Freitag, April 19, 2024

Jeder dritte Österreicher fühlt sich von Wohnkosten belastet

Laut einer Studie ist die Wohnkosten-Belastung in der Corona-Zeit spürbar gestiegen. Dabei gibt es nach Statistik Austria und Arbeiterkammer ein Überangebot an Neubau-Wohnungen, gemessen am Bevölkerungswachstum in den vergangenen Jahren.

Wien, 22. Februar 2022 | Wohnkosten belasten die Menschen in Österreich wesentlich stärker als vor der Corona-Krise. Ende Jänner 2022 sagten 45 Prozent, ihre Belastung sei seither gestiegen – im November 2020 hatten das erst 22 Prozent gesagt, zeigt eine Integral-Umfrage für ImmoScout24.

Besonders starker Anstieg bei Kaufpreisen

Jeder vierte Haushalt wendet für Wohnen inzwischen mehr als 40 Prozent des Netto-Einkommens auf. Ein Drittel der 1.000 Befragten empfindet die Wohnkosten als Belastung. Mehr als die Hälfte der Mieter, aber nur ein Viertel der Eigentümer, empfinden die Wohnkosten derzeit als belastend. Dabei haben Mietpreise zuletzt österreichweit “nur” um 3,6 Prozent zugelegt, Kaufpreise hingegen um rund 10 Prozent, sagte Markus Dejmek, Österreich-Chef von ImmoScout24, im Gespräch mit der APA.

Es kommen zwar sehr viele teurere Mietobjekte auf den Markt, weil Anleger teuer gekauft haben und nun nach Renditen suchen, aber noch gebe es günstige Alternativen, sagte Dejmek. Das verhindere, dass die Mietpreise sprunghaft ansteigen.

Zufriedenheit in Wien höher

Tatsächlich ist die Situation in Wien derzeit noch entspannter. Dort sind etwas weniger als die Hälfte der Wohnungen nicht auf dem privaten Markt. Das belegt auch ein weiterer Punkt in der Umfrage: Während tendenziell die Belastung mit der Größe des Wohnortes steigt und in Städten mit mehr als 50.000 Einwohnern – Wien ausgenommen ­– 40 Prozent unter den Wohnkosten leiden, fällt dieser Anteil in Wien auf 32 Prozent und liegt damit etwa so niedrig wie in kleinen Ortschaften.

Erst wenn sich Angebot und Nachfrage so drehen, dass die Mieter gezwungen sind, die teureren Wohnungen zu nehmen, werden auch die Mietpreise stark steigen, schätzt Dejmek von ImmoScout24 und empfiehlt der Politik, weiter für ausreichend günstige Mietangebote zu sorgen.

Preisanstieg in Wien trotz Überangebot an Wohnungen

In Wien wurden nach kurzem Wohnungsmangel in den Jahren davor ab 2018 mehr Wohnungen gebaut als das Bevölkerungswachstum erfordert hätte. „Man geht davon aus, dass sich zwei Menschen eine Wohnung teilen“, sagte Thomas Ritt, Arbeiterkammer-Ökonom, gegenüber ZackZack. 2019 zogen nach Daten der Statistik Austria 13.700 Menschen nach Wien, demnach hätte es 6.850 neue Wohnungen gebraucht. Fertiggestellt wurden 15.000 Wohnungen. 2020 kamen auf 10.000 Zugezogene und einen Baubedarf von 5.000 Wohnungen über 17.000 neue Wohnungen, also mehr als das dreifache des Bedarfs. Zwei Drittel der Wohnungsproduktion sei mittlerweile privat finanziert, so Ritt.

Trotz des Überangebots an Wohnungen hat sich die Situation am Markt nicht entspannt. „Das kommt nur durch spekulative Investitionen zustande“, analysiert Thomas Ritt. Es werde sehr viel gebaut, aber nicht für den Wohnungsmarkt, schreibt er in einem Blogbeitrag. Ritt macht für die Entwicklung einerseits die Nullzins-Politik der vergangenen Jahre verantwortlich. Ändere sich daran nichts, sei auch keine Entspannung am Wohnungsmarkt zu erwarten.

Andererseits führe der Trend zu befristeten Mietverträgen auf dem privaten Markt zu Mietpreissteigerungen. Denn Mieter, die einen befristeten Vertrag hätten, würden sich weniger trauen, gegen Mieterhöhungen zu protestieren.

Mietpreissteigerung mehr als doppelt so hoch wie Inflation

Laut einer Analyse der Agenda Austria war die Mietpreis-Steigerung zwischen 2010 und 2020 mehr als doppelt stark wie die Inflation. Dejmek von ImmoScout24 glaubt an eine Entlastung bei den Mietpreisen: In Wien sei 2021 das Angebot für Mietwohnungen auf der Immobilien-Plattform stark gestiegen, während das Angebot für Kaufobjekte im gleichen Ausmaß zurückging. 2020 seien sehr viele Wohnungen gekauft worden, die Zahlen deuteten darauf hin, dass diese Objekte nun als Mietwohnungen auf den Markt kommen, so Dejmek. Thomas Ritt rechnet damit, dass sich die Situation nicht entspannt, wenn weiterhin eine Nullzins-Politik gefahren wird.

Die Mietpreise legten in Wien laut Integral-Studie auch nur um 2,4 Prozent zu – deutlich unter dem Österreich-Schnitt von 3,6 Prozent. Bei Neubaumieten seien die Preise zwar höher als im Altbestand, aber angesichts des hohen Angebots könne man sich als Mieter in diesem Segment wenigstens die Objekte aussuchen, sagte Dejmek.

Pandemie verschärft die Belastung

Die Corona-Pandemie hat gleichzeitig das Einkommen vieler Haushalte belastet. Besonders in Trinkgeld-Branchen sei durch Lockdowns und Einschränkungen viel Geld weggefallen, so Thomas Ritt gegenüber ZackZack. Un weiter: „Viele Menschen bekommen echt Probleme, ihre Miete zu zahlen.“ Vergangenes Jahr sei von der Regierung ein Hilfe-Fonds beschlossen worden, der mit jährlich 8 Millionen Euro dotiert wurde. Derzeit würden noch die Grundsätze und Förderbedingungen ausgearbeitet. Sei das einmal fixiert, könne man dort um Hilfe ansuchen, wenn man durch Corona finanziell betroffen sei und Schwierigkeiten habe, die Miete zu bezahlen.

(pma/APA)

Titelbild: APA Picturedesk

Pia Miller-Aichholz
Pia Miller-Aichholz
Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich
LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

2 Kommentare

  1. Ja wir brauchen jetzt eine Politik, die Mumm hat für eine funktionierende Preispolitik…. Zugunsten der Wähler… Ned umgekehrt!

Kommentarfunktion ist geschlossen.

Jetzt: Polizeiäffäre "Pilnacek"

Denn: ZackZack bist auch DU!