Donnerstag, April 18, 2024

Weiter De-facto-Blutspendeverbot für Männer, die Sex mit Männern haben

Auf dem Blutspende-Fragebogen wird explizit gefragt, ob man als Mann Sex mit Männern hat. Wenn, dann muss man zwölf Monate seit dem letzten Geschlechtsverkehr vergehen lassen, um Blut spenden zu dürfen. Transidente Personen sind grundsätzlich von der Blutspende ausgeschlossen. Politiker und Aktivisten fordern ein Ende dieser Diskriminierung.

Wien, 16. Februar 2022 | Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), dürfen nur dann Blut spenden, wenn seit dem letzten Sexualkontakt zwölf Monate vergangen sind. Im Frühjahr 2021 kündigte des Gesundheitsministerium unter Rudolf Anschober (Grüne) an, dass die Ausschlussdauer auf vier Monate reduziert werden würde. Seitdem ist nichts passiert.

Für Mario Lindner, LGBTIQA+-Sprecher der SPÖ, ist die aktuelle Regelung ein De-facto-Verbot. Er hat außerdem im Dezember 2021 eine parlamentarische Anfrage an Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) eingebracht über den Blutspende-Ausschluss von transidenten Personen.

Diese sind nicht explizit ausgeschlossen, werden aber, wie die Österreichische AIDS Gesellschaft berichtet, durch eine interne Praxis des Roten Kreuzes ausgeschlossen. Vom Roten Kreuz heißt es als Begründung dazu, dass “prinzipiell Personen von einer Blutspende ausgeschlossen , bei denen man davon ausgehen muss, dass das Blut zumindest statistisch gesehen mit einem höheren Risiko für die Übertragung von Infektionskrankheiten belastet ist.” Demgegenüber sind Personen, die ein „einmaliges HIV-Risiko-Verhalten“ gezeigt haben, nur vier Monate nach dem „Ereignis“ von der Blutspende ausgeschlossen.

Lindner kritisiert „Lippenbekenntnisse“ der Politik

Den Ausschluss transidenter Personen von der Blutspende hat Lindner im Dezember in einer parlamentarischen Anfrage an Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) kritisiert und „eine diskriminierungsfreie Blutspende“ gefordert. Anfang Februar antwortete Mückstein, dass transidente Personen „zu einem späteren Zeitpunkt gesondert analysiert werden.“ Für die Novellierung des Blutspendergesetzes warte er die Empfehlungen der Experten aus der sogenannten Blutkommission ab.

Lindner kritisiert, dass von der Politik seit Jahren „nur Lippenbekenntnisse“ kommen. Er finde es tief bedenklich, dass Gesundheitsminister Mückstein in der Anfragebeantwortung „die Diskriminierungserfahrung, die Schwulen und Bisexuellen hier passiert, quasi als ‚Interpretationsproblem‘ tituliert“, so Lindner. Auch Yannick Shetty, Bereichssprecher der NEOS für LGBTIQA+-Themen, fordert ein Ende der Diskriminierung. Der grüne Gesundheitsminister sei dazu mittels einer Entschließung vom Parlament verpflichtet worden. „Diesem Verlangen hat er nun nachzukommen“, sagte Shetty gegenüber ZackZack. Rechtlich durchsetzbar ist die Umsetzung allerdings nicht.

Individuelles sexuelles Risikoverhalten erfragen

Lindner und Shetty fordern, dass der Blutspende-Fragebogen das individuelle Risikoverhalten unabhängig von der sexuellen Orientierung abfragt. 2021 haben sieben österreichische Unternehmen in einer Petition dasselbe gefordert. „Jedes schwule Paar in einer langjährigen monogamen Beziehung wird momentan von der Möglichkeit zur Blutspende ausgeschlossen – das ist absolut nicht verständlich und tief diskriminierend“, sagte Lindner gegenüber ZackZack.

Auf individuelles Risikoverhalten abzustellen hat wissenschaftliche Grundlage, wie die jüngste HIV-Kohortenstudie zeigt. Seit Jahren sinkt die Ansteckungsrate unter MSM und durch die heutigen Therapien wird die Vermehrung des HI-Virus in infizierten Personen so unterdrückt, dass sie nicht ansteckend sind und daher keine sexuelle Übertragung möglich ist. Auch durch Schwangerschaft oder während der Geburt wird das Virus dann nicht übertragen.

