Donnerstag, April 25, 2024

Pressesprecher-Video bringt Johnson schwer unter Druck – Feier im Lockdown

Feier im Lockdown

Der britische Premier Boris Johnson steht schwer unter Druck. Es geht um eine illegale Lockdownfeier und ein Video seiner ehemaligen Pressesprecherin.

Wien, 08. Dezember 2021 | Sie sollen gefeiert haben, als Hunderte starben und Millionen ihre Lieben nicht sehen durften – und Tage später scherzten sie vor laufender Kamera über den eklatanten Regelbruch. Ein explosives Video aus der Downing Street über eine mutmaßliche Weihnachtsfeier von Regierungsbeamten während des Corona-Lockdowns vor einem Jahr setzt den britischen Premierminister Boris Johnson erheblich unter Druck. Im Raum steht, dass Johnson über das Event gelogen hat.

Im Lockdown gewichtelt

An der Party selbst hat der Premier nicht teilgenommen. Aber Reihe nach: Vor einigen Tagen berichtete die Zeitung “Daily Mirror”, dass 40 bis 50 Mitarbeiter am 18. Dezember 2020 eng an eng bei Wein und Häppchen im Regierungssitz gefeiert hätten, es sei “gewichtelt” worden. Damals galten scharfe Kontaktbeschränkungen, Partys und Versammlungen waren verboten. Andere Medien bekamen den Vorgang bestätigt. Die Regierung dementierte die Veranstaltung zwar nicht, betont aber seither, es seien keine Corona-Regeln verletzt worden. Auch Johnson stellte sich vor seine Mitarbeiter.

Video: Pressesprecherin witzelte über Feier

Nun aber hat der Sender ITV ein Video veröffentlicht, das ein paar Tage später, am 22. Dezember 2020, in der Downing Street aufgezeichnet wurde. In der Hauptrolle: Johnsons damalige Sprecherin Allegra Stratton, die für eine Pressekonferenz probt. Scherzhaft befragt ein Mitarbeiter Stratton nach einer Feier in der Downing Street, die Anwesenden witzeln über “Wein und Käse”. “Bei dieser fiktionalen Party hat es sich um ein Geschäftstreffen gehandelt, und es gab keine sozialen Abstandsregeln”, antwortet Stratton lachend.

Das Echo ist verheerend. Nicht nur die Opposition ist empört, der Fraktionschef der Schottischen Nationalpartei (SNP), Ian Blackford, fordert bereits Johnsons Rücktritt. ITV-Moderator Tom Bradby sagte seinem Millionenpublikum: “Sie lachen uns aus. Euch, mich, uns alle.”

Am schlimmsten dürfte Johnson aber die scharfe Kritik aus den Reihen seiner Konservativen Partei treffen. Mit Blick auf andere Affären, die überraschend spurlos an Johnson gezogen waren, sagte ein führender Tory der BBC, der Premier denke offenbar, Regeln würden nicht für seine Kumpel gelten. “Menschen, die von der Regierung davon abgehalten wurden, ihre sterbenden Verwandten und Freunde noch einmal zu sehen, werden sich völlig auf den Arm genommen fühlen.” Am 18. Dezember 2020 meldete die Regierung 514 Corona-Tote an einem Tag.

Die Sicht wird von Vertretern des Gesundheitssystems gestützt. Von einem harten Schlag für die Moral spricht Matthew Taylor, ein hoher Manager im Gesundheitsdienst NHS. Es werde deutlich schwieriger, dass sich Menschen an Regeln halten, wenn Entscheider diese selbst nicht befolgten, sagte Taylor dem Sender Sky News. Das ist aktuell umso verheerender, da die Omikron-Variante des Coronavirus sich in Großbritannien schnell verbreitet. Johnson soll derzeit sogar überlegen, entgegen seiner früheren Ankündigung Impfpässe zum Besuch von Großveranstaltungen vorzuschreiben.

