen und in Zeitungen berichtet werden.

    El pueblo unido jamás será vencido! Lassen wir uns nicht weiter spalten und gegeneinander aufhetzen. Es ist mehr als Zeit Widerstand zu leisten. Ziviler Ungehorsam, Streik, Flugzettel austeilen, jede/r kann einen Teil beitragen. 1984 ist jetzt, auch wenn viele das nicht realisieren wollen und in der Echokammer der Standardbubble weiterleben. Wir sind jetzt alle PalästinenserInnen.

    Mit revolutionären Grüßen
    Ein Österreicher, der anonym bleiben muss um nicht wegen Thought Crimes von der ÖVP verklagt zu werden

  2. Eine gute Rezension. Sicher eine sehr interessante Sammlung der Briefe. Venceremos!

    • Es wäre wirklich interessant was Sie hier bei ZackZack machen. Warum suchen Sie sich nicht eine Zeitung die zu Ihnem Geschwurbel passt? Es gibt nichts das Sie hier im Forum nicht kritisieren und madig machen.
      Das ist eine Zeitung die Artikel, Kommentare etc. schreibt. Jeder kann sich aussuchen was er lesen möchte.
      Ich habe den Verdacht Ihr Anliegen ist ZackZack zu sabotieren.

      • Schon mal was von freier Meinungsäußerung gehört?
        Dies ist ein apa Artikel, falls dies Ihrer Aufmerksamkeit entgangen sein sollte.

        • Was spielt es für eine Rolle von wem der Artikel ist, Sie müssen ihn nicht lesen, wenn Ihnen das Thema nicht gefällt.

          • Es darf nur ein Thema geben, und das muss aus dem Blickwinkel der limos verfasst sein. Alles andere ist Ablenkung, gekauft, Verrat, gelogen. Manche müssen sich die Welt ganz einfach stricken, weil sie sonst überhaupt nicht klar kommen.

        • Oh, Sie haben eine Meinung geäußert? Ich habe nur zwei dumme Fragen gelesen.

        • „Meinungsfreiheit scheitert bereits an den verschiedenen Meinungen über Freiheit.“
          ―Wolfgang Mocker

    • Der suggeriert gar nix. Es geht um ein Buch, das erschienen ist, mit Briefen, also Zeitzeugnissen, eines nicht uninteressanten und höchst umstrittenen Menschen des letzten Jahrhunderts. Wenn Sie das nicht interessiert, bitte. Aber warum schließen Sie daraus, der Redaktion gingen die Themen aus? Ist dich immer was los in der Welt, und die Deppenvielfalt in Österreich gibt auch einiges her.

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