Freitag, März 29, 2024

Julya Rabinowich – Skylla & Charybdis – Guck, fertig! Von Menschen und Maus

Skylla & Charybdis

Julya Rabinowich in der heutigen Kolumne über Kunst, Menschen und die Maus.

Wien, 05. Februar 2022 | Kunst muss nicht nur frei sei, sie muss auch brutal sein können. Ungeliebt. Unbequem. Grausam. Das kann man kritisieren, sich daran abarbeiten, es ignorieren, zu Gegenposition ausholen. Nur eines darf man nicht tun, zum Verstummen darf man sie nicht bringen. Schon gar nicht dann, wenn sie schmerzhafte Punkte unserer Geschichte berührt.

Die Konfrontation mit den Verbrechen wider die Menschlichkeit ist zumutbar, mehr noch als das, es ist sogar dringend notwendig, sich wieder und wieder mit ihnen zu beschäftigen, auch dort, wo es schmerzt- allein nur vom Hinsehen bereits schmerzt! Allein deswegen, weil das, was in Vergessenheit gerät, sich leichter wiederholt. Allein schon, um die Opfer dieser Verbrechen zu ehren. Allein schon, um sicherzustellen, dass man ein Gefühl dafür kultiviert, wann Grenzen unwiederbringlich verschoben werden.

Eines der ganz großen Blicke auf solche Verbrechen ist das preisgekrönte Buch „Maus“ von Art Spiegelmann, der darin die Geschichte seiner Eltern während dem Holocaust als Comic erzählt: für junge Leserinnen und Leser eine atemberaubend schmerzliche Auseinandersetzung, nichtsdestotrotz eine notwendige. Was geschah, kann wieder geschehen. Besser wissen, was Krieg bedeutet. Besser gewarnt sein.

Kunst kann das auf eine Art vermitteln, die kein Geschichtsbuch je vermitteln kann: nicht als Zahl, nicht als Foto, als gescanntes Dokument, sondern als konkretes Schicksal. Genau dieses mit dem Pulitzersonderpreis ausgezeichnetes Werk wurde jedoch im Schulbezirk von Tennessee aus dem Unterricht verbannt. Der Grund: neben Nacktdarstellungen die „grobe und anstößige Sprache“. Vielleicht kommt es überraschend, aber die Vernichtung von Menschen wird nicht immer mit korrektesten Ausdrücken einhergehen. Und das Überleben eines solchen Verbrechens bedeutet nicht, dass man auch wirklich überlebt. Auch der Suizid von Spiegelmanns Mutter war bei dem Aussortieren des Werkes Thema, er sei verstörend. Ja, Genozid und seine Folgen sind verstörend. Das heißt nicht, dass man fest die Augen davor verschließen sollte. Im Gegenteil: nur wer durch den Schmerz hindurch blickt, wird verstehen und lernen. Es gab schon zuvor Versuche, großartige Werke der Literatur sanft verschwinden zu lassen, nicht einmal Margaret Atwood war davon verschont. Die einzig akzeptable Antwort auf Zensur jeder Art kann nur sein: noch lauter zu werden. Noch sichtbarer.

Titelbild: APA Picturedesk

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25 Kommentare

  1. Damit ist klar, warum in Tennessee MAUS verboten wurde. Ich unterstelle, dass sie ihre Kinder lieber vom Krieg fantasieren lassen wollen (wie in Abenteuerfilmen üblich). Das macht sie eher geil auf handfeste Auseinandersetzungen. Gewalttaten und Gewaltworte gehören zusammen, die ausgemergelten Nackten waren Realität. Das vor Augen geführt zu bekommen, schreckt ab. Ich unterstelle gerade für Tennessee: Diese Abschreckung ist nicht erwünscht.

  2. Müssen Grauslichkeiten erst zu Geschichte werden damit man sich damit auseinander setzt? Wenn heute wieder, hier in Europa, Hundertschaften über friedliche Demonstranten herfallen , Menschenrechte und Grundrechte beschnitten werden, ist das der großen Kunst und Kulturszene keinen verklärten Blick wert und schon gar keinen Aufschrei……

    • Das Grausliche spielt sich in Europa tatsächlich nicht nur in der Geschichte ab, sondern befindet sich wahrscheinlich auch in dieser Sekunde in der Realität!
      Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus sind im Augenblick!
      Friedliche Demonstranten laufen Rechtsextremen nach? Fallen über Kindergartenkinder her!…..und wieder…am Thema vorbei, sich nicht achtsam mit der Sache beschäftigen, versuchen sie, Sinclai, sich als “das wichtigste Opfer in den Mittelpunkt” zu erleben.

