Auf dem Blutspende-Fragebogen wird explizit gefragt, ob man als Mann Sex mit Männern hat. Wenn, dann muss man zwölf Monate seit dem letzten Geschlechtsverkehr vergehen lassen, um Blut spenden zu dürfen. Transidente Personen sind grundsätzlich von der Blutspende ausgeschlossen. Politiker und Aktivisten fordern ein Ende dieser Diskriminierung.
Wien, 16. Februar 2022 | Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), dürfen nur dann Blut spenden, wenn seit dem letzten Sexualkontakt zwölf Monate vergangen sind. Im Frühjahr 2021 kündigte des Gesundheitsministerium unter Rudolf Anschober (Grüne) an, dass die Ausschlussdauer auf vier Monate reduziert werden würde. Seitdem ist nichts passiert.
Für Mario Lindner, LGBTIQA+-Sprecher der SPÖ, ist die aktuelle Regelung ein De-facto-Verbot. Er hat außerdem im Dezember 2021 eine parlamentarische Anfrage an Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) eingebracht über den Blutspende-Ausschluss von transidenten Personen.
Diese sind nicht explizit ausgeschlossen, werden aber, wie die Österreichische AIDS Gesellschaft berichtet, durch eine interne Praxis des Roten Kreuzes ausgeschlossen. Vom Roten Kreuz heißt es als Begründung dazu, dass “prinzipiell Personen von einer Blutspende ausgeschlossen , bei denen man davon ausgehen muss, dass das Blut zumindest statistisch gesehen mit einem höheren Risiko für die Übertragung von Infektionskrankheiten belastet ist.” Demgegenüber sind Personen, die ein „einmaliges HIV-Risiko-Verhalten“ gezeigt haben, nur vier Monate nach dem „Ereignis“ von der Blutspende ausgeschlossen.
Lindner kritisiert „Lippenbekenntnisse“ der Politik
Den Ausschluss transidenter Personen von der Blutspende hat Lindner im Dezember in einer parlamentarischen Anfrage an Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) kritisiert und „eine diskriminierungsfreie Blutspende“ gefordert. Anfang Februar antwortete Mückstein, dass transidente Personen „zu einem späteren Zeitpunkt gesondert analysiert werden.“ Für die Novellierung des Blutspendergesetzes warte er die Empfehlungen der Experten aus der sogenannten Blutkommission ab.
Lindner kritisiert, dass von der Politik seit Jahren „nur Lippenbekenntnisse“ kommen. Er finde es tief bedenklich, dass Gesundheitsminister Mückstein in der Anfragebeantwortung „die Diskriminierungserfahrung, die Schwulen und Bisexuellen hier passiert, quasi als ‚Interpretationsproblem‘ tituliert“, so Lindner. Auch Yannick Shetty, Bereichssprecher der NEOS für LGBTIQA+-Themen, fordert ein Ende der Diskriminierung. Der grüne Gesundheitsminister sei dazu mittels einer Entschließung vom Parlament verpflichtet worden. „Diesem Verlangen hat er nun nachzukommen“, sagte Shetty gegenüber ZackZack. Rechtlich durchsetzbar ist die Umsetzung allerdings nicht.
Individuelles sexuelles Risikoverhalten erfragen
Lindner und Shetty fordern, dass der Blutspende-Fragebogen das individuelle Risikoverhalten unabhängig von der sexuellen Orientierung abfragt. 2021 haben sieben österreichische Unternehmen in einer Petition dasselbe gefordert. „Jedes schwule Paar in einer langjährigen monogamen Beziehung wird momentan von der Möglichkeit zur Blutspende ausgeschlossen – das ist absolut nicht verständlich und tief diskriminierend“, sagte Lindner gegenüber ZackZack.
Auf individuelles Risikoverhalten abzustellen hat wissenschaftliche Grundlage, wie die jüngste HIV-Kohortenstudie zeigt. Seit Jahren sinkt die Ansteckungsrate unter MSM und durch die heutigen Therapien wird die Vermehrung des HI-Virus in infizierten Personen so unterdrückt, dass sie nicht ansteckend sind und daher keine sexuelle Übertragung möglich ist. Auch durch Schwangerschaft oder während der Geburt wird das Virus dann nicht übertragen.
Kritik am Umgang mit dem Thema besonders an Grüne
LGBTIQA+-Organisationen kritisieren speziell den Umgang der Grünen mit dem Thema. Die Homosexuelle Initiative Wien (HOSI) kritisierte 2020, dass die Grünen im Wiener Wahlkampf um Stimmen der LGBTIQA+-Community warben, dass aber gleichzeitig das Gesundheitsministerium unter dem Grünen Gesundheitsminister Rudolf Anschober abstritt, dass schwule und bisexuelle Männer bei der Blutspende diskriminiert werden.
Das Gesundheitsministerium hatte mit einer Stellungnahme auf die Petition „Blutspende öffnen – Leben retten!“ reagiert, in der es hieß, dass es keine Diskriminierung gäbe, weil die Bestimmungen zur Blutspende zusammen mit Experten erarbeitet wurden und die Ausschlussgründe „auf das Risikoverhalten im Hinblick auf sexuell übertragbare Krankheiten“ abgestellt sei. HOSI wies in der Aussendung auch darauf hin, dass besonders in der Corona-Krise jede einzelne Blutspende zähle.
Auch Yannick Shetty ist von den Grünen enttäuscht, wie er ZackZack gegenüber sagt: „Weil die Grünen vor Wahlen immer besonders bunt und mit Regenbogen geschmückt auftreten. Nach Wahlen ist die Performance leider ernüchternd.“
Geringer Blutspender-Anteil in Bevölkerung
Nur 3,4 Prozent der Bevölkerung im spendefähigen Alter spendet Blut. Immer wieder werden die Blutkonserven-Lagerstände knapp, besonders in den Sommermonaten. Als viele pandemie-bedingt verschobene Operationen nachgeholt wurden, wuchs der Bedarf an Blutkonserven punktuell über die Vorjahre an, sagte das Rote Kreuz gegenüber ZackZack. Die Versorgung aller Patienten in Österreich sei aber zu jedem Zeitpunkt gesichert gewesen, auch wenn manche Spender wegen Quarantäne oder Erkrankungen verhindert waren. Erfreulich ist, dass in Ostösterreich die Zahl der Erstspenderinnen 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 15 Prozent höher war.
Weltweit nur langsame Entdiskriminierung
Die Entdiskriminierung der Blutspende geht weltweit nur schleppend voran. Israel hat im August 2021 das Blutspendeverbot für MSM auf drei Monate nach dem letzten Kontakt beschränkt statt wie davor zwölf Monate. In Großbritannien dürfen MSM seit Sommer 2021 Blut spenden, vorausgesetzt sie haben nur mit einem Partner Sex. In der EU gibt es eine Handvoll Länder, in denen MSM mit anderen Blutspendern gleichgestellt sind, etwa Italien.
Update: Der Artikel wurde am 16. Februar um 16.35 Uhr um das Statement von Yannick Shetty (NEOS) ergänzt, dass Gesundheitsminister Mückstein vom Nationalrat per Entschließung aufgefordert wurde, Blutspende-Diskriminierung zu beenden.
(pma)
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