30. Femizid in diesem Jahr:
Es ist bereits der 30. Femizid in Österreich in diesem Jahr: Am Dienstag wurde eine Frau tot in ihrem Kellerabteil in Wien aufgefunden. Laut Obduktionsergebnis wurde die Frau erstickt. Die Angehörigen werfen der Polizei schwere Ermittlungsfehler vor.
Wien, 01. Dezember 2021 | Eine Frau ist am Dienstag tot in ihrem Kellerabteil in Wien-Brigittenau entdeckt worden. Nun liegt auch das Obduktionsergebnis vor: “Tod durch Ersticken”, berichtete Polizeisprecher Markus Dittrich der APA am Mittwoch. “Das heißt, ein Fremdverschulden liegt vor. Dementsprechend werden die Ermittlungen weitergeführt.” Nach dem Lebensgefährten wird gefahndet. Er dürfte sich ins Ausland abgesetzt haben, sein Auto wurde am Flughafen Wien-Schwechat gefunden.
Frau war bereits als vermisst gemeldet
Laut der Tageszeitung “Der Standard” (Mittwoch-Ausgabe) hatte sich der Mann ein Flugticket in den Iran gekauft – für sich alleine. “Es hat Reisedatenerfassungen gegeben und man hat feststellen können, dass er sich ein Ticket in den Iran gekauft hat und scheinbar die Reise angetreten hat”, bestätigte Polizeisprecher Dittrich. Der 64-Jährige besitzt die kanadische und iranische Staatsbürgerschaft.
Bis die 60-Jährige gefunden wurde, hatte es einige Zeit gedauert. Die Frau war von ihrer Tochter am 21. November als vermisst gemeldet worden. Diese hatte das letzte Mal zwei Tage zuvor, am 19. November, gegen 22.30 Uhr Kontakt mit ihr. An dem Tag, als die Abgängigkeitsanzeige erstattet wurde, hielt die Polizei Nachschau an der Wohnadresse und auch im Keller der Frau. In der Wohnung wurden keine Kampfspuren oder Hinweise auf Gewaltanwendung entdeckt.
Laut Dokumentation der Polizei wurden im Zuge der Ermittlungen auch diverse Abfragen durchgeführt – bei der Rettungszentrale bzw. dem Rettungsdienst, in den Spitälern, der Anhaltedatei und Haftanstalten. Eine Handyortung sei ergebnislos verlaufen.
Auch nach dem Pkw sei in der Wohnumgebung gesucht worden, ebenfalls ergebnislos. Eine Anfrage bezüglich der Ortung des Wagens sei im Gang gewesen. Laut “Standard” fanden schließlich Freunde und Bekannte der Toten das Fahrzeug am Wiener Flughafen in Schwechat und meldeten es den Ermittlern. Bei der Staatsanwaltschaft hatte die Polizei eine Anordnung eingeholt, um die Konten des 64-jährigen Mannes einsehen zu können.
Polizei soll zu langsam und zu wenig ermittelt haben
Am gestrigen Dienstag durchsuchten schließlich Polizeibeamte mit einem Diensthund erneut das Wohnhaus der Frau. Der Hund führte die Ermittler schließlich zu der Toten, die im Kellerabteil unter Gegenständen vergraben lag. “Die Leiche der Frau wurde bewusst so versteckt, dass man wirklich aktiv danach suchen musste. Man musste Reifen und Decken wegräumen, sie war sehr gut verborgen”, schilderte Dittrich. Ein Verwesungsgeruch sei nicht feststellbar gewesen. Wann genau die Frau gestorben ist, war vorerst nicht bekannt. “Der genaue Todeszeitpunkt liegt mir nicht vor”, so der Polizeisprecher.
Wie der „Standard“ am Mittwoch berichtet, werfen die Angehörigen der ermordeten Frau der Polizei schwere Ermittlungsfehler vor. Zehn Tage lang sei trotz eindeutiger Hinweise nicht ermittelt worden, sagen Sohn und Tochter der ermordeten Frau. Nach mehrmaligen Hinweisen durch die Geschwister gingen die Ermittler lange nicht von einem Tötungsdelikt aus. Erst nach über einer Woche nach der Vermisstenmeldung soll im Keller des Opfers nachgeschaut worden sein. Die Landespolizei weist die Vorwürfe zurück.
“Niemand fühlt sich in der Sicherheits- und Frauenpolitik zuständig”
Da nun feststeht, dass die 60-Jährige ermordet wurde, ist ein weiterer Femizid zu beklagen. Laut einer Aufzählung der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser sind damit in Österreich bereits 30 Frauen von ihren (Ex-)Partnern in diesem Jahr getötet worden.
„Es ist unerträglich, dass in Österreich laufend Frauen ermordet werden und niemand fühlt sich in der Sicherheits- und Frauenpolitik zuständig“, zeigt sich Klaudia Frieben, Vorsitzende des Frauenrings, betroffen und zornig. „Während bei Gewaltschutzgipfeln schöne Worte fallen, werden Frauen im Stich gelassen“, so Frieben.
Gewalt von Männern gegen Frauen gibt es in allen sozialen Schichten, Nationen, Familienverhältnissen und Berufsgruppen. Die Morde an Frauen werden auch als Femizide bezeichnet. Das bedeutet, dass hinter dieser Tat oft keine individuellen, sondern gesamtgesellschaftliche Probleme wie etwa die Abwertung von Frauen und patriarchale Rollenbilder stehen.
Hilfe für von Gewalt Betroffene gibt es hier:
Frauenhelpline (Mo–So, 0–24 Uhr, kostenlos): 0800 / 222 555
Opfer-Notruf (Mo-So, 0-24 uhr, kostenlos, anonym): 0800 / 112 112
Männerberatung (Mo–Fr, Ortstarif): 0720 / 70 44 00
Männernotruf (Mo–So, 0–24 Uhr, kostenlos): 0800 / 246 247
Telefonseelsorge (Mo–So, 0–24 Uhr, kostenlos): 142
(apa/jz)
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