Freitag, März 29, 2024

Internationale Presse zu Kurz-Rückzug und Kanzlerwechsel: »Na servus«

»Na servus«

Der Rückzug von Sebastian Kurz (ÖVP) aus der Politik und der Kanzlerwechsel war auch am Montag Inhalt internationaler Pressekommentare:

Wien, 06. Dezember 2021 |

“Dnevnik” (Ljubljana):

“Die neue Nehammer-Regierung hat eine schwierige Aufgabe vor sich. Nicht nur wegen der Pandemie-Situation, sondern auch, weil sie nach außen das Image Österreichs als stabiles Land wiederherstellen muss. In den letzten fünf Jahren haben sich sechs österreichische Bundeskanzler abgewechselt. Die durchschnittliche Dauer einer Regierung in diesem Zeitraum hat sich im Vergleich zum selben Zeitraum davor halbiert. Es war seltsam, dass Österreich zum Sorgenkind der europäischen Demokratie wurde, wo doch diese Rolle, was die Dauer der Regierungen betrifft, immer dem benachbarten Italien zustand. Aber auch das war eine Folge der populistischen Politik von Kurz und seinem ehemaligen Koalitionspartner, der FPÖ.”

“Süddeutsche Zeitung” (München):

Titel: “Na servus” “Mit dem Ende der Ära Kurz und dem Austausch zumindest einiger seiner engsten Mitarbeiter ist nicht nur der Kontrollwahn, sondern auch die Macht selbst aus dem Kanzleramt am Ballhausplatz gewichen wie die Luft aus einem Ballon. Black is back, die alte ÖVP zieht wieder die Zügel an, auch wenn die schicke, türkise Parteifarbe, die Kurz einst als Teil seines `neuen Stils ́ einführte, vorerst bleiben soll.” (…) Mit Kurz hatte es alles andere als geordnete Verhältnisse gegeben – und das nicht erst seit den Krisentagen im Herbst 2021. Es gab von Anfang an Aufregung und Begeisterung, Verführung und Tabubrüche, super Zahlen und harte Sprüche, gute Manieren und böse Intrigen, üble Angriffe auf die Justiz und Charmeoffensiven in den Boulevard-Medien – aber kaum Verlässlichkeit, ruhige Fahrwasser, politische Normalität.”

“Frankfurter Allgemeine Zeitung”:

“Sicher ist es ein Anlass zur Sorge, wenn sich in derart dichter Folge eine politische Krise an die andere reiht. Man fragt sich, wie handlungsfähig eine derart hin und her geworfene Regierung noch sein kann, zumal es in Zeiten der Pandemie auf entschiedenes und kluges Handeln ankommt. Aber eine Staatskrise, die von manchen herbeigeredet wird, ist in Österreich nicht ausgebrochen. Es gibt genügend Pfeiler, die das Gebäude auch dann noch tragen, wenn einer bröselt und ausgebessert werden muss. Die Institutionen des Staates respektieren im Wesentlichen einander, letztlich zumindest. Ein solch Pfeiler ist der Bundespräsident. Alexander Van der Bellen findet den richtigen Ton zwischen Mahnung und Beruhigung.”

“Handelsblatt” (Düsseldorf):

“Die neue Farbe verschwand mit dem Politstar, und darunter kommen die alten Strukturen zum Vorschein. Die mächtigen Landeshauptleute geben wieder den Ton an. Sie denken bereits laut darüber nach, die weitgehenden Kontrollrechte, die sich Kurz als Parteichef ausbedungen hat, wieder rückgängig zu machen. Das atemberaubende Tempo dieser Machtverschiebung ist eine Gegenreaktion auf den disruptiven Politikstil, den Kurz geprägt hatte. Seine Entscheidung, die traditionelle Große Koalition mit den Sozialdemokraten zu sprengen, war ebenso nachvollziehbar wie rücksichtslos.”

“Nürnberger Nachrichten”:

“Wie konnte es einem Endzwanziger gelingen, eine Partei buchstäblich umzufärben, ohne sich dabei um die Grundregeln politischen Anstands auch nur im Mindesten zu scheren? Neben einer gehörigen Portion Chuzpe, über die der selbstbewusste Österreicher zweifelsohne verfügt, war auch ein seltsames, `neues ́ Politikverständnis Voraussetzung für diesen Radikalumbau. Was Kurz getan hat, war nicht modern, es trug vielmehr systemverachtende Züge, etwa wenn es um die Gewaltenteilung ging, in sich. Kurzum: Ein brandgefährliches Experiment ging zu Ende. Nun sollten die Lehren daraus gezogen werden. Die österreichische Demokratie hat das verdient.”

