»Sieg für die Frauenbewegung«
Kolumbien erlaubt nun Abtreibungen bis zur 24. Schwangerschaftswoche. Bisher waren Abtreibungen nur in Ausnahmefällen legal, heimliche Abtreibungen verhinderte das nicht.
Wien/Bogota, 24. Februar 2022 | In Kolumbien hat das Verfassungsgericht am Montag (Ortszeit) die Abtreibung bis zur 24. Schwangerschaftswoche erlaubt. Zuvor war der Abbruch von Schwangerschaften in dem südamerikanischen Land nur in besonderen Fällen erlaubt gewesen, etwa nach einer Vergewaltigung, Lebensunfähigkeit des Fötus oder bei Gefahr für das Leben der Mutter. Nach der 24. Schwangerschaftswoche gelten weiter die bisherigen Gründe für eine legale Abtreibung.
Schätzungen zufolge gab es in Kolumbien pro Jahr rund 400.000 heimliche Abtreibungen. “Wir feiern dieses Urteil als einen historischen Sieg für die Frauenbewegung in Kolumbien, die seit Jahrzehnten für die Anerkennung ihrer Rechte kämpft. Frauen, Mädchen und gebärfähige Menschen sollten ausschließlich selbst über ihren Körper entscheiden dürfen. Anstatt sie zu bestrafen, müssen die kolumbianischen Behörden nun ihre Selbstbestimmung über ihren Körper und ihre Lebensplanung anerkennen”, sagte die Regionalchefin von Amnesty International, Erika Guevara Rosas. “Es ist ein weiteres Beispiel für das unaufhaltsame Fortschreiten der grünen Welle in Lateinamerika.” Grüne Tücher sind das Erkennungsmerkmal der Kampagne für legale, sichere und kostenlose Abtreibungen.
In Lateinamerika bleiben Abtreibungen schwierig
Ein legaler Schwangerschaftsabbruch ist laut Amnesty International wesentlich sicherer als ein heimlicher Abbruch. Die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen sorge für eine Verschärfung der Ungleichheiten zwischen Frauen. Denn die überwiegende Mehrheit der Personen, die in Kolumbien wegen eines illegalen Schwangerschaftsabbruchs angezeigt werden, lebe in ländlichen Gebieten. Fast ein Drittel von ihnen seien Überlebende von häuslicher Gewalt, sexualisierter Gewalt oder Körperverletzung. Darüber hinaus sorge die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bei den Leistungserbringern im Gesundheitswesen für Angst und Stigmatisierung gesorgt, sodass diese aus Sorge vor den gesellschaftlichen und rechtlichen Konsequenzen keine Schwangerschaftsabbrüche mehr anbieten.
In Argentinien war Ende 2020 ein Gesetz zur Liberalisierung der Abtreibung bis zur 14. Schwangerschaftswoche verabschiedet worden. In den meisten anderen, ebenfalls christlich geprägten lateinamerikanischen Ländern sind Schwangerschaftsabbrüche nur in Ausnahmefällen erlaubt. Ecuador brachte in der vergangenen Woche ein Gesetz auf den Weg, das die Abtreibung nach einer Vergewaltigung erlaubt. In Chile scheiterte vorerst ein Gesetz zur Liberalisierung der Abtreibung Ende vergangenen Jahres. Einzig in lateinamerikanischen Ländern wie Uruguay, Kuba, Guyana, Französisch-Guyana und in Teilen Mexikos sind sie legal. In El Salvador sind Abtreibungen sogar grundsätzlich verboten und werden mit Freiheitsstrafen geahndet. Selbst Fehlgeburten werden mit drastischen Strafen belegt.
(sm/apa)
Titelbild: Raul ARBOLEDA / AFP