Präsident erteilt Schießbefehl
Seit Beginn des Jahres geht die kasachische Bevölkerung auf die Straßen, um gegen den Anstieg der Flüssiggaspreise zu demonstrieren. Diese Demonstrationen sind mittlerweile so stark ausgeartet, dass sie durch gewaltvolles Einschreiten und mithilfe russischer Intervention „niedergeschlagen“ werden mussten.
Wien, 7. Jänner 2022 | Kasachstan startete in das neue Jahr mit starken Turbulenzen. Der Anstieg der Treibstoffpreise veranlasste die Bevölkerung ihren Unmut über die Regierung, der sich über mehrere Jahre aufgestaut hat, zu äußern. Was zunächst als kleine Kundgebung im Zentrum der westlichen Region Mangystau begann, artete innerhalb von Tagen zu landesweiten Massenprotesten mit gewaltvollem Polizeieinsatz aus.
Diese führten dazu, dass die Regierung den Ausnahmezustand ausrufen musste und schlussendlich zurücktrat. Damit hatte es sich jedoch nicht getan, die Proteste hielten an und wurden immer gewaltvoller. Die Preise wurden daraufhin für den Verbraucher zwar gesenkt, aber die Kritik der Bevölkerung gilt mittlerweile nicht nur den Gaspreisen. Jahrelange Misswirtschaft und korrupte Politiker ermöglichen es dem Land trotz seines Reichtums an Bodenschätzen nicht zu prosperieren.
Hartes Vorgehen
Mithilfe von Blendgranaten und Tränengas versuchten die Sicherheitskräfte durchzugreifen. Die Demonstranten stürmten die Residenz des Präsidenten Kassim-Zhomart Tokajew. Es kam zu unzähligen Festnahmen, zahlreichen Verletzten und Dutzenden Toten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren in den Fällen von Massenunruhen und Terrorakten eingeleitet – den Tätern droht eine lebenslange Haftstrafe. In den sozialen Medien kursierten Videos von brennenden Autos und Gebäuden. Ein Überblick über die Zustände wurde jedoch durch wiederholtes Ausschalten des Internets erschwert. Aus dem Ausland hatte man zeitweise keinen Zugriff auf kasachische Internetseiten. Auch der Flughafen, der mittlerweile zwar als „wieder unter Kontrolle gebracht“ gilt, war vorübergehend von Demonstranten besetzt.
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— Abdujalil A (@abdujalil) January 5, 2022
Am Freitagvormittag hat Tokajew dem Militär einen Schießbefehl ohne Vorwarnung gegen „militante Demonstranten“ erteilt. Dabei wurde zuvor verkündet, dass die Proteste niedergeschlagen worden seien.
Rolle Russlands
Am Mittwoch wandte sich Tokajew an das russisch-geführte Militärbündnis OVKS (Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit) und binnen Stunden trafen die ersten Einheiten aus 2.500 Soldaten inklusiver Fallschirmjäger aus Russland ein. Die Truppen sollen für die Stabilisierung des Landes sorgen. Dieser Schritt wurde international als Zeichen der Schwäche gesehen und die Sorge, dass die Truppen langfristig bleiben könnten, wird immer größer.
Für Russland ist das Ex-Sowjetland ein wichtiger, strategischer Komplize, der zwar von Russland unabhängig ist, aber unter großem Einfluss des Kreml steht. Bereits Mitte vergangenen Jahres kam es zu Spannungen zwischen den zwei Staaten. Als die kasachischen Behörden begonnen haben, Straßenschilder auf kasachischer, statt auf russischer Sprache aufzustellen wurde das aus Moskau scharf kritisiert. Man sah das als eine Abkehr von Russland und befürchtete die selbe Entwicklung wie in der Ukraine. Bei der alljährlichen Pressekonferenz Wladimir Putins sprach er den kasachischen Behörden Dankbarkeit für die „Wahrung der russischen Sprache“ aus und betonte: „Kasachstan ist ein russisch-sprachiges Land im wahrsten Sinne des Wortes!“
(nb)
Titelbild: APA Picturedesk