“Daily Sabah” (Istanbul):

“Jeder Beobachter mit einem ausgeprägten Interesse an Österreich fällt es derzeit schwer, ein schönes und stolzes Land mit unternehmerischen, gastfreundlichen Menschen in einem derartigen politischen Umbruch zu sehen. Auf dem Spiel steht die regierende konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP), die die Nation und die Wählerschaft irritiert, als sei das Land ein Selbstbedienungsladen für politische Ambitionen und nicht eine weltweit führende Demokratie mit einflussreichen Sitzen in den Organisationen der Vereinten Nationen. (…) Kurz mag aus der Politik ausgestiegen sein, aber das mehr als fragwürdige Erbe seiner kurzen Regierungszeit wird die österreichische Politik wohl noch jahrelang verfolgen.”

(apa/bf)

Titelbild: APA Picturedesk

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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11 Kommentare

  1. Wenn man die Kommentare der ausländischen Presse liest und am heutigen Tag die Pressekonferenz von Mikl-Leitner verfolgt hat, die Statements der ÖVP gehört hat mit den Huldigungen und Danksagungen an Sebastian Kurz, dann fragt man sich, von wem reden diese Parteibonzen.
    Dank an Kurz für seine Arbeit und Leistung für Österreich. Richtig heißen müßte es, was sich Kurz gegenüber seinem Land und aller Staatsbürger
    GELEISTET HAT !!!!!
    Diese Verlogenheit und Impertinenz dieser ÖVP und ihren Schärgen ist nicht mehr zu überbieten. Dieses ganze Türkis, Schwarze Pack gehört nicht in die Politik sondern entweder in den Häfen oder in die Psychiatrie.
    Den Schaden der von diesen Kriminellen angerichtet wurde, sei es die Reputation von Österreich oder der wirtschaftliche Schaden und nicht zu vergessen die Spaltung der Bevölkerung, ist noch gar nicht abzusehen.
    Wie kann eine sogenannte Partei überhaupt existieren unter den Augen der Bevölkerung. Eine offenkundig mafiöse Struktur.

    • Kurz war die auf den gipfel getriebene vp. Schamlos, ohne jeglichen anstand.

  2. Ich frage mich wo der einmal sein zukünftiges Betätigungsfeld findet. Wer nimmt so einen in der Privatwirtschaft? Mangelnde Ausbildung oder Unfähigkeit sind egal, jeder wird nach der politischen Karriere irgendwo untergebracht, dafür gibt es viele Beispiele. Der Grund sind vermutlich die Verbindungen in alle Kreise die ein Ex Politiker mitbringt. Aber Kurz? Dem würde ich zutrauen, dass er ohne mit der Wimper zu zucken ein Unternehmen an die Wand fährt. Wer soll so ein Risiko eingehen? Der andere Problemfall ist Strache aber der fällt wohl eher in die Sparte Unfähigkeit.

    • Vlt kann er für den Raiffeisen-Konzert Briefkastenfirmen betreuen.

    • Raiffeisen International … aber erst wenn er in einem xxx-istan Diktatorenland ein paar Beraterjährchen lang als Dank für Oligarchenpässe Millipnen abgestaubt hat … wie viele Andere auch …

  3. Wenn man als normaler AN den AG in ein schiefes Licht rückt oder sich nicht an Richtlinien oder Gesetze hält, wird man fristlos entlassen oder gekündigt.
    Was suchen diese inkompetenten, heuchlerischen , mafiaähnlichn ÖVP Parteisoldaten noch in dieser Regierung? Wieviel muss noch aufgedeckt werden von dem korrupten Netzwerk?
    Es gilt die Unschuldsvermutung.

  4. baba und foi ned

    in seiner abtrittsrede – die irgendwie a bissl wie von einer sprechpuppe ohne irgendwelche emotionen rübergekommen is – hat der ex-ex-kanzler gesagt, er sei weder

    „Heiliger, noch Verbrecher“

    ersteres wird der vatikan entscheiden, zweiteres die österreichischen gerichte. und ich schätz amal, das wird beides nicht zu seinen gunsten ausfallen.

    https://www.hagerhard.at/blog/2021/12/tilt-game-over/

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