Skylla und Charybdis
Nicht nur Fans von Edgar Allen Poe kommen bei der Betrachtung österreicherichischer Innenpolitik dieser Tage auf ihre Kosten. Freude am Morbiden sollte man aber mitbringen.
Julya Rabinowich
Wien, 04. Dezember 2021 | Rilke muss leider wieder herhalten, dabei ist der Herbst beinahe schon vorbei: wer jetzt keinen Kanzler findet, liefert keinen mehr. Der letzte Exkanzler und der vorletzte Exkanzler sind also Geschichte. Der neue Neukanzler hatte noch keine Gelegenheit, zum Exkanzler zu werden, aber was nicht ist, kann derzeit immer werden. Die so vollmundig versprochene Stabilität der ehemals staatstragenden ÖVP hat zu Aggregatzuständen der Regierung geführt, die man nicht für möglich gehalten hätte: Man weiß nicht, wie es in Österreich aussehen wird, wenn diese Zeilen (am Freitag geschrieben) am Samstag publiziert werden.
Alles ist möglich, rien ne va plus!
Alles ist möglich, wir sind der politische homo ludens, wir spielen Lotto, wir spielen Leben, und das mitten in einer verheerenden Pandemie. Zum Geburtstag des sehr geschätzten Autors Doron Rabinovici, also donnerstags, trat Exkanzler number one aus allen politischen Funktionen zurück, weil es Klick gemacht hatte. Nicht so, wie man denkt, sondern in seinem Herzen.
An und für sich ein sehr angemessenes Geburtstagsgeschenk, aber es war immerhin ein runder, deswegen folgte sogar mehr: auch Gernot Blümel entdeckte plötzlich die Freuden des Familiären jenseits der Familie. Generationen von Frauen schauen nun staunend zu, wie die Geburt des ersten oder des zweiten Kindes plötzlich gewaltigen Karriereknick verursacht: diesmal bei Männern. Als wir auszogen, um für Gleichberechtigung zu kämpfen, stellten wir uns das eigentlich ganz anders vor!
Untergangs-Potpourri
Am nächsten Tag war der Autorengeburtstag zwar vorbei, nicht aber der Reigen, es trat zurück: der Bildungsminister Fassmann, der zufrieden meinte, er hätte viel Positives hinterlassen. Wenn man die Verläufe der Corona-Ansteckungen in den immer noch luftfilterlosen Schulen betrachtet, hat er durchaus recht. Insgesamt sind sie alle zufrieden, die da ihre Plätze räumen. Genau genommen mit ihren Leistungen. Mit den Unbotsamen nicht. Wir befinden uns auf einem Hybrid aus Costa Concordia und der Titanic, die Pandemie tobt, die Kapelle spielt, das Schiff gerät in Schieflage und Scettino tritt leichten Schrittes ab. Gleich mehrmals. Die Krise, das sind die anderen.
*in freundlicher Kooperation mit dem Twitter-User @olivermally entwickelter Titel
Titelbild: ZackZack