Freitag, März 29, 2024

»Wraaar, Wraaar« – Boris Johnsons Rede sorgt für Zweifel über Amtsfähigkeit

»Wraaar, Wraaar«

“Geht es Ihnen gut?” Eine Frage, die man selten einen Reporter einen Politiker fragen hört. Doch nach einer Rede von Boris Johnson lag diese Frage allen auf den Lippen. Er imitierte einen Verbrennermotor und sprach minutenlang über einen Vergnügungspark.

Wien, 23. November 2021 | Erst eine skurrile Rede, dann Berichte über ein unpassendes Spenden-Dinner: Boris Johnson ist angezählt. Selbst in der Downing Street wird über den britischen Premierminister gelästert, wenn auch noch hinter vorgehaltener Hand. Der Premier habe den Laden nicht mehr im Griff, zitierte die gut vernetzte BBC-Reporterin Laura Kuenssberg eine ranghohe Quelle. Ein Kabinettsmitglied sagte der “Times”, Johnsons völlig missratene Rede vor dem Industrieverband CBI stehe symbolisch für den chaotischen Weg der Regierung.

Johnson selbst musste sich vor laufender Kamera sogar zu seinem Gesundheitszustand äußern. “Geht es Ihnen gut?”, fragte ein hörbar entgeisterter Reporter den Premier. Zwar ist Johnson für bizarre Vergleiche und absurd-komische Reden durchaus bekannt – das ist Teil seines hemdsärmeligen Regierungsstils. Was der Regierungschef aber am Montag vor führenden Wirtschaftsvertretern erzählte, war selbst für seine Verhältnisse nur noch skurril.

Minutenlang über Themenpark gesprochen

Vor einem fassungslosen Publikum lobte der Premier minutenlang einen Themenpark, der der Zeichentrickfigur Peppa Wutz gewidmet ist. Er verglich sich mit dem Propheten Moses, machte eine Anspielung auf den kommunistischen Revolutionsführer Lenin und imitierte einen Motor. Zwischendurch verlor er sekundenlang den Faden und suchte unter gemurmelten Entschuldigungen nach seinem Text.

Das Echo fiel verheerend aus. “Peinlich”, “demütigend”, “schockierend” – selbst konservative Medien, Johnson traditionell wohlgesonnen, zitierten ausführlich die Reaktionen anonymer Abgeordneter seiner eigenen Partei. Nun fragt sich das Land, ob der Premier denn noch den Rückhalt seiner Tories genießt.

Die Antwort: Jein. Am Montagabend stimmten 19 Konservative im Parlament gegen Johnsons umstrittene Sozialreform, vor allem aber enthielten sich Dutzende weitere. Trotz einer eigentlich üppigen Mehrheit brachte Johnson das Gesetz nur knapp durchs Unterhaus. Das riecht für viele Beobachter nach Misstrauensvotum.

Noch stärker nachhallen könnten Berichte wie nun im “Daily Mirror”. Demnach besuchten konservative Abgeordnete ein Dinner für Tory-Spender, das Tausende Pfund pro Tisch gekostet haben soll. Von dort eilten sie dann ins Parlament, um für die Reform zu stimmen, die nach Einschätzung der Opposition ärmere Menschen dazu zwingen könnte, ihr Haus zu verkaufen, um ihre Pflege bezahlen zu können.

Johnson schwer angezählt

Für Johnson ist es der negative Höhepunkt der jüngsten Zeit. Wegen der Folgen von Brexit und Corona-Pandemie bleibt die wirtschaftliche Erholung aus. Probleme bei den Lieferketten führen zu Sorgen, dass Geschenke und der traditionelle Weihnachtsschmaus gefährdet sind. Über den Ärmelkanal kommen mehr Migranten illegal ins Land denn je zuvor.

Und dann sind da noch die verschiedenen Skandale, in denen die Tories stecken. “Ich würde sagen, dass der vergangene Monat kein guter Monat für die Regierung war”, sagte der einflussreiche konservative Gesundheitspolitiker Jeremy Hunt, einst Johnsons Rivale um den Parteivorsitz, dem Sender BBC Radio 4.

Enthüllungen über jede Menge “Sleaze” – also Filz – dominieren seit Wochen die Schlagzeilen. Mehreren Abgeordneten wird Korruption und Günstlingswirtschaft vorgeworfen. Als ein Parlamentsausschuss einen Parteifreund Johnsons für 30 Tage suspendieren wollte, zwang der Premier seine Fraktion, für eine Änderung der Regularien zu stimmen. Einen Tag später musste er zurückrudern: Er habe “das Auto in den Graben gefahren”, gab sich Johnson schuldbewusst – das Vertrauen seiner Abgeordneten war erschüttert.

Die Peppa-Wutz-Rede und die Pflegereform haben den Ärger der einflussreichen Hinterbänkler nun noch verstärkt. Am Regierungssitz gebe es viele Bedenken wegen des Premierministers. “Es funktioniert einfach nicht”, so die Quelle von BBC-Reporterin Kuenssberg. Dahinter wird das Finanzministerium vermutet, dessen Chef Rishi Sunak mit dem Premier über Kreuz liegen soll.

