Donnerstag, März 28, 2024

Erste Anklage in Wirecard-Affäre

Ein vormaliger Geschäftspartner des flüchtigen Wirecard-Managers Jan Marsalek ist der erste Angeklagte in der Wirecard-Affäre. Es geht um mutmaßliche abgesaugte Wirecard-Millionen, Betrug und Geldwäsche.

München, 13. Jänner 2022 | Der Münchner Unternehmer V. ist von der Staatsanwaltschaft München I angeklagt worden. Zusammen mit dem ehemaligen Wirecard-Vorstand Jan Marsalek leitete er die Beteiligungsgesellschaft IMS Capital, deren Sitz in einer noblen Villa Schauplatz dubioser Machenschaften war.

Mehr als 22 Mio. veruntreut?

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft: vorsätzliche Geldwäsche, besonders schwerer Betrug und Verletzung der Buchführungspflicht. Mehr als 22 Millionen Euro sollen veruntreut, „die inkriminierte Herkunft des Vermögens aus der Wirecard-Gruppe anhand eines installierten Geldwäschesystems planvoll“ verschleiert worden sein. Dabei soll die IMS Capital als scheinbarer Startup-Investor fungiert haben. Mittels solcher Investitionen habe man Geld gewaschen. In der Villa dieses Schein-Inkubators gingen Geheimdienstler ein und aus, Marsalek war in den letzten Jahren seiner Wirecard-Zeit fast nur noch dort zugegen. Ex-BVT-Mann W. soll dort sogar ein Büro gehabt haben.

Nach dem Zusammenbruch von Wirecard tauchte Marsalek unter, sein Partner V. blieb. Wie aus dem Buch des „Handelsblatt“-Journalisten Felix Holtermann „Geniale Betrüger“ hervorgeht, hatten die beiden auch nach der Fluchtaktion von Marsalek Kontakt via Messengerdienst Telegram. Weil V. nicht auf Marsaleks Forderung einging, gewisse Beträge zu verschieben, versiegte der Kontakt offenbar. Jetzt ist der Österreicher einer der meistgesuchten Menschen der Welt – und V. bald auf der Anklagebank.

Braun-Anklage wahrscheinlich

Nach V. dürften weitere Protagonisten des wohl größten Betrugsskandals der Nachkriegsgeschichte angeklagt werden. Es wird davon ausgegangen, dass etwa im März Anklage gegen den Ex-CEO des Konzerns Markus Braun erhoben wird. Braun war neben Marsalek und Susanne Steidl einer von drei Österreichern an der Spitze des lange gefeierten Konzerns. Wirecard führte Zahlungsdienstleistungen für Unternehmen durch, entpuppte sich aber als Betrugsmaschine und Geldwäschekonstrukt. Beim ÖVP-Großspender wurde zuletzt eine U-Haftprüfung durchgeführt. Ergebnis: Braun muss weiterhin einsitzen. Er hatte zuvor mit einer PR-Kampagne versucht, Marsalek als Einzeltäter zu inszenieren. Braun sieht sich als Opfer des flüchtigen Ex-Kollegen. Die Staatsanwaltschaft glaubt dieser Geschichte nicht und wirft Braun unter anderem gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Marktmanipulation und Untreue vor. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Derweil wird Marsalek von manchen in Russland vermutet. Allerdings basiert diese These auf reinen Geheimdienstbehauptungen. Andere Experten gehen vielmehr davon aus, dass sich Marsalek in Dubai aufhält. Das Emirat liefert in der Regel nicht an andere Staaten aus. Außerdem bietet das sonnige Scheich-Land standesgemäßes Ambiente für den großspurigen und luxusliebenden Marsalek. Dass es sich dort gut leben lässt, sehen jedenfalls etliche Akteure, mit denen Marsalek zu tun hatte, so. Neben Ex-BVT-Mann Martin W. – er war einer der Fluchthelfer Marsaleks – halten sich allem Anschein nach auch Geschäftspartner und Detektive aus dem Wirecard-Dunstkreis im Emirat auf. Sicher ist in diesem Krimi allerdings erstmal nur die Anklage gegen V. Auch für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

(wb)

Titelbild: Wikimedia Commons, Leo Molatore.

Ben Weiser
Ben Weiser
Ist Investigativreporter und leitet die Redaktion. Recherche-Leitsatz: „Follow the money“. @BenWeiser4
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7 Kommentare

  1. Erste Anklage in der Wirecard Affäre…..das ging ja schnell…..ah so, Staatsanwaltschaft München..

  2. „Die schlechteste Charaktereigenschaft eines Menschen ist die natürliche Untreue. Dagegen helfen alle sonstigen sogenannten guten Eigenschaften nichts. Sie machen ihn nur gefährlicher.“
    ―Carl Hilty

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