Freitag, März 29, 2024

Inflation in Türkei außer Kontrolle

Im Dezember stieg die Inflationsrate in der Türkei sprunghaft auf mehr als 36 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit 20 Jahren. Erdogan, der seit 2019 drei Notenbankchefs gefeuert hat, gerät immer mehr unter Druck.

Ankara, 03. Jänner 2022 | Die Inflation in der Türkei gerät zunehmend außer Kontrolle: Im Dezember sprang die Inflationsrate über die symbolische Marke von 30 Prozent. Mit 36,08 Prozent erreicht man den höchsten Stand seit rund zwei Jahrzehnten, wie das türkische Statistikamt am Montag in Ankara mitteilte.

Anstieg bei Lebensmittelpreisen und Arbeitslosigkeit

Analysten wurden von der Stärke des Preisanstiegs überrascht. Sie hatten zuvor mit gut 27 Prozent gerechnet. Seit dem Sommer hat sich die Rate mehr als verdoppelt. Getrieben wurde der Anstieg der Kosten für die Lebenshaltung zuletzt auch durch höhere Lebensmittelpreise. Allein von November auf Dezember betrug die Teuerungsrate 13,6 Prozent.

Der mit der Inflation einhergehende rasante Kursverfall der türkischen Lira verteuert die Einfuhren von Gütern in das Land. Hinzu kommen vergleichsweise hohe Rohstoffpreise auf dem Weltmarkt. Die Türkei steckt insgesamt in einer wirtschaftlich äußerst schwierigen Lage, die sich etwa in hoher Arbeitslosigkeit niederschlägt.

Geldpolitik wird zur Gefahr für Erdogan

Verschlimmert wird die Lage seit Monaten durch die türkische Zentralbank, die unter dem Druck des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan den Leitzins zuletzt immer weiter senkte. Erst im Dezember setzte sie den Leitzins von 15 auf 14 Prozent herab. Eigentlich stemmen sich Notenbanker mit gegenteiligen Maßnahmen, also höheren Leitzinsen, gegen eine galoppierende Inflation. Im vergangenen Monat wurden überdies Berichte bekannt, wonach Erdogan Strafanzeigen gegen rund 26 Kritiker eingebracht hatte. Grund: Sie seien Überbringer schlechter Nachrichten rund um die umstrittene Geldpolitik.

Seit 2019 hat Erdogan drei Zentralbankpräsidenten rausgeworfen, nach dem letzten Mal im März brach sofort die Währung ein. Ex-Zentralbankchef Naci Agbal hatte den Leitzins zuvor auf 19 Prozent angehoben. Erdogan ist ein Verfechter lockerer Geldpolitik, um leichter an günstigere Kredite zu kommen oder Investitionsanreize zu ermöglichen. Die Maßnahmen wirken sich nun nachweislich negativ auf die gesamtwirtschaftliche Lage aus. Galt Erdogans AKP in den frühen Nullerjahren noch als wirtschaftsnah, siegt nun offenbar die politische Willkür über die eigentlich unabhängige Zentralbank. Am Devisenmarkt geriet die türkische Lira am Montag abermals unter Druck. Im Vergleich zum US-Dollar und dem Euro fiel der Kurs in der Früh um jeweils mehr als zwei Prozent.

AKP nur noch auf Platz 2

Der Präsident gerät jedenfalls auch selbst gehörig unter Druck. Einer Dezember-Umfrage zufolge geben 84,2 Prozent der Türken dem Präsidenten die Schuld an der misslichen Lage. Die sozialdemokratisch-republikanische CHP käme auf 26,4 Prozent und läge auf Platz 1. Erdogans islamisch-konservative AKP käme mit 24 Prozent nur noch auf Platz 2. Bei den letzten Parlamentswahlen 2018 fuhr die AKP mit 42,6 Prozent der Stimmen noch einen fulminanten Sieg ein.

(wb/red)

Titelbild: APA Picturedesk

Redaktion
Redaktion
Die ZackZack Redaktion
LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

13 Kommentare

  1. Die ganze Entwicklung zeichnet sich schon vor zwei Jahren ab. Im Herbst 2019 drohte der türkische Lira bereits der Ausverkauf. Damals hat die EU die Lira gestützt (Quelle, The Wall Street Journal), weil man R. Erdogan für den Flüchtlingsdeal brauchte.
    Wenn bald sämtliche Hedgefonds gegen die türkische Lira wetten, dürfte die Türkei kaum eine Möglichkeit haben, aus dieser Abwärtsspirale wieder rauszukommen. Es sei denn, es kommt erneut ein finanzstarker Ritter wie die EU zu Hilfe.

  2. Wenns den Irren abwählen, lässt der halt für sein Volk schlussendlich dann gegen das Volk die Panzer aufmaschieren

  3. Thjou, mit hochgebildeten und hochindustrialisierten Ostanatolienbewohnern lassen sich halt auf längere Sicht keine Multi-Kriege finanzieren … werden die Russen, mit ähnlicher Struktur, auch wieder lernen müssen, dass das Land für längeres Wettrüsten einfach zu schwach ist …

Kommentarfunktion ist geschlossen.

Jetzt: Polizeiäffäre "Pilnacek"

Denn: ZackZack bist auch DU!