Samstag, Oktober 12, 2024

Einreise-Streit um »Djoker« spitzt sich zu

Proteste in Belgrad und Melbourne

Innerhalb kürzester Zeit wurde die Causa Djokovic zum Politikum. In seiner Heimat Serbien gehen Fans auf die Straße, Medien und Regierung stehen ihrem Nationalhelden tatkräftig zur Seite. Wie tickt der Tennis-Star? Und wie geht es in Melbourne weiter?

Melbourne, 07. Jänner 2022 | Dem offensichtlich ungeimpften Novak Djokovic, der wegen einer fragwürdigen Ausnahmegenehmigung trotzdem bei den am 17. Jänner beginnenden Australian Open hätte starten dürfen, wurde die Einreise nach Australien verwehrt. Die Grenzschutzbehörde brachte ihn in ein Hotel für Ausreisepflichtige. Offizieller Grund: der serbische Tennisstar habe keine geeigneten Beweise zur Erfüllung der Einreisebestimmungen vorgelegt. Sein Visum sei daher storniert worden.

Volksheld und Impfgegner

Sein kritischer Standpunkt zur Impfung, aus der er stets keinen Hehl machte, wird dem Titelverteidiger der Australian Open nun zum Verhängnis. Die aktuelle Causa zeigt einmal mehr, wie der serbische Volksheld, dem auch enge Verbindungen zu serbischen Ultranationalisten nachgesagt werden, tickt.

Ausnahme für Spitzensportler? Mit der Causa Djokovic hat die Impfdebatte endgültig auch die Sportwelt erreicht. (Bild: AFP)

In Tennis-Kreisen ist Djokovics Hang zu Spiritualität und fragwürdigen Theorien schon lange bekannt. In einem Instagram-Talk im Jahr 2020 mit seinem Freund und Ratgeber Chervin Jafarieh sorgte der Tennis-Star bereits für reichlich Verwirrung, als es um das Thema Ernährung ging:

“Ich kenne einige Leute, die durch energetische Transformationen, durch die Kraft von Gebeten, durch die Kraft von Dankbarkeit, das giftigste Essen oder vielleicht das giftigste Wasser in das Wasser mit der größten Heilkraft verwandelt haben. Wissenschaftler haben bewiesen, dass die Moleküle im Wasser auf unsere Emotionen, auf das, was gesagt wurde, reagieren.“

Der „Djoker“, wie er gerne genannt wird, ist ein Verfechter der Philosophie der Unantastbarkeit der Natürlichkeit des eigenen Körpers. Kein Wunder, dass Djokovic der Corona-Impfung daher nicht viel abgewinnen kann. “Ich persönlich bin gegen Impfungen. Ich möchte nicht, dass mich jemand zwingt, einen Impfstoff einzunehmen, um reisen zu können”, meinte Djokovic damals auf Facebook.

Vucic: „Ganz Serbien steht hinter ihm“

In seiner Heimat Serbien gehen derweil die Wogen hoch. Der serbische Präsident Aleksandar Vucic bekräftigte Donnerstagnachts, dass „ganz Serbien hinter ihm“ stehe: „Unsere Behörden werden alle Maßnahmen ergreifen, um die Schikanierung des besten Tennisspielers der Welt binnen kürzester Zeit zu beenden.“

Serbiens Premierministerin Ana Brnabic ortet gar politische Gründe hinter der Causa. Djokovic wäre nicht der einzige Australian Open-Teilnehmer, für den Ausnahmen von der Pflicht zur Vorlage eines Impfzertifikats gelten würden. Doch nur ihm habe man die Einreise verwehrt. „Wir werden unser Bestes tun, um sicherzustellen, dass Novak zu seinem Recht kommt und gleichbehandelt wird.“
Fakt ist, das tatsächlich 26 weitere Spieler um eine solche Ausnahme angesucht haben, einer Handvoll davon wurde sie genehmigt. Die Anträge seien alle gleich behandelt worden.

Auch viele regierungsnahe Medien stehen hinter Djokovic. „Das ist der größte Sportskandal aller Zeiten“, titelte etwa das Boulevardblatt „Kurir“ am Donnerstag.

