Aufschrei in den Kindergärten:
Die Elementarpädagogik pfeift aus dem letzten Loch. Bereits im Oktober ging das Kindergartenpersonal aufgrund der durch die Pandemie verschärften Arbeitsverhältnisse auf die Straße. Am Dienstag starteten Vertreter einen erneuten Hilferuf.
Wien, 14. Dezember 2021 | Schritt für Schritt schwemmt die Krise einen Systemfehler nach dem anderen an die Oberfläche. Pflege, Schulen und viele andere gesellschaftstragende Berufsbereiche, deren Verhältnisse sich durch die Corona-Maßnahmen nochmal verschärft haben, finden endlich Gehör. Auf die Kindergärten habe man bis jetzt aber vergessen, machten Vertreter der Elementapädagogik am Dienstag in einer Pressekonferenz auf ihre angespannte Lage aufmerksam.
Mehr als die Hälfte psychisch oder körperlich belastet
Ähnlich wie im Pflegebereich fehle es auch in den Kindergärten an Personal. Das war bereits vor Corona so, knapp zwei Jahre nach dem Ausbruch sei man jetzt aber am Limit. “Der Aufwand mit den Maßnahmen ist fast nicht mehr bewältigbar”, so die Chefin der Arbeiterkammer, Renate Anderl. Laut Umfragen würden 90 Prozent des befragten Personals an den stetig steigenden Anforderungen leiden. Sechs von zehn Beschäftigten hätten oft Kreuzschmerzen, Migräne oder seien psychisch belastet.
Das seien “keine Arbeitsbedingungen für Menschen, denen wir unsere Kinder anvertrauen”, appellierte Anderl an die Politik, die Sorgen der Betroffenen endlich ernstzunehmen. Denn der Kindergarten sei keine Aufbewahrungsstätte für Kinder, sondern die erste wichtige Bildungseinrichtung.
“Das geht sich nicht mehr aus für uns!”
Dass der Hut brennt, gab auch Kindergartenleiterin und Betriebsrätin Alexandra Csar der Presse zu verstehen. Die Einrichtungen hätten sich in den letzten Jahren zwar gut entwickelt, trotzdem fehle es an personellen Ressourcen. “Das geht sich nicht mehr aus für uns, die ElementarpädagogInnen müssen seit der Pandemie mit einer Verschärfung und einem Anstieg der Herausforderungen klar kommen”, so die Pädagogin.
Ein Austausch und das Eingehen auf die Kinder sei in der jetzigen Lage immer weniger möglich, das mache auch was mit den Kollegen. Hinzu komme, dass die Bedürfnisse der Eltern steigen und die Kinder auch alltägliche Sorgen und Ängste in den Kindergarten mitnehmen würden. “Unser Personal unterstützt die Kinder auch bei der Aufarbeitung, etwa von Todesfällen in der eigenen Familie.”
Als Anfang Oktober weitere Chats zwischen Sebastian Kurz und Thomas Schmid an die Öffentlichkeit kamen, kippte die Stimmung endgültig. Dass der Ex-Kanzler mit dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium versucht haben soll, dass von Mitterlehner und Kern in die Wege gebrachte Gesetz für die Nachmittagsbetreuung, aufzuhalten, brachte das Fass zum überlaufen. Geschlossen gingen die Beschäftigten daraufhin auf die Straße.
ÖGB warnt vor Kündigungen
Man vergesse auch oft, dass auch hinter jeder einzelnen Pädagogin eine Familie steht. Ängste, das Virus in den Kindergarten zu schleppen, oder von diesem zu den eigenen Verwandten, würden bei 61 Prozent der Befragten ständig präsent sein. Aus gutem Grund: Denn auch während des Lockdowns seien 90 Prozent der Kinder anwesend, bei Infektion meistens asymptomatisch. Auch die Kommunikation mit Maske sei mit den Kleinsten nicht möglich.
Deswegen brauche es eine einheitliche Teststruktur, speziell für die Kindergärten, fordert Korinna Schuman, ÖGB Vizepräsidentin und -Frauenvorsitzende. Infizierte Kinder müssten schneller erkannt werden, zur Sicherheit des Personals, der Kinder und auch der Eltern. “Kindergärten sollen ein sicherer Ort sein. Die Beschäftigten lieben ihren Beruf, aber trotzdem überlegen viele, das Berufsfeld zu verlassen”, warnt Schuman vor einer Kündigungswelle, auch auf viele anstehende Pensionierungen macht sie aufmerksam.
Außerdem bräuchte es eine zusätzliche Milliarde für die österreichische Elementarpädagogik, um auch Ausbildungsoffensiven finanzieren zu können. “Wir wollen, dass der Kindergarten wieder ein Zukunftsbereich wird.”
Anderl: “Kein 2G am Arbeitsplatz”
Am Ende der Pressekonferenz äußerte sich Anderl noch zur geplanten Impfpflicht und deren Auswirkung auf den Arbeitsplatz. Die AK-Chefin erteilte einer 2G-Regel, und somit einer quasi Impfpflicht, am Arbeitsplatz eine Absage. Hier müsse noch einiges geklärt werden in den nächsten Wochen, aber klar sei von ihrer Seite, dass alle Beschäftigten weiterhin Zugang zu ihrem Arbeitsplatz haben sollen.
(mst)
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