Dienstag, April 16, 2024

»Galaktisches Großbritannien« – Boris Johnson plant Weltraumbahnhof

Boris Johnson plant Weltraumbahnhof

Der britische Premier will mehrere Weltraumbahnhöfe errichten. Das habe wirtschaftliche Gründe und soll hunderte Jobs schaffen. Kritiker vermuten jedoch eher Johnsons Versuch, eine Autarkie aufzubauen und das Streben nach mehr Prestige.

London, 08. Dezember 2021 | Grasende Schafe, schroffe Klippen, das Tosen der Wellen: Viel abgeschiedener als im äußersten Nordosten der Britischen Inseln geht es wohl nicht. Und doch soll hier auf Unst, am gefühlten Ende der Welt, bald der Startschuss fallen für ein Projekt, dem der ohnehin ambitionierte britische Premierminister Boris Johnson einen ehrgeizigen Namen verpasst hat: “Galactic Britain”, “galaktisches Großbritannien”.

Raketenstart auf der Nordsee

Auf der Insel Unst entsteht das Shetland Space Centre, von dem aus 2022 der US-Konzern “Lockheed Martin” erstmals von britischem Boden aus eine RS1-Trägerrakete ins All schießen will. Letztlich soll es bis zu 30 solcher Starts pro Jahr geben. Als “kühne neue Strategie” lobt Johnsons Regierung ihr “galaktisches” Vorhaben, das weit über die Shetland-Inseln an der Scheide von Nordsee und Atlantik hinausgeht. “Die Tage, da die britische Raumfahrtindustrie auf der Startrampe faulenzt, sind vorbei”, kündigt Johnson seine Weltraumstrategie an.

Geplant sind gleich mehrere Weltraumbahnhöfe. Kaum weniger abgelegen ist der “Shetland Spaceport”, inmitten von Heidelandschaften im hohen Norden Schottlands. Auch von dort aus sollen bald Satelliten ins All starten, wenn auch mit kleineren Raketen als der weltweit bekannten Ariane oder Sojus. Der Flughafen Newquay im südwestenglischen Cornwall, fast 1.200 Kilometer von Unst entfernt, ist als Spaceport für horizontale Starts vorgesehen, bei denen ein Flugzeug die Rakete in etwa 11.000 Metern Höhe startet. Zudem wird eine Stätte in Wales geprüft.

Wettkampf um die Reise ins All

Premier Johnson sieht Großbritannien damit ganz weit vorne im neuen Wettstreit um die Reise ins All. Das Vereinigte Königreich könne bald vom eigenen Territorium aus ins All gelangen, zeigt Johnson sich stolz. Bisher starten europäische Trägerraketen vom Weltraumbahnhof Kourou im südamerikanischen Französisch-Guyana, das zu Frankreich gehört. Doch die Satelliten werden kleiner und müssen nicht mehr von großen Ariane-Raketen transportiert werden. Viele haben die Größe eines Schuhkartons, das eröffnet Perspektiven.

Das Rennen ist eröffnet: Auf der nordnorwegischen Insel Andøya entsteht eine Basis, die etwa der Bremer Konzern OHB für Satelliten seines Unternehmens Rocket Factory Augsburg (RFA) nutzen will. Portugal prüft Starts von den Azoren. Und Deutschland, wo einige Start-ups ansässig sind, die Raketen entwickeln, plant eine schwimmende Startplattform in der Nordsee. Bis 2030 wird der Weltraum-Markt nach Schätzungen der britischen Regierung auf rund 490 Milliarden Pfund (575 Mrd. Euro) wachsen.

“Wissenschaftliche Supermacht”

Großbritannien sieht sich gut gerüstet, um davon zu profitieren. Schon jetzt arbeiten etwa 45.000 Menschen in der Branche, nun kommen zahlreiche Jobs hinzu. Auf Unst mit einigen Hundert Einwohnern sollen 140 Arbeitsplätze entstehen sowie mehrere Dutzend im Rest der Shetland-Inseln. Rund um Sutherland sollen es 740 neue Jobs sein. Über Expertise verfügt London allemal: Zuletzt forschte Timothy Peake 2015/16 als britischer Astronaut für ein halbes Jahr auf der Internationalen Raumstation ISS.

2030 will Großbritannien der größte kommerzielle Anbieter von Starts kleiner Satelliten in Europa sein. Wettersatelliten, Klimaschutz, Verteidigung – kein Bereich wird in Johnsons All-Programm ausgespart. Als “wissenschaftliche Supermacht”, die internationale Raumfahrtmissionen anführt, sieht der zuständige Staatssekretär George Freeman sein Land.

“Großbritannien arbeitet an einer Autarkie”

Doch es gibt Kritik an den nationalen Tönen. Dass London eigene Weltraumbahnhöfe plant, sei zwar nicht anti-europäisch, sagt Jan Wörner, ehemaliger Chef der Europäischen Raumfahrtagentur (Esa). Grundsätzlich sei die Förderung gut. “Aber es ist nicht schön unter einer nationalen Überschrift”, sagt Wörner. “Besser wäre ein starkes Großbritannien in einem starken Europa.”

Andere Raumfahrt-Insider sehen in der britischen Strategie erste Schritte einer Abkopplung. Johnson wolle nach dem Brexit zeigen, dass Großbritannien auch in der prestigeträchtigen Raumfahrtbranche alleine klar komme, sagt ein Experte, der namentlich nicht genannt werden will. “Großbritannien arbeitet an einer Autarkie.”

Auf Twitter erschienen schon erste Fotos des Prototypen der “Galactic Britain”:

(apa/jz)

Titelbild: APA Picturedesk

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11 Kommentare

  1. Ist doch super! Kann er sich mit dem Söder auf ein Packerl hauen, der will auch ins All.

  2. war der kleine brexitier nicht schon immer ein bisschen größenwahnsinnig?
    wär besser, er tät sich drum kümmern, dass die brits zu x-mas einen turkey mit port am tisch hätten.

  3. Galaktisch, echt – bin fasziniert, TOS wird wahr…
    Nordsee, aufgrund er ganzjährig stabilen Wellerlage sind Starts praktisch immer möglich.
    Ein weiterer Vorteil, wegen der relativ geringen Wassertiefe können “Fehlgestartete” Raketenteile gut geborgen werden, auch das sehr geringe Verkehrsaufkommen da spricht dafür, da können Fragmente direkt von Schiffen aufgefangen werden.
    Die Wirtschaft wird angekurbelt, im Gegensatz zu Kourou, das ja am Äquator liegt, kann man auf dieser Position mit gut 20% mehr Treibstoff in den LEO kommen, GTO ist eher schwieriger, dafür bleibt es im, eh schon überlaufenen, GSO etwas ruhiger….
    In Summe würde das die Raumfahrt erheblich weiter bringen….

    [bei genauerem Hinsehen, könnte man Reste von Sarkasmus finden]

  4. Der neue gemeinsam zu bekämpfende Feind “die Unabhängigmachung von unserer Erde”, sollte ein guter Friedens- und auch Wirtschaftstreiber werden

  5. Die Frisn vom Kurz hot scho 6Hunderter kost, des unkampelte Toupet kost vermutlich mehr ois so manches Leben …

  6. Super dann haben die Briten wenigstens eine Möglichkeit diesen Blender ins All zu befördern.

  7. der soll lieber eine gondel auf den höchsten berg londons bauen lassen – verfickt und zugenagelt

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