Freitag, April 19, 2024

Infiltrierte Jan Marsalek das Innenministerium?

Ein Geheimpapier aus Berlin bereitet Sorge für Österreichs Sicherheit: Der flüchtige Wirceard-Manager Jan Marsalek könnte jahrelang Zugang zu geheimen Informationen aus dem Innenministerium gehabt haben.

Wien, 14. Jänner 2022 | Das österreichische Innenministerium (BMI) könnte in einem bislang unbekannten Ausmaß von Jan Marsalek infiltriert worden sein. Der Verdacht: Über Jahre hinweg war das BMI offen wie ein Scheunentor, Ermittlungsschritte könnten von außen überwacht worden sein.

Das ergeben neue Erkenntnisse in Verbindung mit einem Geheimpapier aus Berlin, das ZackZack vorliegt. Es handelt sich um den vertraulichen Bericht des Ermittlungsbeauftragten des Deutschen Bundestags. Demnach stellte Wirecard verdeckten Ermittlern der deutschen Behörden Kreditkarten für Tarnidentitäten zur Verfügung.

Der geheime Bericht an den deutschen Bundestag. Faksimile ZackZack.

Auch in Österreich wickelte Wirecard Kreditkartenzahlungen für das BMI ab, wie parlamentarische Anfragen von NEOS und FPÖ herausfanden. Im Fokus der Oppositionsparteien standen Vergaben des Ministeriums an Wirecard bzw. deren Tochterunternehmen. Ab 2004, also rund 16 Jahre lang, bezog das BMI diverse Dienstleistungen des mittlerweile insolventen Münchner Konzerns.

Marsalek holte sich widerrechtlich Kundendaten

Brisant sind nicht die jährlichen Kosten für das BMI, denn die hielten sich im niedrigen vierstelligen Bereich. Es geht eher um den Service, den Wirecard bereitstellte. Demzufolge wurden vom BMI eine Zahlungssoftware sowie Kreditkartendienste genutzt, etwa für Projekte in den Bereichen Strafregisterauszüge oder Meldedaten. In der Herrengasse wog man sich offenbar in Sicherheit, galt Wirecard doch lange als Premiumanbieter. Das Versprechen: Innovative und sichere Transaktionen. Wie man jetzt weiß, war Wirecard alles, nur nicht sicher.

Laut Aussage von Wirecard-Vorständin Susanne Steidl bei der Staatsanwaltschaft München besorgte sich Marsalek einen „kompletten Jahresdatensatz der Wirecard-Geschäftspartner“, also auch des österreichischen Innenministeriums. Als Grund gab Marsalek an, dass der deutsche Nachrichtendienst BND die Daten haben wolle. Dass Wirecard seine Kundendaten an den Geheimdienst übermitteln wollte, wäre schon schlimm genug. Doch Untersuchungen zufolge hat der BND die Daten „nachprüfbar nicht erhalten“. Der Ermittlungsbeauftragte wirft die Frage auf, wer die Daten dann erhielt.

Es ist also völlig unklar, was Marsalek mit den Informationen über das Innenministerium tat.

Kreditkarten für Tarn-Identitäten auch in Wien?

Der Schaden für Österreichs Sicherheit könnte indes noch viel größer gewesen sein. In Deutschland nutzten BND und Bundeskriminalamt (BKA) Kreditkarten von Wirecard. Während diesbezügliche BND-Unterlagen „wegen des Methodenschutzes“ als geheim eingestuft wurden, räumte das BKA ein, die Karten für Tarn-Identitäten eingesetzt zu haben. Ziel sei es ursprünglich gewesen, Cyberkriminalität aufzudecken. Im Nachhinein betrachtet, habe man aber „den Bock zum Gärtner“ gemacht, heißt es im Geheimpapier von Wieland.

Angesichts der engen Zusammenarbeit zwischen deutschem BKA und Wirecard werde verständlich, weshalb Wirecard-CFO Alexander von Knoop laut „Süddeutsche Zeitung“ vom 05. Februar 2021 gemailt haben soll: „Super-vielen Dank! Wir werden noch zur BKA-Hausbank“.

