Samstag, April 20, 2024

Prozessauftakt: Waldhäusl weist Verantwortung zurück – Umstrittenes Flüchtlingsquartier

Umstrittenes Flüchtlingsquartier

FPÖ-Landesrat Waldhäusl und eine weitere Beamtin saßen am Mittwoch in St. Pölten auf der Anklagebank. Beide streiten den Vorwurf des Amtsmissbrauchs ab. Weitere Prozesstage folgen.

St. Pölten, 02. Februar 2022 | „Waldhäusl entlassen“, „Waldhäusl muss weg“ – der kalte Nieselregen hält eine Handvoll Demonstrierender von Asylkoordination Österreich und der Initiative ZusammenHaltNÖ nicht davon ab, ihre bunten Plakate vor dem Landesgericht St. Pölten hochzuhalten. Unter den Teilnehmenden ist auch Lukas Gahleitner-Gertz, Sprecher der Asylkoordination. Am heutigen Mittwoch gehe es um die strafrechtliche Verantwortung. „Unabhängig davon fordern wir aber, dass er (Waldhäusl) sie endlich auch politisch übernimmt.

Im großen Schwurgerichtssaal herrscht bereits emsiges Treiben: Kameraleute und Journalisten schwirren um den Angeklagten und seinen Anwalt herum. Die stören sich nicht an den Fotos und Aufnahmen, und besprechen die letzten Details vor dem Prozess. Der niederösterreichische Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) muss sich an diesem Mittwoch erstmals wegen Amtsmissbrauchs in der Causa rund um die Verlegung von Flüchtlingen in ein Quartier in Drasenhofen verantworten. 

Oberstaatsanwalt Michael Schön beginnt mit der Anklage: Er wirft Waldhäusl vor, dass dieser im Jahr 2018 zumindest 14 minderjährige Geflüchtete in ihrem Recht auf Grundversorgung geschädigt haben und sie in einer ungeeigneten Unterkunft untergebracht haben soll. Das Quartier, um das es geht, liegt im niederösterreichischen Drasenhofen. Der Landesrat ordnete damals an, es mit Stacheldraht und einem Wachhund auszustatten. Es wurde 2018 wieder geschlossen.

“Habe auf die Fachabteilung vertraut”

FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl wirkt während der Anklage  recht ruhig. Spätestens, als er sich vor der vorsitzenden Richterin Silvia Pöchacker erklären muss, wird seine Stimme immer lauter und aufgeregter. Mit der Lesebrille in der Hand, gestikuliert er ausholend, die Brille wandert stets von seiner Hand auf seine Nase und wieder zurück.

Er habe immer nur im Interesse der Sicherheit aller gehandelt und zwar von Betroffenen, Betreuerinnen und der Bevölkerung, so der Tenor seiner Aussage. Und eines wiederholt er dabei immer wieder: Zu Details könne er nichts sagen. Er sei als Landesrat nicht zuständig und nicht eingebunden gewesen. Er verweist immer wieder auf die Betreiber der Unterkunft und seine Fachabteilung. 

Die Sicherheitskonzepte habe nicht er ausgearbeitet, er habe auf seine Fachabteilung vertraut, sagt er beispielsweise. Wenn das nicht rechtens gewesen wäre, dann wären die entsprechenden Verträge gar nicht zu ihm gekommen, ist er sich sicher. Er habe nicht nachgefragt und nichts hinterfragt, da keine Kritik von Experten gekommen sei. 

Stacheldraht als Schutz vor Eindringlingen

Sein Verteidiger Manfred Ainedter fährt eine forsche Linie. Er zählt Verbrechen diverser Asylwerber auf – das meiste davon habe nichts mit den in diesen Fall involvierten Personen zu tun, merkt einer der Opfervertreter dazu an. Wenn man sich diese Vorfälle ansehe, fährt Ainedter unbeirrt fort, dann sei es doch nur allzu verständlich, dass Waldhäusl in Niederösterreich aktiv werden musste, um dieser Probleme Herr zu werden.

Das streicht auch Waldhäusl selbst heraus. Andere Aussagen klingen in diesem Kontext reichlich widersprüchlich: Der Stacheldraht sei ihm wichtig gewesen, betont er etwa, weil ihm der vorhandene Bauzaun zu wenig gewesen sei. Es sei ihm dabei aber nicht darum gegangen, die Jugendlichen einzusperren, sondern er habe damit für die Sicherheit der Jugendlichen im Gebäude sorgen wollen. Es habe ja auch schon bei anderen Quartieren Brandanschläge gegeben. 

Von Einsperren könne keine Rede gewesen sein, denn „der Zaun war ja nur im vorderen Bereich, gar nicht rundherum“, führt er weiter aus und hält ein foliertes Foto im A3-Format hoch, dass seine Aussage unterstützen soll. Es hätte keinen Vertrag gegeben, wenn das rechtlich nicht gepasst hätte, wiederholt Waldhäusl immer wieder. Das Kindeswohl sei nicht gefährdet und das Quartier geeignet gewesen. 

Eine gewisse Widersprüchlichkeit fällt nicht nur dem Oberstaatsanwalt auf, als er fragt: “Sie sagen also, sie haben sich nirgendwo eingemischt. Haben aber auch gesagt, dass sie drei Dinge wollten: Stacheldraht, den Wachhund und Securities?” Es sei ja wohl nicht ungewöhnlich, dass es für die Details Juristen und Experten gäbe, aber ein Landesrat sich auch zusätzlich Gedanken um die Sicherheit mache, antwortet Waldhäusl.

