Mittwoch, Oktober 9, 2024

Cannabis-Verbot auf dem Prüfstand: Mödlinger kämpft für legales Kiffen

Cannabis-Verbot auf dem Prüfstand

Vor einem Jahr wurde Paul Burger wegen Cannabisbesitzes angezeigt. Jetzt prüfen Verfassungsrichter seinen Fall und damit auch das Verbot. Die Österreicher seien bereit für den legalen Feierabend-Joint, meint er im Interview.

Wien, 17. Februar 2022 | Es war Freitag, der 13. November 2020, als sich Paul Burger am späten Abend in seinem Heimatort Mödling, ausgestattet mit einem Joint, noch etwas die Beine vertreten wollte. Ganz Österreich war im Lockdown, Rausgehen zur psychischen Erholung jedoch erlaubt. “Ich dachte mir, bevor ich wieder am Balkon sitze, gehe ich einfach eine Runde spazieren”, erzählt der 26-Jährige.

„Warum riecht’s hier nach Cannabis?“

Warum es hier nach Cannabis rieche, wollten zwei Beamte in Zivil nach kurzer Zeit von ihm wissen. Burger hatte den Joint gerade einmal zur Hälfte geraucht, “quietschte sich ein ziviles Polizeiauto” hinter ihm ein. “Ich glaube, dass sie damit unzufrieden waren, dass ich alleine am Abend unterwegs war, es galt ja die Ausgangssperre ab 20 Uhr. Das war schon genug für die Beamten, um zu schauen, ‘was macht der da?'”

Nach einer Leibesvisitation wurde Burger wegen Drogenbesitzes angezeigt. Ein Jahr später ist das Verfahren wieder eingestellt. Ende Jänner reicht er gemeinsam mit einem Anwalt Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) ein. Burgers Antrag geht durch, das Suchtmittelgesetz in der jetzigen Form wird nun geprüft. ZackZack hat mit ihm gesprochen.

ZackZack: Herr Burger, wie hoch schätzen Sie Ihre Chancen ein, dass es zu einer Anpassung im Suchtmittelgesetz kommt?

Burger: Klar ist, dass die meisten Anträge in der ersten Instanz abgelehnt werden, also gar nicht zugelassen werden. Nur circa zehn Prozent werden überhaupt zugelassen, und meiner ist einer davon. Ich glaube, es gibt ehrliche Chancen, dass der VfGH das ernst nimmt, es sich in Ruhe anschaut und dann entscheidet, ob sich das ausgeht oder nicht. Die Regierung hat jetzt acht Wochen Zeit, ihren Senf dazuzugeben, dann wird geprüft. Das dauert üblicherweise sechs bis acht Monate. Ich hoffe irgendwann im Spätsommer auf eine Entscheidung.

ZZ: Sie wollen mit Ihrem Antrag eine Entkriminalisierung von Cannabis für den Eigengebrauch erwirken, sollte der Staat gar eine Legalisierung erwägen, so wie es jetzt Deutschland macht?

Burger: Eine Entkriminalisierung ist das einzige, was ich durch den VfGH jetzt erstmal erwirken kann. Und ja, der Staat sollte auch eine Legalisierung so schnell wie möglich umsetzen. So wie es Trafiken für Tabak gibt, bräuchten wir auch ein Fachgeschäft für Cannabis, in dem man beim Eingang einen Ausweis herzeigen muss und dann drinnen in Ruhe von professionellen Mitarbeitern beraten wird und saubere Blüten, die versteuert sind, kaufen kann.

Dasselbe gilt für den Eigenanbau. Ich muss das Recht haben, auf meinem Balkon oder in meiner Wohnung einen Samen in die Erde zu stecken, die Pflanze ein paar Monate zu betreuen und dann die Blüten dieser Pflanze zu konsumieren. Das muss erlaubt sein. Das ist auch mit dem Urteil des VfGH schon zu haben, das fordern wir.

“Im Geschäft hab ich auch einen Mitarbeiter, der mir sagt: ‘Schau, du bist Anfänger, nimm vielleicht nicht das stärkste, sondern was milderes.'”

ZZ: Glauben Sie, dass eine kontrollierte Abgabe auch zu mehr Schutz der Konsumenten führt?Burger

: Ganz sicher, weil die Konsumenten exisitieren ja. Das Verbot führt nicht dazu, dass es keine Konsumenten gibt, ganz im Gegenteil. Das, was wir entscheiden können, ist nicht, ob die Menschen Cannabis konsumieren, sondern dass wir entscheiden können, ob Menschen Blüten konsumieren, die primär aus irgendwelchen kriminellen Strukturen bezogen werden, wo es nur um Geld und nicht um Qualität geht, oder ob wir ein ordentliches Geschäft haben, wo alle Mitarbeiter Sozialversicherung bezahlen und alles versteuert ist, und das Gewerbe regelmäßig nach Hygiene und Arbeitsbedingungen kontrolliert wird. Im Geschäft hab ich auch einen Mitarbeiter, der mir sagt: „Schau, du bist Anfänger, nimm vielleicht nicht das stärkste, sondern was milderes.“

ZZ: Viele Experten raten davon ab, das Suchtpotenzial und die psychischen Auswirkungen seien nicht zu unterschätzen. Auch viele ehemalige Cannabis-Konsumenten raten von einer Legalisierung ab. Viele kennen den einen Freund oder die Freundin, der oder die sich durchs Kiffen immer mehr zurückzieht, keine Freude mehr ohne Cannabis empfindet. Verstehen Sie die Kritik?