Die Operation der deutschen Ermittler. Gab es Ähnliches in Österreich? Faksimile ZackZack.

Zugang zu den Kreditkarten- und Zahlungsdaten bedeutet, dass Marsalek die Tarnidentitäten der Ermittler kannte und zumindest die Möglichkeit hatte, Zahlungen nachzuverfolgen. Was, wenn der flüchtige Österreicher auch hierzulande mit den Ermittlern des BMI shoppen ging? Das will das Haus auf Nachfrage nicht beantworten. Auch nicht, ob der Verfassungsschutz (BVT) wie die deutschen Behörden Wirecard-Kreditkarten für verdeckte Ermittler nutzte. Die Fragen würden „zum Teil behördeninterne Vorgänge oder Ermittlungen betreffen“, so ein Sprecher des BMI. Auch seien bereits zahlreiche Fragen zu dem Thema im Rahmen parlamentarischer Anfragen beantwortet worden.

Genutzt wurden vom BMI Zahlungsdienstleistungen „unter Einbeziehung der Kreditkartenmarken Visa/MasterCard, Diners Club, American Express und JCB“ sowie „der Bank Austria Creditanstalt AG, Bank für Arbeit und Wirtschaft AG, Österreichischen Sparkassenverband und der Raiffeisen Bankgruppe“, wie Innenminister Karner (ÖVP) in der Antwort auf die NEOS-Anfrage betont. Die gewählt technische Sprache wirkt, als hätte sich Karner Mühe gegeben, die Sprengkraft der Kooperation zu überdecken. Seine Antworten an NEOS (fragte nach Wirecard AG) und FPÖ (fragte nach Tochterunternehmen) sind teilweise wortident, weichen aber in manchen Punkten voneinander ab – obwohl es offensichtlich um dieselben Dienstleistungen geht.

Eineinhalb Jahre nach dem Zusammenbruch des Wirecard-Konzerns gibt es nun die erste Anklage im Komplex (ZackZack berichtete). Es wird wohl nicht die letzte gewesen sein, bei Ex-CEO und ÖVP-Großspender Markus Braun wird ebenfalls damit gerechnet. Derweil ist das Vertragsverhältnis des BMI mit dem Nachfolger der Konzerntochter Wirecard CEE weiterhin aufrecht, wie Karner zugab.

(wb)

Titelbild: APA Picturedesk

Ben Weiser
Ben Weiser
Ist Investigativreporter und leitet die Redaktion. Recherche-Leitsatz: „Follow the money“. @BenWeiser4
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16 Kommentare

  1. ma, warum wohl? Dass der DabeiVdB und die DabeiInnen mit solch “honorigen” Herrschaften können, ist traurige Realität und wirft ein bezeichnendes Licht auf deren verachtungswürdigen politischen Taktieren. Damit das System ungestört weitergehen kann, hat sich Soberl auch schon für eine Wiederwahl ihres braven Soldaten VdB stark gemacht-wenn das keine Empfehlung ist…
    Gute Nacht Österreich!

  2. Schlüsselfiguren für den Umbau des IM zu einem Privatspitzelverein für die ÖVPNÖ waren 2000 Strasser (Onkel Erwins Ziehsohn) und Kloibmüller, mit tatkräftiger Unterstützung von Karner (aktueller IM) und anderen devoten Parteisoldaten in seinem Kabinett. Nach dem gescheiterten Putschversuch von Strasser Dr.Lüssel zu beerben, wurde er von diesem aus der Regierung geworfen. Onkel Erwin hat ihn dann in Brüssel untergebracht, wo er sich in weiterer Folge politisch selbst in die Luft sprengte. Dann kam die Abrissbirne Soberl als IM, der schon auf vorhandene korrupte (nur mehr mit tiefschwarzen Familienmitgliedern besetzte) Strukturen zurückgreifen konnte. Jener Soberl, der sich an Marsalek erst erinnerte, als ihm Fotos von (mehreren) “Geschäftsessen” in Russland mit M. vorgelegt wurden. In diesem Ministerium war alles möglich und wurde (und wird) so ziemlich jedes Gesetz verletzt, dass im StGB angeführt ist. Kloibmüller, Sobotka, Karner, etc…sind aber dubioserweise für die Justiz kein The

    • Sehr spannend. Haben Sie Quellen dafür, dass Strasser die Position von Schüssel einnehmen wollte? Das lese ich zum ersten Mal.