Protestierende Fans vor dem Hotel in Melbourne, in dem der “Djoker” untergebracht ist (Bild: AFP)

Proteste in Belgrad, Djokovics Vater auf 180

Einen Schritt weiter geht Djokovics Vater Srdjan. Er rief in Serbien zu Protesten auf und ließ zudem mit fragwürdigen Vergleichen aufhorchen. “Jesus wurde gekreuzigt, ihm wurde alles angetan, und er ertrug es und lebt immer noch unter uns”, sagte er am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Belgrad. “Jetzt versuchen sie Novak auf die gleiche Weise zu kreuzigen und ihm alles anzutun.”

Srdjan Djokovic spricht zu Protest-Teilnehmern in Belgrad, Hunderte folgten seinem Aufruf (Bild: AFP)

In einem Interview mit dem serbischen Revolverblatt „Informer“ stilisiert er den Fall zu einem Kampf zwischen Arm und Reich hoch: „Mein Sohn ist heute Nacht in australischer Gefangenschaft, aber er war noch nie freier. Von diesem Moment an wurde Novak zum Symbol und Führer der freien Welt, der Welt der armen und unterdrückten Länder und Völker.“

„Novak gegen den Rest der Welt“, war auch auf vielen T-Shirts und Transparenten von Fans zu lesen, die den Protestaufrufen in Belgrad gefolgt sind. Zahlreiche Teilnehmer schwenkten serbische Flaggen. Auch Banner-Schriftzüge wie „Sie haben Angst vor dem Besten, stoppt den Corona-Faschismus“, waren zu lesen.

Australien weist Anschuldigungen zurück

Australien zeigt sich davon wenig beeindruckt. Die Anschuldigungen wies die Innenministerin Karen Andrews zurück. “Herr Djokovic wird nicht in Australien gefangen gehalten, er kann jederzeit gehen und der Grenzschutz wäre dabei behilflich”, so Andrews gegenüber dem Sender ABC.

Er habe es versäumt, die richtigen Informationen für seine Einreise bereitzustellen. “Sie werden von jedem verlangt, der in das Land einreist. Wenn diese Informationen nicht bereitgestellt werden können, sind die Einreisebestimmungen für Australien nicht erfüllt”, sagte Andrews. Zudem gebe es Ermittlungen gegen zwei weitere Spieler, die ebenfalls wegen des Tennisturniers angereist seien. Namen wurden dabei nicht genannt.

Becker: “Djokovic macht Fehler”

Außerhalb Serbiens hält sich das Mitleid für den 20-fachen Grand-Slam-Gewinner, ausgenommen der Impf- und Maßnahmengegner, in Grenzen. Auch aus der Tenniswelt erntet der Serbe Kritik. Djokovics ehemaliger Trainer Boris Becker etwa hat kein Verständnis für sein Verhalten. “Ich glaube, er macht einen großen Fehler, sich nicht impfen zu lassen”, schrieb Becker in einem Gastbeitrag für die britische Daily Mail. Dieser Fehler bedrohe das, was von seiner Karriere und der Chance, sich selbst als besten Spieler der Geschichte zu verewigen, bleibe. Djokovic braucht nur noch einen Grand-Slam-Sieg, um an Rafael Nadal und Roger Federer (beide Spieler halten derzeit ebenfalls bei 20 Grand-Slam-Siegen) vorbeizuziehen.

Wie geht’s weiter?

Die Anwälte von Djokovic legten Einspruch gegen die Abschiebung des Serben ein. Wie „The Sydney Morning Herald“ berichtet, konnten die Anwälte Djokovics eine einstweilige Verfügung erwirken, dass der Tennis-Star bis Montag in Melbourne bleiben darf. Erst dann wird über das weitere Vorgehen vor Gericht entschieden.

Djokovics Unterkunft in Melbourne (Bild: AFP)

Djokovic ist bis dahin im „Park Hotel“ im Melbourner Stadtteil Carlton untergebracht. Dabei handelt es sich um ein Hotel für Ausreisepflichtige, alles andere als eine Luxus-Herberge. Erst vor Kurzem berichtete das australische Medium „SBS News“ über die Zustände dort. Bilder von Maden in einer Schüssel mit Huhn und Gemüse sowie von verschimmelten Brotstücken, die dort offenbar serviert wurden, sorgten für Empörung auf Social Media.

(mst)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Markus Steurer

    Hat eine Leidenschaft für Reportagen. Mit der Kamera ist er meistens dort, wo die spannendsten Geschichten geschrieben werden – draußen bei den Menschen.

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