Wie Wolfgang Sobotka Regierungen und Parlament demoliert:
In wenigen Wochen beginnt Wolfgang Sobotka seinen letzten Kampf. Als Vorsitzender des ÖVP-Untersuchungsausschusses wird er wieder versuchen, die parlamentarische Kontrolle zu sabotieren. Diesmal tut er es nicht nur für seiner Partei, sondern auch für sich selbst. Durch die BMI-Chats steht Sobotka plötzlich selbst im Mittelpunkt der Untersuchungen.
Er steht schwer angeschlagen auf, fährt ins Büro und schlägt um sich. Das ist die Beschreibung eines normalen Arbeitstags des ÖVP-Politikers Wolfgang Sobotka. Mit seinen Schlägen trifft er in letzter Zeit immer öfter seine eigene Partei, unabsichtlich, weil ihr Sobotka nur dienen will.
Parteien, die sich mit allen Mitteln durchsetzen wollen, brauchen Männer für das Feine und Männer für das Grobe. Die Feinen planen und dirigieren. Sie bleiben im Halblicht, weil man dort schlechter sieht, wohin die Fäden laufen. Kurz-Kopf Stefan Steiner arbeitete ebenso fein wie Kurz-Schatten Bernhard Bonelli. Beiden sagen einige, die die Zusammenarbeit mit ihnen überlebten, gute Umgangsformen nach.
Andere wie Kurz-Sprecher Gerald Fleischmann verkörpern beides. Aber nur wenige entsprechen dem Typ des politischen Schlägers so wie Karl Nehammer und Wolfgang Sobotka. Es ist kein Zufall, dass beide an den entscheidenden Kommandostellen im letzten Gefecht der ÖVP sitzen: Karl Nehammer als Kanzler in der angeschlagenen Regierung, Wolfgang Sobotka im unzuverlässigen Parlament.
Das letzte Gefecht verbraucht das letzte Personal. Dollfuss-Gerhard beschädigt sich in der Tauschitz-Affäre; Panzer-Karli versucht mit chaotischen COVID-Aktionen letzte Ablenkungsmanöver; und Parteibuch-Hanni versucht immer verzweifelter, die Löcher im Parteirumpf für ihre Niederösterreich-Wahl abzudichten. Zwischen ihnen und dem Abgrund steht noch ein letzter Parteifreund: Wolfgang Sobotka.
Die Sobotka-Tatorte
Den Untersuchungsausschuss werden wohl drei Sobotka-Tatorte interessieren: der Tatort „Parteibuchwirtschaft“, der Tatort „Koalition“ und der Tatort „SPÖ“. An allen Tatorten finden sich zahlreiche Spuren und Beweise.
Die BMI-Chats beweisen, dass Sobotka als Innenminister weit über die Polizei hinaus einer der Haupttäter der schwarzen Parteibuchwirtschaft ist. „Der ist super, polit. Kopf, loyal, Bauernsohn“ ist eine typische Sobotka-Order an seinen Kabinettschef. Wenn sich ein Roter auf die Liste verirrt, fragt sein Kabinettschef nach: „Haben wir keine eigenen Leute?“ Manchmal greift Sobotka persönlich mit Weisung ein: „Roten zu versprechen und Schwarze ins Leo laufen lassen ist nicht gerade so akzeptierbar, Stopp den Vorgang bis ich Klarheit habe“. Die Interventionen sind so zahlreich, dass Sobotka im September 2016 Ordnung in der Parteibuchwirtschaft und dazu „am KBM-Server unter „HBM Sobotka“ eine Liste“ will, „die Interventionen heißt und alle Interventionen mit Stand anführt“.
Aber Sobotka macht – wie im Fall „Jelinek“ – auch Ausnahmen, wenn er von der persönlichen Loyalität einer Kandidatin überzeugt ist. Die Partei kommt trotzdem zum Zug, weil Kabinettschef Kloibmüller seinem Minister klarmacht: „Fraktion dreht durch. Und unser Kandidat ist gleich gut. Kommission steht und eigentlich ist alles eingehängt.“
Das Sobotka-Tool
Wer den zweiten Tatort begeht, muss eines wissen: Wolfgang Sobotka war nie Teil der türkisen Familie. Auch im Ybbstal weiß man, dass der Kettenhund nicht in die Stube darf.
Innenminister Sobotka wurde auf Bundeskanzler Christian Kern losgelassen, weil sich Vizekanzler Mitterlehner weigerte, seinem Regierungspartner in den Rücken zu stechen.
Die Befehle an Sobotka kamen von Stefan Steiner aus dem Außenministerium. Detailliert gab der Chef der Operation „Ballhausplatz“ dem Innenminister und seinem Kabinettschef Anordnungen zur gezielten Beschädigung von Kanzler Werner Faymann und seinem Nachfolger Christian Kern. Von seiner Amtsübernahme im April 2016 bis zur Nationalratswahl im Oktober 2017 war der Innenminister das Sobotka-Tool für die Machtübernahme durch Sebastian Kurz.
Gelegenheitsdemokraten
Am Tatort „SPÖ“ ist alles klar. Nirgends sitzt der Hass auf die „Sozis“ so tief wie in der niederösterreichischen ÖVP. Sie sind das „rote Gsindl“, das man verfolgt.
Diesen Erbhass begleitet eine ebenso tiefe Verachtung für die parlamentarische Demokratie. Demokraten erkennt man daran, dass sie die Regeln von Demokratie und Rechtsstaat penibel beachten, weil sie Teil ihrer politischen DNA sind. Im politischen Erbgut von Gerhard Karner, Johanna Mikl-Leitner und Wolfgang Sobotka findet man stattdessen Dollfuss. Der Austrofaschist, der den Gemeindebau meiner Großeltern mit Bundesheer-Kanonen beschießen ließ, wird in ihrer Heimat nach wie vor als „Erneuerer“ verehrt. In Kärnten ist ein Ulrichsberg-Redner als Verfassungsschutz-Chef letztlich doch nicht tragbar. In St. Pölten und Wien ist ein Dollfuss-Mann als Innenminister der richtige Mann am richtigen Platz. Das hat einen einfachen Grund: Karner, Mikl-Leitner und Sobotka sind Gelegenheitsdemokraten. Wo sie sich an der Macht halten, sind Gelegenheiten selten.
Als Vorsitzender des Ibiza-Untersuchungsausschusses hat Wolfgang Sobotka gezeigt, dass er für die Teilausschaltung des Parlaments kein Bundesheer braucht. Wenn ein Capo der Partei befragt wird, führt mit Sobotka sein Schutzpatron den Vorsitz. Sobotka sabotiert offen. Wenn es gar nicht anders geht, unterbricht er und nützt er den letzten Fluchtweg: aufs Klo.
Grüner Wind
Kurz vor dem Kurz-Sturz geriet Werner Kogler in eine Sitzung des Grünen Klubs im Parlament und stellte dort überrascht fest, dass sieben Abgeordnete beschlossen hatten, dem bevorstehenden Misstrauensantrag gegen Bundesskanzler Kurz die Mehrheit zu verschaffen. Kogler drehte sich blitzartig im grünen Wind und sprach Kurz öffentlich das Misstrauen aus.
Jetzt, wenige Wochen, bevor Wolfgang Sobotka als Vorsitzender mit der Sobotage des U-Ausschusses beginnt, ist es Zeit für einen zweiten grünen Wind.
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