Burger: Nein. Die Frage ist nicht, ob wir es den Menschen erlauben, zu konsumieren. Ermöglichen wir es ihnen in einem geregelten Rahmen oder drängen wir sie in die Kriminalität? Ganz viele Leute, die ihren Job verlieren oder soziale Probleme haben, werden durch das Verbot erst verursacht, weil ich mich verstecken muss. Wenn ich Alkohol konsumiere, dann kann ich ganz normal mit den Freunden nach der Arbeit ein Bier trinken gehen und am normalen Leben teilhaben. Wenn ich das Feierabendbier aber nicht möchte, sondern einen Feierabendjoint, dann muss ich mich dabei verstecken. Und das führt zu viel mehr Isolation als die Tatsache, dass ich Cannabis konsumiere. Weil der Staat mich dazu nötigt, es zu verheimlichen.

Paul Burger (26) ist gelernter Maschinenbauer. Nach mehreren Jahren in der 3D-Druck-Branche hat er sich mit seinem Online-Shop Craftculture selbstständig gemacht. Schon länger setzt er sich für einen veränderten Umgang mit Cannabis ein und war auch einige Zeit politisch bei den JUNOS, dem Jugendverband der NEOS, aktiv. (Bild: Paul Burger)

ZZ: Studien zeigen, dass sich Cannabiskonsum speziell im jungen Alter negativ auf die Psyche der Jugendlichen auswirken kann. Wie soll man diese Gruppe schützen, wenn die Regeln gelockert werden?

Burger: Es stimmt ja nicht, dass Cannabis danach leichter zu bekommen ist. Ganz im Gegenteil, es ist momentan leichter für Jugendliche. Der Herr im Park interessiert sich nicht für meinen Ausweis, der interessiert sich für mein Geld. Also ich kann mit 14 Jahren ohne Probleme in den Park laufen, oder es online ohne jegliche Verifizierung kaufen. Und wenn Sie damit meinen, dass man es jetzt leichter über den großen Bruder bekommen kann, dann stimmt das nicht. Weil es der ja im Moment sowieso bekommt.

Und was die Gesetzgeber leidenschaftlich gerne vergessen: Jugendliche, die Probleme mit Cannabis haben, brauchen Hilfe und keine Strafe. Und wie bekomme ich Hilfe? Indem ich darum bitte. Wenn ich meiner Mutter sage, ich konsumiere etwas zu viel Cannabis, kannst du mir helfen, es zu reduzieren oder aufzuhören? Dann werde ich keine Hilfe bekommen, weil aktuell muss ich es ja verheimlichen, weil sie mich anzeigen könnte. Das ist schon öfters vorgekommen.

“Fast alle Politiker sind der Meinung, dass sie Stimmen verlieren wenn sie sich für das Thema einsetzen.”

ZZ: Wieso glauben Sie, dass die österreichische Regierung nach wie vor ablehnend gegenüber Cannabis reagiert?Burger

: Die Politik hat ihren Wählern jahrelang beigebracht, dass Cannabis schlecht ist, das haben auch die Medien gern gemacht und sehr viel Missinformation betrieben. Und jetzt erklären sie mal einem Wähler, der das jahrelang gehört hat: „Nein wir sind jetzt doch dafür.“ Konservative Politiker, aber eigentlich fast alle sind der Meinung, dass sie Stimmen verlieren, wenn sie sich für das Thema einsetzen. Das Gegenteil ist der Fall. In allen Staaten, wo Cannabis legalisiert wurde, sind jetzt mehr Menschen dafür, auch jene, die vorher dagegen waren.

ZZ: Österreich liegt beim Alkoholkonsum pro Kopf über dem OECD-Durchschnitt. Ist das Land bereit für eine weitere legale Droge?

Burger: Die Menschen sind bereit, in Ruhe gelassen zu werden. Wir werden auch in Ruhe gelassen, wenn wir Tabak oder Alkohol konsumieren. Es gibt keinen Grund, Menschen strafrechtlich zu verfolgen, die für sich alleine oder in einer kleinen privaten Gruppe Cannabis konsumieren. Wir sind reif für Veränderung.

Das Interview führte Markus Steurer.

Titelbild: Paul Burger

Autor

  • Markus Steurer

    Hat eine Leidenschaft für Reportagen. Mit der Kamera ist er meistens dort, wo die spannendsten Geschichten geschrieben werden – draußen bei den Menschen.

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