Benko und die »roten Netzwerke«
Wie der Schelm denkt, so ist er. ÖVP-Netzwerke in der Justiz halten Freunden den Rücken frei – dieses System hat nicht Sebastian Kurz erfunden. Es ist in der Volkspartei endemisch.
Thomas Walach
Wien, 19. Jänner 2022 | Vor zwei Jahren lud Sebastian Kurz Journalisten zum Hintergrundgespräch. Da erzählte er, die Justiz wäre von „roten Netzwerken“ durchsetzt. „Absurd“ fand der erste Leiter der WKStA Walter Geyer – ein Grüner – diese Vorstellung. Nicht lang darauf berief Kurz ein weiteres Hintergrundgespräch ein, um die Recherchen von ZackZack als „Dirty Campaigning“ darzustellen.
Wie der Schelm denkt, so ist er. Die BMI-Chats zeigen: Es war die ÖVP, die von Justizminister Wolfgang Brandstetter abwärts dafür sorgte, dass Schlüsselstellen in der Justiz mit Vertrauensleuten besetzt wurden. Höchstrichterin Eva Marek stellte sich zur Verfügung, um nicht steuerbare Kandidatinnen zu verhindern.
Der Fall Lech
Warum das wichtig war und ist? Ein Beispiel: Eben jene Eva Marek erteilte 2016 als Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft den Ermittlern der WKStA die Weisung, ein Bombenverfahren gegen René Benko einzustellen.
Was war passiert? 2011 will Benko in Lech am Arlberg ein Luxushotel errichten. Doch für die Immobilie, die er im Auge hat, hält die Gemeinde Lech ein Vorkaufsrecht. Bei einer Besprechung macht der Gemeindesekretär einen Aktenvermerk. Er notiert, dass es Benko “wichtig wäre und auch etwas wert ist, relativ schnell zu einem Projekt zu gelangen.” Benko bietet den Gemeindepolitikern eine halbe Million Euro, wenn die auf das Vorkaufsrecht verzichten und seine geplanten Projekte „im Rahmen einer zeitlich vernünftigen Abwicklung der Genehmigungsverfahren“ absegnen.
Für die WKStA ein klarer Fall von Bestechung. Doch die Oberstaatsanwaltschaft unter Marek erschlägt das Verfahren. Sie weist die WKStA an, die Sache einzustellen. Bei Benkos Angebot gebe es einen „breiten Interpretationsspielraum“. Dass Benko wegen Bestechung vorbestraft ist, wird nicht einmal erwähnt.
Marek, Expertin für Amtsmissbrauch und Korruption
Dass ausgerechnet Marek das juristische Standardwerk zu „Amtsmissbrauch und Korruption“ verfasst hat, gerät angesichts der Enthüllungen über Postenschacher und möglichen Amtsmissbrauch bei der Besetzung von zentralen Schaltstellen der Justiz zum Treppenwitz. Wird je wieder ein Jurist Mareks Handbuch aufschlagen können, ohne an deren praktische Erfahrung zu denken? Wie will Marek künftig als Höchstrichterin Recht sprechen?
Detail am Rande: Kürzlich durchsuchten Ermittler der WKStA die Privatwohnung jener Finanzamtsleiterin, die im Auftrag einer ÖVP-Seilschaft im Finanzministerium die Steuersache Sigi Wolf wunschgemäß erledigt hatte. Im Abstellkammerl fanden sie nicht nur Wolfs Steuerakten, sondern auch das Marek-Handbuch mit passenden Markierungen und Glossen.
Dass die „Presse“ Marek in einem ausführlichen Interview erklären ließ, sie hätte „keine Nähe zur ÖVP oder einer anderen Partei“, komplettiert das Bild.
Die ÖVP ist so
Das ist der Zustand der Republik: Ein Minister und eine Höchstrichterin packeln, um unabhängige Juristinnen von wichtigen Stellen der Justiz fernzuhalten. Verfahren gegen ÖVP-Freunde werden erschlagen. Normalbürger werden von der Finanz auf Herz und Nieren geprüft, der „Familie“ werden Millionen geschenkt. Und die ganze Zeit über wirft die ÖVP ihren eigenen Schmutz auf andere und schreit „Haltet den Dieb!“
„Ich habe das System nicht erfunden“, sagte Sebastian Kurz. Stimmt. Die ÖVP ist einfach so. Sie war vor Kurz so, sie bleibt nach ihm so. Die WKStA ermittelt gegen die Partei wegen Korruptionsverdachts (es gilt die Unschuldsvermutung). Der neue ÖVP-Ausschuss wird die politische Dimension des schwarzen Filzes entwirren. Zum Besten des Landes und der ÖVP selbst muss diese Partei im Macht- und Korruptionsrausch nach 30 Jahren an der Macht dringend in Opposition. Oder sich auflösen.
Titelbild: APA Picturedesk