Günstig, wirksam und leicht herstellbar
Indien hat mit der Produktion eines neuen Coronavirus-Impfstoffs begonnen. Er soll die Impfquote ärmerer Länder erhöhen.
Wien, 18. Jänner 2022 | Knapp die Hälfte der Weltbevölkerung ist aktuell vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Weniger wohlhabende Länder haben immer noch viel zu wenig Impfdosen zur Verfügung. Unter anderem daran schuld: Die Patente auf die Impfstoffe erlauben keine günstigeren Nachbauten. Das könnte sich jetzt ändern.
Denn ein Forschungsteam des Texas Children’s Hospital Center for Vaccine Development hat in Zusammenarbeit mit dem indischen Impfstoffhersteller Biological E. Limited einen neuen proteinbasierten Impfstoff entwickelt – und zwar ganz bewusst ohne Patent, um weniger wohlhabenden Ländern die Produktion des Impfstoffs zu ermöglichen.
Sichere Impfung: Notfallzulassung in Indien
Kurz vor dem Jahreswechsel ging es dann schnell: Indien ließ den neuen Impfstoff als erstes Land per Notfallzulassung zu. Bei „Corbevax“ handelt es sich um einen proteinbasierten Impfstoff, umgangssprachlich oft als „Totimpfstoff“ bezeichnet.
Laut den Angaben der Hersteller ist der neue Impfstoff sicher und wirksam. Er ging durch zwei Phase 3-Abschnitte einer klinischen Studie am Center for Vaccine Development. In Indien nahmen mehr als 3.000 Personen zwischen 18 und 80 Jahren an der Studie teil. Die Daten wurden bisher aber noch nicht veröffentlicht.
Bewährte Methode macht schnelle Produktion möglich
Laut den Entwicklern ist Corbevax wirksamer als AstraZeneca, zumindest wenn es um die Wuhan-Variante (90-prozentige Schutzwirkung) und die Delta-Variante (80-prozentige-Schutzwirkung) geht. Die Wirksamkeit gegen Omikron wird momentan getestet. Die Impfung dürfte auch langsamer an Wirkung verlieren. Während bisherige Impfstoffe nach wenigen Monaten um bis zu 80 Prozent weniger wirksam sein können, sollen es bei Corbevax nur 30 Prozent weniger sein.
Und der proteinbasierte Impfstoff hat gegenüber anderen weitere erhebliche Vorteile: so muss er etwa nicht tiefgekühlt gelagert werden und er ist billig in der Herstellung, die in kurzer Zeit die Produktion sehr großer Mengen ermöglicht. Ab Februar will Biological E. Limited mindesten 75 Millionen Dosen pro Monat produzieren. Zusätzlich will das Unternehmen weltweit mehr als eine Milliarde Dosen liefern. Impfstoffhersteller in anderen Ländern wie Botswana, Indonesien und Bangladesch haben die Rezeptur bereits erhalten.
Schwerer finanzierbar als mit Patent
Zu „orf.at“ sagte Virologe Florian Krammer, der selbst an der Entwicklung eines patentfreien Impfstoffes beteiligt ist, dass es viel länger dauere, diese günstigeren Impfstoffe zu entwickeln, weil viel weniger Geld dafür zur Verfügung stünde und weniger politischer Wille da sei. Die Entwicklung des neuen Impfstoffs „Corbevax“ finanzierte das Forschungsteam über private Spenden. In einem Artikel des „Guardian“ kritisieren die Entwickler, dass sie keine Regierungsförderungen bekommen haben. Sie seien auf die privaten Spenden angewiesen gewesen, um den Impfstoff fertigzustellen.
In einer Presseaussendung prangert die globalisierungs-kritische NGO “attac” an, dass „die Pharmaindustrie ihre durch Steuergeld finanzierten Impfstoffe und Medikamente weiterhin zu überteuerten Preisen an die meistbietenden Staaten verkauft.“ Attac Österreich fordert Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck auf, die Patentfreigabe in den EU-Gremien nicht länger zu blockieren.
(sm)
Titelbild: Texas Children’s Hospital