      • Lieber TaurusParvus, u.a. im Standard subtil thematisiert. (der Standard vom 17.12.2004). Strasser war der intellektuell minderbemittelte Ziehsohn vom Onkel Erwin aus NÖ. Schüssel (zumindest so korrupt wie Pröll) war ein innerparteilicher Todfeind von Selbigem, daher hetzte Onkel Erwin Strasser auf den damaligen BK, um ihn zu beerben. Der Rest ist Geschichte…
        Es muss heller werden Österreich!

  3. Toll dass es noch immer das Amtsgeheimnis gibt.
    Auch Staatsanwälte waren offensichtlich eng mit privaten Unternehmen verpflichtet und hätten dort wohl jederzeit Unterschlupf finden können, wenn etwas schiefgegangen wäre?
    Da lob ich mir den Herrn Sackmann, welcher sogar auf die andere Seite wechselte, wohl weil er diese Zustände dort nicht mehr ausgehalten hat?

  4. Das wird wie beim Terroranschlag sein, trotz hinweise wird es einfach ignoriert….
    Er war auch direkt mit Kurz über seine “Denkfabrik” verbunden….
    Da wird die Justiz kaum ermitteln….das nächste was daschlong werden muss….

  5. Wenn man sich diese Zustände vor Augen führt, dann dazu denkt, wie Kurz sein privates ungesichertes Telefon zum Telefonieren mit den Staatschefs nutzte und jetzt bei Thiel anheuert, der mit den Nachrichtendiensten zusammenarbeitet, wird einem recht mulmig.

  6. Wir haben keine Ahnung, was wirklich im Hintergrund passiert ist, diese Affäre hat den gleichen Beigeschmack wie der jüngste Schweizer Krypto Ag Skandal.

  7. Mit den sicher nicht wenigen Leuten, die da mit im Boot sitzen, wird es eher mit den Geschäften von Wirecard bzw. deren Tochtergesellschaft noch lange gut gehen
    Oder glaubt jemand, daß der Sobotka nur zufällig neben Marsalek beim Staatsbankett in Moskau sitzt? Selbst wenn er den Marsalek wirklich nicht gekannt hätte – da saßen noch ganz andere Leute mit am Tisch in Moskau. Und weil die Unschuldsvermutung gilt, gehe ich davon aus, daß der Parlamentspräsident nur sich selber auf den Fotos erkennen tät.

  8. Da darf man sich nicht wundern. Auf der einen Seite gibt es einen “prominenten Bundesheer-Offizier und Sicherheitsberater Gerald K. Auf der anderen Seite gibt es einen ehemalingen (oder noch) BVT Beamten Hubert B.
    Man kann alles nachlesen unter “SPIONAGE (4): AGENTEN-KRIMI UM ÖLFIRMA: DIE JUSTIZ ERMITTELT GEGEN DEN BRIGADIER” —–oder “SPIONAGE (1): DIE ÖSTERREICH-CONNECTION DER NACHRICHTENHÄNDLERIN Christina Wilkening” wo dieser BVT Beamte Hubert B. vorkommt.
    Wenn man das alles gelesen hat, dann wundert einen nichts mehr. Natürlich wird nur wenig ermittelt, damit diese Herrn nicht plaudern.

    • Man kann zwar alles lesen, aber Konsequenzen gibt es noch immer keine.
      Ob die gewöhnlichen Bürger, welche meist über dien Mainstreammedien informiert werden, auch davon wissen?

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