Auch die “Times” nahm den Premier ins Visier. Labour-Parteichef und Oppositionsführer Keir Starmer habe auf dem Wirtschaftsgipfel die passende Rede gehalten, während Johnson über den Peppa-Wutz-Park schwadroniert habe, kritisierte das Blatt in seinem Leitartikel. Nur einen ficht das alles nicht an: Boris Johnson. “Das kam doch gut an”, lobte der Premier seine Rede anschließend.

(bf/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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22 Kommentare

  1. Man sollte ja nicht nach dem Aussehen gehen ABER .. bitte schauts euch den doch an! Der muss doch irgendwo gegen gelaufen sein ..

  2. Man sollte da nicht zu kritisch sein. Johnson ist doch nicht der erste (und wird auch nicht der letzte) Politiker sein, der illuminiert eine Rede hält. Er beweist jedoch eines als lebendes Beispiel, das Kapital sucht sich immer gut steuerbare Marionetten zur Umsetzung seiner Interessen aus…
    Trotzdem muß es heller werden Österreich!

  3. Er kann sofort in der Österreichischen Innenpolitik anfangen. Viel mehr braucht es nicht 🙂

  4. Ein infantiler reicher Spinner. Wie konnte so einer in so eine Position kommen?

    • das müssen wir uns nicht fragen, wir sehen es doch hautnah.
      Auch wir haben unfähige Hansln in der Politik sitzen.

  5. Hatte er nicht auch covid? Soll die Nerven und manchmal das Hirn schädigen.
    Ok, er war vorher auch schon strange

    • ….oder er hat was eingeworfen/ konsumiert……
      oder einen Hang over…….

  6. Ein wirklich unberechenbarer Typ. Deshalb auch völlig ungeeignet für den wichtigen Job als Premierminister.

  7. Falls sich jemand (NOCH) selber ein Bild machen wil (ohne Medienframing)l, hier das gesamte ungeschnittene Video der Rede – ein “echter” Johnson halt.
    https://www.youtube.com/watch?v=NFluJtzCZ2Y
    Der Elite-Eaton-Schüler weiß genau was er tut (so wie z.B. Putin auch – im Westen als lächerlich bezeichnete Macho-Fotos z.B. ), er gibt halt gern den volksnahen Dorfdoddel und die Medien werfen sich drauf.
    Bei Interesse google: Ratschläge an einen schlechten Redner – Kurt Tucholsky

    • Allerdings könnten sich viele Tory-Wahler genieren, einen solch offensichtlichen Trottel zu wählen. Volksnah?
      Wie würde sowas in Österreich wirken?
      Da war doch die komische Dissertation oder was das war von einer österreichischen Ministerin, die daraufhin rasch und diskret aus dem Verkehr gezogen worden ist …

      Die Stotter-Auftritte von Kurz vor Gericht und vor dem UA sind auch nicht grade Hits für die Türkisen gewesen.

      • NaJa Johnson in einen Topf mit Kurz et al zu werfen erhöht die österreichischen Politiker. ungerechtfertigterweise
        Der Kurz dürfte vmtl nicht mal im Raumpfleger-Team des Hauses 10 Downing Street arbeiten.
        Boris kommt aus einer Elite-Kaste, dort sind Intrigen (auch innerhalb der Tories) an der Tagesordnung. Gemäß den alten Spruch Pack schlägt sich, Pack verträgt sich 😉

        • Mal wieder ein bloßer Schmäh-Beitrag.
          Läppisch.
          Wozu das? Es macht die Gegner von Kurz doch nur lächerlich, Volksfeind.

      • Die Stotterauftritte von ihm – Kurz -beweisen, dass er ohne Gehhilfe (=auswendig gelernte Texte) aufgeschmissen ist.

  8. Pinguine sollten auch Präsident werden. Von mir aus auch ein Chipssackerl. Alles besser als die Politikversager in Österreich und Umgebung.

    • Boris Johnson for Austria?
      Im Vergleich zu England macht es Österreich noch ganz gut. Und die Türkisen haben nicht die absolute Mehrheit im Parlament wie die Torys.

  9. -na sowas, schaut ZZ etwa dieselben “Schwurbel-Kanäle” auf Youtube wie ich?…….;)))

    Ich habe mir diese Rede gestern auch schon angesehen. In jedem Fall wird da jemand nervös weil ihm auffällt, die Menschen lachen nicht über seine Witze, sondern seine Dummheit.

  10. Sowas brauchen wir auch – Kogler lallt live endlich raus, was er wirklich denkt, andere kommen direkt von der nächtlichen Rodelpartie in die PK und schwärmen vom…Wachs, die vernünftigsten geben kleinlaut zu, daß die Politik wohl doch nicht so das richtige…

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