      • “fallen über Kindergartenkinder her.“

        ?? Wie bitte ??

        Glauben Sie das solch ekelhafte Falschdarstellung dem Diskurs und des „wieder zueinander finden dienlich ist?

        • Die Kinder haben Angst gehabt als die “Frieden-Freiheit-Demonstranten” vor ihrer Tür standen und schrien!
          Dienlich ist, wenn die Demonstranten von dieser Tatsache gelernt haben.

          • Ich habe das was da passiert ist, weder negiert, noch gutgeheißen!

            Aber ich werfe weder ALLE in Österreich demonstrierenden deswegen in einen Topf, noch bediene ich mich absichtlich der Unwahrheit!

            Dienlich ist, wenn Sie objektiv bleiben!

          • Ich habe eine einzige objektive Tatsache wegen eurer friedlichen Aktionen in den Raum gestellt und schon werfe ich euch oder auch sie in einen Rechtfertigungsmodus!

            Warum sind sie nicht überzeugter “ALLE”?
            Ohne wenn und aber!

          • Sie nennen also berechtigte Kritik an Ihrer grauslichen Übertreibung einen Rechtfertigungsmodus? Spannend..

          • Das mit ihrer berechtigten Kritik ist nur ihre Wahrnehmung und richtig grauslich wird es für sie, wenn sie das nicht wahrnehmen!

          • “fallen über Kindergartenkinder her.“

            Das sind Ihre Worte – unwahr, grauslich, hetzend – dem ist nichts hinzuzufügen

          • „In Angst versetzen“ ist nicht das selbe wie „über sie herfallen“

            Sie haben sich im ersten Post in der Wortwahl vergriffen – ich hab’s kritisiert – so what?

            Es stand nicht die Tat an sich – die ich im übrigen bereits bei bekannt werden aufs schärfste verurteilt habe – im Zentrum meines Posts, sondern IHRE Formulierung.

            Stehen Sie doch dazu, das Sie da grauslich übertrieben haben.

          • Ich habe mich nicht vergriffen, so wenig wie sie sich vergriffen haben.
            Wir haben nun mal nur unsere Biographie, sozusagen uns selbst.
            Verantwortlich ist jeder Einzelne für sein tun.

          • Was war da eben. Eine Sportlerin wurde nach der Quarantäne festgehalten. Gefühlsmäßig habe ich in meinen Gedanken gehabt: “Putin und der China-Mann haben sich totgelacht über den Westen”.

          • Sie machen es sich sehr einfach. Einmal ergreifen Sie für die Demonstanten das Wort, aber über den Vorfall vor dem Kindergarten wollen Sie keine Meinung abgeben.

      • Das ist doch Quatsch. Sie haben ein “Alles Rechte-Framing” laufen und suchen sich Personen die da krampfhaft reingezimmert werden müssen. Das gibt mein Text nicht her.
        Mein Kritik geht in Richtung Kulturschaffende die zur Zeit, bei Verletzungen von Grundrechte /Menschenrechte, just-in-time den Mund nicht aufbekommen und sich lieber danach mit der medial ungefährlichen Vergangenheitsbewältigung beschäftigen, wenn der Knall schon lange vorbei ist. Oder wollen sie mir nun sagen, dass den bis zu 50.000 Menschen großen Demos keine Rechte zustehen…..?

        • Ihr Framing ist nur eine Vereidigung gegen einen imaginären Feind.
          Einfach gesagt: “Es gibt die die sich zu größeren Berufen fühlen um über die imaginären Kleinen zu herrschen”

          Unterstützungserklärungen für Marco Pogo liegen in den Gemeinden.

        • Denen stehen die gleichen Rechte zu wie allen anderen. Damit müssen sie leben. Die Demonstration selbst negiert die Behauptung, den Demonstranten würden ihre Grundrechte bestritten. Für Kabarettisten ist das vermutlich schon zu tief, aber Comedians könnten deine Anregung aufgreifen.

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