Freitag, April 19, 2024

»Baguette-Krieg« in Frankreich

Kulturgut oder Grundprodukt? In Frankreich ist ein Riesenstreit um das beliebteste Brot des Landes entbrannt. Eine große Supermarktkette senkte die Preise aufgrund der wirtschaftlichen Lage.

Paris, 24. Jänner 2022 | „Baguette-Krieg“, so nennen die Medien den Streit, der gerade in Frankreich tobt. Dabei geht es um die Frage: Was ist Frankreichs beliebtestes Brot eigentlich noch „wert“? Begonnen hat alles vor gut einer Woche, als die große Supermarktkette Leclerc eine Senkung des Preises für ein Baguette ankündigte: auf 29 Cent.

Kulturgut oder Grundprodukt?

Dabei ist das Baguette für die Franzosen nicht bloß ein Stück Brot, sondern eine Säule der Kultur und das meistgegessene Brot im Land. Gerade am Wochenende stehen die Menschen vor etlichen Bäckereien Schlange, um mit einem Baguette unter dem Arm nach Hause zu gehen.

Um die Kaufkraft der Franzosen in einer schwierigen Lage zu schützen, werde der Preis für vier Monate gesenkt, kündigte Lecrerc in großen Zeitungsanzeigen an. “Das helle Baguette ist ein Grundprodukt für Hunderttausende französische Familien, die beim Einkauf auf jeden Euro achten müssen”, argumentierte Firmenchef Michel-Edouard Leclerc.

Problem: Steigende Mehl- und Energiekosten

Prompt liefen Landwirte und die Backbranche Sturm gegen den Preis, mit dem Leclerc angesichts momentan steigender Kosten (etwa für Mehl) nach ihrer Kalkulation kein Geld verdienen könne. Lebensmittel würden verramscht und handwerklich hochwertige Produkte entwertet, lautete der Vorwurf.

“Während das Know-how und die Qualität des französischen Baguettes von der UNESCO anerkannt werden, werden die hervorragenden Leistungen der Landwirte, Getreideerzeuger, Müller und Bäcker, um die uns die Welt beneidet, verschleudert”, wetterte der Agrarverband FNSEA. Statistisch sei der Durchschnittspreis für ein Baguette 2021 bei 90 Cent gelegen, neben den Mehlpreisen stiegen derzeit auch Energie- und Lohnkosten.

Regierung setzt auf Wahlfreiheit

So hoch schwappten die Wellen in der Baguette-Preis-Diskussion, dass sich sogar Wirtschaftsminister Bruno Le Maire zu Wort meldete. In einem Interview verteidigte er die Wahlfreiheit der Konsumenten. Wem es um ein hochwertiges Baguette gehe, der könne zum handwerklichen Bäcker gehen und zahle etwas mehr. Wer hingegen aufs Geld schauen müsse, dem komme das Angebot entgegen.

Während viele Franzosen also beim alltäglichen Gang in den Supermarkt von den Preisen profitieren dürften, klagt die Industrie – allen voran der Getreidesektor. Der Leclerc-Chef rechnet hingegen vor: Selbst, wenn der Mehlpreis um 30 Prozent steige, werde ein Baguette nur um einen Cent teurer. Die Kunden sprängen auf die Preissenkung an.

Kritik: Protest als Lobbyismus

Das Ganze sei zum “Baguette-Gate” hochstilisiert, meint Handelsexperte Olivier Dauvers, der den Protest als Lobbyismus bezeichnete. Die schweigende Masse der Konsumenten, von denen viele aufs Geld gucken müssten, stimme eben mit ihrem Kaufverhalten ab – und dieses habe Leclerc und auch Lidl 2021 einen gestiegenen Marktanteil beschert. Auch Lidl hat den Preis inzwischen gesenkt.

“Natürlich mache ich das mit Bedauern, aber wenn sich der führende französische Einzelhändler bei einem so symbolischen Produkt wie dem Baguette auf einen Preis festlegt, wird der gesamte Einzelhandel ihm folgen”, sagte Lidl-Frankreich-Chef Michel Biero dem Sender RMC. Seit zehn Jahren sei der Supermarktpreis für ein Baguette bei 35 Cent gelegen. Wegen gestiegener Kosten habe man eigentlich eine Erhöhung auf 39 Cent erwogen.

(red/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

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6 Kommentare

  1. “Wucher ist das sicherste Mittel zum Gewinn, obwohl eines der schlechtesten, da er nichts anderes bedeutet, als sein Brot zu essen ‘im Schweiße des Angesichts eines anderen’.”
    Francis Bacon

    Trifft auch auf Preisdumping zu! 😥

  2. Die Mehlindustrie beschwert sich über den niedrigen Preis den die Baguetteindustrie bereit ist zu zahlen? Machen die alle Verlust oder wie?
    Daß ein kleiner Bäcker nicht Großhandelspreise bekommt ist ja wohl nichts Neues.
    Billig Baguettes im SM gab es immer schon und die gute Ware beim Handgemachten.
    Es liegt offensichtlich daran daß die Bevölkerung immer weniger Einkommen hat und nun auch der mit mittlerem EK. Das wirkt sich halt dementsprechend aus.

  3. Alles natürlich ein Handelskrieg, Dumping. Die Backshops in den Supermärkten wollen ihren Marktanteil bei minderer Qualität erhöhen und den Bäckereien das Geschäft wegnehmen.

    • Darum gibt es immer weniger kleine Bäcker die ausgezeichnetes Brot backen und verkaufen.

      • Ja leider,das ist noch das,was man als Brot bzw. Lebensmittel kaufen kann. Es werden immer weniger Bäcker und eines darf man auch nicht vergessen,es gibt leider immer mehr Menschen,die sich den Bäcker nicht leisten können.Da geht es nicht um nicht wollen,es geht da leider wirklich um nicht können.

        Wenn man schaut,was gutes Brot kostet,dann ist das schon viel,ja,es gibt noch welche die sagen,ich leiste es mir aber trotzdem,weil ich weiß,ich krieg gutes Brot,entweder beim Bäcker oder man hat Glück und hat noch Hofläden wo die Bäuerin noch selber das Brot bäckt.

        Aber Brot darf nicht Luxus sein und für viele ist es das leider,beim Bäcker,Menschen für die Brot mit ein wenig was drauf oft das einzige Essen ist,die müssen leider ausweichen zu den Diskontern,wo sie, ich sag es so hart wie es ist,billigen Dreck bekommen. Aber es ist für viele eben nichts anderes leistbar.

        Bezeichnend war ein Aussage von einem Hofer-Chef,der gesagt hat,wer sein Backwerk am SELBEN Tag verzehrt,der ist bei uns gut aufgehoben,wer will,daß es am nächsten Tag auch noch schmeckt,soll zum Bäcker gehen,das ist mehr als nur zynisch. Nur was sollen sehr viele Menschen machen? Es geht sich eben nicht anders aus finanziell.

        Und bei Fleisch kann man sagen,wenig aber dann eben gut,aber bei Brot kann man das nicht sagen,denn Brot braucht der Mensch jeden Tag oder sehr,sehr viele Menschen.

        Und es wird für viele noch schwieriger werden,ihre Familie zu ernähren,wenn alles noch und nochmal teurer wird.

        Es ist schlimm und es macht mich traurig,wenn ich denke,wievielen es nicht so gut geht und es wird nicht besser werden.

        • “Hoffnung ist ein gutes Frühstück, aber ein schlechtes Abendbrot.”
          Francis Bacon

          Übrigens: immer mehr Bäcker müssen ihren (Brot) Beruf wegen erheblicher Allergien aufgeben…. 😐

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