Der Verein Long Covid Austria fordert, dass die Regierung die Bevölkerung umfassend über Long Covid informiert. Die Vereinsspitze beklagt außerdem, dass es nach fast zwei Jahren Pandemie keine staatlichen Anlaufstellen für Betroffene gibt.
Wien, 10. Februar 2022 | Der ehrenamtlich geführte Verein Long Covid Austria ist derzeit die hauptsächliche Anlaufstelle für Long-Covid-Erkrankte. Er formierte sich im Jänner 2021 aus einer Selbsthilfegruppe auf Facebook und wird hauptsächlich von selbst Betroffenen geführt. In einem Pressegespräch im SPÖ-Parlamentsklub am Mittwoch forderten die Vereins-Gründerinnen Maarte Preller und Alexa Stephanou, zusammen mit SPÖ-Frauensprecherin Eva Holzleitner und SPÖ-Volksanwaltschaftssprecher Rudolf Silvan, unter anderem staatliche Anlaufstellen für Betroffene: „Es kann nicht sein, dass alles auf Ehrenamtliche abgewälzt wird“, sagte Holzleitner.
„Betroffene erleben nur Hürden“
Etwa 10 bis 14 Prozent aller Corona-Erkrankten entwickeln laut Sozialministerium nach ihrer Genesung Symptome, die unter dem Begriff Long Covid zusammengefasst werden. Neben der Erkrankung müssten sich die Betroffenen auch mit Hürden in Reha-Einrichtungen, in Arztpraxen und bei Behörden herumschlagen, kritisieren Preller und Stephanou vom Verein Long Covid Austria.
Wenn sie überhaupt ernst genommen würden, würden sie meist nicht zielführend behandelt und der große Zusammenhang nicht gesehen. „Derzeit hängen viele Patienten in irgendeinem Eck des Gesundheitssystems fest mit diversen Diagnosen, die nichts mit Long Covid zu tun haben“, resümiert Preller. Das alles koste viel Geld, das besser investiert werden könne, kritisiert sie.
Verein fordert Aufklärung und Forschung
Viele der Betroffenen sind junge Menschen, die davor mitten im Leben standen. Nach einigen Monaten bleibe ihnen derzeit oft nichts anderes übrig, als Invalidenpension zu beantragen, erzählen Preller und Stephanou. “Die Bevölkerung kann sich nicht vorstellen, wie niedrig die Belastungsgrenze ist, wenn man an Long Covid leidet”, erzählt Alexa Stephanou. Da gehe es nicht darum, dass man “einfach ein bisschen schwach” ist.
Der Verein geht davon aus, dass ein großer Teil der Long-Covid-Patienten langfristig an chronischer Erschöpfung leiden wird. Auch deshalb fordert er, dass die Regierung eine öffentliche Bewusstseins-Kampagne startet: „Wir glauben, das Risiko wird unterschätzt.“
Zeit entscheidender Faktor
Entscheidend bei den Heilungsaussichten ist der Faktor Zeit: Je früher Long Covid erkannt werde und die passende Behandlung starte, desto besser stünden die Heilungschancen. Der in Reha-Kliniken gängige Ansatz, über Grenzen hinauszugehen, um wieder auf die Beine zu kommen, sei für Long-Covid-Patienten der falsche, sagt Stephanou. Betroffene müssten vielmehr ihre Grenzen kennenlernen und innerhalb dieser leben lernen, um überhaupt funktionieren zu können. Daher fordert der Verein, dass in jedem Bundesland Anlaufstellen eingerichtet werden, die sich untereinander koordinieren, und dass Behandlungs- und Falldaten zentral erhoben werden.
Außerdem müssten Betroffene bei der Erarbeitung von Behandlungsleitlinien einbezogen werden. Bei den im Juni von der Österreichischen Gemeinschaft für Allgemeinmedizin (ÖGA) präsentierten S1-Leitlinien sei das nicht passiert. Der Verein hätte schon Monate vor der Veröffentlichung seine Mitarbeit angeboten. Er kritisiert, dass die Leitlinien derzeit nur die Zeit unmittelbar nach einer Infektion behandeln.
(pma)
Titelbild: SPÖ-Parlamentsklub