Kritik am Umgang mit dem Thema besonders an Grüne

LGBTIQA+-Organisationen kritisieren speziell den Umgang der Grünen mit dem Thema. Die Homosexuelle Initiative Wien (HOSI) kritisierte 2020, dass die Grünen im Wiener Wahlkampf um Stimmen der LGBTIQA+-Community warben, dass aber gleichzeitig das Gesundheitsministerium unter dem Grünen Gesundheitsminister Rudolf Anschober abstritt, dass schwule und bisexuelle Männer bei der Blutspende diskriminiert werden.

Das Gesundheitsministerium hatte mit einer Stellungnahme auf die Petition „Blutspende öffnen – Leben retten!“ reagiert, in der es hieß, dass es keine Diskriminierung gäbe, weil die Bestimmungen zur Blutspende zusammen mit Experten erarbeitet wurden und die Ausschlussgründe „auf das Risikoverhalten im Hinblick auf sexuell übertragbare Krankheiten“ abgestellt sei. HOSI wies in der Aussendung auch darauf hin, dass besonders in der Corona-Krise jede einzelne Blutspende zähle.

Auch Yannick Shetty ist von den Grünen enttäuscht, wie er ZackZack gegenüber sagt: „Weil die Grünen vor Wahlen immer besonders bunt und mit Regenbogen geschmückt auftreten. Nach Wahlen ist die Performance leider ernüchternd.“

Geringer Blutspender-Anteil in Bevölkerung

Nur 3,4 Prozent der Bevölkerung im spendefähigen Alter spendet Blut. Immer wieder werden die Blutkonserven-Lagerstände knapp, besonders in den Sommermonaten. Als viele pandemie-bedingt verschobene Operationen nachgeholt wurden, wuchs der Bedarf an Blutkonserven punktuell über die Vorjahre an, sagte das Rote Kreuz gegenüber ZackZack. Die Versorgung aller Patienten in Österreich sei aber zu jedem Zeitpunkt gesichert gewesen, auch wenn manche Spender wegen Quarantäne oder Erkrankungen verhindert waren. Erfreulich ist, dass in Ostösterreich die Zahl der Erstspenderinnen 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent höher war.

Weltweit nur langsame Entdiskriminierung

Die Entdiskriminierung der Blutspende geht weltweit nur schleppend voran. Israel hat im August 2021 das Blutspendeverbot für MSM auf drei Monate nach dem letzten Kontakt beschränkt statt wie davor zwölf Monate. In Großbritannien dürfen MSM seit Sommer 2021 Blut spenden, vorausgesetzt sie haben nur mit einem Partner Sex. In der EU gibt es eine Handvoll Länder, in denen MSM mit anderen Blutspendern gleichgestellt sind, etwa Italien.

Update: Der Artikel wurde am 16. Februar um 16.35 Uhr um das Statement von Yannick Shetty (NEOS) ergänzt, dass Gesundheitsminister Mückstein vom Nationalrat per Entschließung aufgefordert wurde, Blutspende-Diskriminierung zu beenden.

(pma)

Titelbild: APA Picturedesk

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36 Kommentare

  1. Ich bemühe hier die Logik: Geschlechtsverkehr zwischen Frau und Frau: Es fließt kaum Blut, und so doch, vermischt es sich nicht (umgeschnallt ist eben nur umgeschnallt).
    Geschlechtsverkehr zwischen Mann und Frau: Blut kann fließen und sich vermischen (abhängig von der gewählten Variante).
    Geschlechtsverkehr zwischen Mann und Mann: Blut fließt häufig ( bloß einschlägige Variante möglich). Und somit haben wir es hier mit dem größten Risiko einer durch Blut übertragenen Erkrankung zu tun. Ein Ausschluss dieser Gruppe von Menschen vom Blutspenden hat somit nichts mit Diskriminierung zu tun; sondern ist ein Gebot oben erwähnter Logik. Ob das nun die aufgeregte politische Korrektheit begreift oder nicht. Punkt.

  2. Wenn 5% einer Gruppe für 50% von Hepatitis und HIV verantwortlich zeichnen
    handelt es sich bei einem Blutspendeverbot um keine Diskriminierung sondern um Logik.

  3. Männer, die Sex mit Männern haben?
    Sex im biologischen Sinn, die Reproduktion eines Individuums?
    Ohne geschlechtliche Differenz, zumindest bei uns Säugern unmöglich und daher ist für diese Art “Triebbefriedigung” ein anderes Wort zu finden!

  4. Verdat
    Gut, dass Frauen, die mit Männer schlafen, oder Männer, die mit Frauen verkehren, kein Aids bekommen können. DAS wäre dann wirklich schlimm!