Opfervertreter verlangt 10.000 Euro für jeden Betroffenen

Der Wiener Rechtsanwalt Georg Zanger, der Waldhäusl 2018 wegen der Sache anzeigte, vertritt in diesem Prozess elf der damals minderjährigen Flüchtlinge, die unter Bedingungen in die laut ihm menschenunwürdige Unterkunft gebracht wurden. Für jeden verlangt er 10.000 Euro Schmerzengeld, wegen psychischer Traumata, die durch die Verlegung nach Drasenhofen ausgelöst worden seien. Er legt der Richterin dazu einige Gutachten vor. Die anderen beiden Opfervertreter fordern für ihren Mandanten symbolisch jeweils 100 Euro. Die Verteidiger erkennen keine der Summen an. 

Fragen der Opfervertreter will Waldhäusl nicht beantworten, er beschäftigt sich stattdessen mit seinen Fingernägeln. Von wem hätte Gefahr ausgehen sollen, wen hätte der Zaun abhalten sollen? Warum die Hast bei der Verlegung?

Immer wieder spricht Waldhäusl auf die Nachfragen der Richterin von medialem Druck und davon, dass Asylwerber ja straffällig werden hätten können und er das mit der Unterkunft verhindern wollte. Es sei jedenfalls geplant gewesen, dass jene Jugendliche nach Drasenhofen kommen sollten, die “auffällig” geworden seien. Details dazu, etwa wer denn nun als auffällig gelte, wisse er aber auch nicht.

Ebenfalls angeklagt wegen Amtsmissbrauchs und weiters wegen Fälschung eines Beweismittels sowie wegen Verleumdung ist eine weitere Landesbeamtin. Ihr Verteidiger spricht von medialer Vorverurteilung, aufgrund derer seine Mandantin ihren Job verloren habe. Sie sei völlig zu Unrecht angeklagt. Die Frau wird am zweiten Prozesstag aussagen. Weitere Prozesstage sind geplant.

(sm)

Titelbild: Stefanie Marek

Stefanie Marek
Stefanie Marek
Redakteurin für Chronik und Leben. Kulturaffin und geschichtenverliebt. Spricht für ZackZack mit spannenden Menschen und berichtet am liebsten aus Gerichtssälen.
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19 Kommentare

  1. Er sagte, er wolle verbieten, dass leute tiere aus dem ausland holen und “adoptieren”.
    ein ausländerfeind gegen tier und mensch.
    schaum di, du häusl.

  2. Man kann froh sein, dass Jörg Haider nicht mehr lebt.
    Er wäre sonst der nächste Bundeskanzler, vor Kickl habe ich keine Angst.

    • Das er Kanzler werden könnte glaube ich auch nicht. Er wird aber als gelernter und gefährlicher Demagoge das freiheitliche Wählerpotential wieder verdoppeln und das Land weiter spalten. Dies als Genugtuung da man ihm seinen Lebenstraum, als IM Österreich den Stempel aufzudrücken, zunichte machte.

      • Dafür sind die ÖVP und die Grünen verantwortlich. Wäre die FPÖ in der Regierung, dann wären die Grünen wieder einmal die Impfgegner.

        • Und der Kickl ist der große Brückenbauer oder wie?
          Außerdem sollten sie auch erklären wie und weshalb meine linken Freunde die sie mit Sicherheit nicht kennen, spaltend vorgehen wenn sie schon meinen hier ihre schwachsinnigen Platituden zum Besten geben zu müssen.

  3. DU, Waldhäusl, ich kenne da in Ö eine Partei, die ist ebenfalls sehr “auffällig”!
    Die musst du auch unterbringen, denn da sind welche dabei die Pferdeabführmittel, Liederbücher oder Hitlers Kampf im Repertoire haben.

    • Oder die Impftrottel, die andere ständig beleidigen. meiner Meinung nach fürn Oarsch, gö koarl.

  4. Wir erfahrfen im Artikel, dass Waldhäusel mit seiner Brille spielte, wir erfahren nichts über die von den Jugendlichen begangenen Straftaten und deren schwere. Wshalb nicht, was soll hier vertuscht werden?

    • Das ist damals schon abgehandelt worden und hat den feinen Herrn Waldhäusl nicht gerade bestätigt. Wären wirklich gravierende Vorfälle im Vorfeld geschehen – außer Regelverstöße in Unterkünften (Hausregeln) und kleinere Verhaltensauffälligkeiten – wären diese nun gewiss wieder zur Sprache gekommen von Waldhäusl bzw. seinem Anwalt. Tatsache war dass viele UMFs aufgeteilt wurden und es Probleme mit der Logistik gab. Der Unmut der – eh durch Hetze der FPÖ -aufmunitionierte Anrainerschaft in der weiteren Umgebung führte dann dazu, dass Waldhäusl den Stacheldraht samt Bewachhund plus begleiteten Ausgang nur zu den naheliegensten Geschäften, als Beschwichtigungsmittel einsetzte. Sogar Mikl Leitner, sonst ja nicht gerade empathisch gegenüber Flüchtlingen, sprach von unhaltbaren Zuständen. Aber ich weiß eh dass sie da Phantasie hegen die solche Behandlungen ( in ihrer Welt ) völlig legitimieren würden. Schickens dem Waldhäusl doch a Fanpost wenn sie solche Methoden begrüßen bei unseren Volksvertretern. Er könnts jetzt eh brauchen

      • Verstoßen Sie mal beim Heer gegen die Hausregeln oder werden Verhaltensauffällig. Ich wurde Zeuge von Mißhandlungen und wurde selbst angehalten andere zu mißhandeln.

        • Dann hoffe ich dass sie diese Zeit möglichst unbeschadet überstanden haben. Das unser Bundesheer bezüglich Menschenführung nicht gerade professionell vorgeht, ist aber bekannt.

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