Interviews abgesagt

Aus der Downing Street hieß es am Dienstagabend dennoch: “Es gab keine Weihnachtsfeier. Covid-Regeln wurden zu allen Zeiten befolgt.” Bezeichnend wirkt aber die Reaktion des Kabinetts. Normalerweise lässt sich jeden Tag ein Regierungsmitglied in den Morgensendungen der wichtigsten TV- und Radiosender zu aktuellen Themen befragen. Nicht so am Mittwoch. Gesundheitsminister Sajid Javid sagte kurzfristig ab. Das deutet auf erheblichen Abstimmungsbedarf innerhalb der Regierung hin.

Zumal die Feier nicht der einzige aktuelle Skandal ist. Mehrere Medien berichten, dass Johnson und seine Frau Carrie Johnson sich dafür eingesetzt hätten, während des chaotischen Rückzugs aus Afghanistan Dutzende Katzen und Hunde aus dem Tierheim eines britischen Veteranen auszufliegen – zulasten britischer Staatsbürger und afghanischer Helfer. Johnson wies dies empört zurück. Ein Brief seiner Assistentin Trudy Harrison scheint die Berichte aber zu bestätigen. Viel Zündstoff für Johnson, der sich am Mittwoch traditionell den Fragen des Parlaments stellen sollte.

(apa/bf)

Titelbild: APA Picturedesk

Benedikt Faast
Benedikt Faast
Redakteur für Innenpolitik. Verfolgt so gut wie jedes Interview in der österreichischen Politlandschaft.
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13 Kommentare

  1. Selbst wenn sich nur derjenige, der sich zur Wahl aufstellen ließ, selbst wählen täte, wäre er mit 100% der Stimmen gewählt und dürfte mit absoluter Mehrheit die Verfassung nach belieben ändern. Wo liegt in dem System wohl der Hund vergraben ?

  2. Dass die Elite feiert als gäbe es kein morgen, während Pöbel und Tiere in Haft sitzen, ist doch wirklich keine Neuigkeit. Zeigt übrigens auch wie gefährlich diese Grippeerkrankung dort wirklich eingeschätzt wird. Dort weiß man bereits seit Ende 2019 Bescheid, aber die Tiere müssen in Dauerangst gehalten werden.

  3. Mich erstaunt immer wieder, dass der Pöbel (wir) noch immer so überrascht und entsetzt auf die diversen “Ausnahmeveranstaltungen” und “Sonderkonditionen” der Herrschenden reagiert. Erst wenn der Pöbel versteht, dass er selbst der Souverän ist und diese Tatsache auch dementsprechend beim Urnengang dokumentiert, wird sich etwas ändern. Leider geht es aber genau in die falsche Richtung, der Pöbel ist mit der politisch gewollten Selbstzerfleischung beschäftigt, was den Kaiser, König, Pabst, etc…blendend amüsiert.
    Trotzdem muss es heller werden Österreich!

  4. Hat Boris nicht die Nummer von Mückstein? Der kann ihm sagen wie man das macht: “Ich werde das mit einer breiten Runde von Expertinnen und Experten als auch Vertretern diverser gesellschaftlicher Gruppen besprechen weil mir ein gesellschaftlicher Konsens in dieser Frage wichtig ist.”

  5. Die Zeugen Coronas lieben die Partys. Johnson feiert, die finnische Premierministerin ist die ganze Nacht in der Disco trotz K1, unsere “Führer” feiern nach der Gala usw. usw.. Spahn in D hat damals am gleichen Tag, als er die Ausgangssperren verkündete mit Freunden gefeiert (und sich sogar dabei angesteckt), unser Schalli hat sich in Brüssel gleichzeitig mit seiner belgischen Kollegin angesteckt, usw. usw.
    Bald merkt auch der letzte Hinterwäldler, wie die das Volk verarschen. Strenge Vorschriften für den Pöbel und Halli-Galli Bussi Bussi für sich und die Freunderln.

    • Bei uns feierns halt nur für die gute Sache. So richtig selbstlos irgendwie. So richtig menschliche Vorbilder. Sie tranken Pommery und Moet-Chandon (vom Steuergeld) zum Wohle der Behinderten. Und fotografierten Hinterteile zur Unterhaltung.

      • Ja, ich werde demnächst mit einigen Freunden ein paar Bier produzieren 🙂

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