    Irgendwie wundert es mich nicht, dass Österreich bei dem Thema noch tief in den 80ern zu stecken scheint.

    • Bitte schau’ dir die Statistiken an.

      Je 30% der AIDS Erkrankten sind homosexuelle Männer, Prostituierte und Drogensüchtige.

      Wobei Drogenabhängige bis 12 Monate nach dem letzten Drogenkonsum auch nicht Blutspenden dürfen. Die haben halt keine so starke Lobby wie die Schwulen.

      • Ach ja, die Achtziger, das waren auch interessante Zeiten. Aber die Erkenntnisse dieser Zeit hatten keine ewige Gültigkeit. Mag verstörend sein, aber ist so.

        Wenn man sich die Statistik für Europa anschaut stellt man fest: die meisten Infizierten gibt es in katholischen Ländern. Was sagt uns das? Gibt es da mehr Schwule, mehr Nutten, mehr Süchtige? Oder gibt es da vielleicht einen anderen Zusammenhang?

        Geh ein Vaterunser beten und gib a Rua, du kennst dich mit dem Thema eh nicht aus.

      • Boahh! Bitte schreiben Sie das nächste Mal dazu, daß ich einen Lachanfall bekommen soll.
        Echt grossartiger Schmafu.

        • … irgendwie scheint “AIDS Erkrankt” und HIV positiv nicht ganz angekommen zu sein.
          Dank der “pösen” Pharma erkrankt in Europa fast niemand mehr an AIDS.

          • Man müsste mal herausfinden wieviel % der Österreicher minderbegabt sind
            Das würde viele Postings hier erklären.

          • Funktionaler Analphabetismus in Österreich
            Bis zu 1,2 Millionen haben Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben.

            Die »Salzburger Nachrichten« thematisieren in ihrer Feuilleton-Beilage den sog. »funktionalen Analphabetismus« in Österreich. Schätzungen zufolge haben 600.000 bis 1,2 Millionen Österreicher Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben, das entspricht zehn bis 20 Prozent der Bevölkerung über 15 Jahre, d. i. jener Bevölkerungsanteil, in dem der Alphabetisierungsgrad weltweit gemessen wird. Diese Menschen beherrschen die Grundkulturtechniken des Lesen und Schreibens weniger als gesellschaftlich erforderlich (z.B. beim Ausfüllen von Formularen), können sich aber – nach einer Definition der UNESCO – »an zielgerichteten Aktivitäten ihrer Gruppe oder Gemeinschaft beteiligen«, stehen damit also nicht schon per se im sozialen Abseits. Sie verstehen demnach den Sinn eines längeren Texts nicht oder jedenfalls nicht schnell genug, um davon einen praktischen Nutzen zu ziehen.
            Grundsätzlich sind mit Analphabetismus kulturelle, bildungs- oder psychische bedingte Defizite gemeint, unterscheiden sich jedoch zeitlich (vor hundert Jahren brauchte es weniger Kenntnisse) und geographisch, sozial und wirtschaftlich (in entwickelten Gesellschaften werden mehr Kenntnisse erwartet). Der sekundäre Analphabetismus beschreibt seit den 70er Jahren das Unterschreiten gesellschaftlicher Mindeststandards durch den Prozess des Vergessens trotz Schulbesuchs. (lmv)
            https://www.bmeia.gv.at/oesterreich-bibliotheken/kaffeehaus-feuilleton/detail/article/funktionaler-analphabetismus-in-oesterreich/

    • … noch tief in den 80ern? Mittlerweile haben wir einen zur Seite getretenen Papst, weil er “die guten Sitten” nicht mitträgt. Ich finde, es geschieht hauptsächlich in der Gier um Anerkennung der Besonderheit; was will der Nachbar wissen, was unter des Nachbarn Tuchent passiert, solange sein(e) Ehepartner(-in) da nicht mitmacht?

  5. Das ist keine Diskriminierung. Das ist eine vernünftige Vorsichtsmaßnahme.

    Keiner will eine Schadenersatzklage, wenn ein Blutspenden-Empfänger/Empfängerin aufgrund der Spende an AIDS erkrankt.

    • Such dir einen Erwachsenen der dich dann aufklärt. Auch Männer und Frauen können an Aids erkranken – lass es dir erklären, wie und warum.

    • Das muss eh keiner befürchten, weil sich der Zusammenhang nicht nachweisen ließe. Also hör einfach auf zu schwafeln und streng dich mal ein wenig an, damit du wenigstens im 20. Jahrhundert ankommst.

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