Viele Fragen, kaum Antworten
Der ÖVP-Untersuchungsausschuss startete am Mittwoch mit vielen abgewiesenen Fragen, kaum Antworten und wenig Inhalt. Die ÖVP hielt die Opposition hin – die blieb hartnäckig. Nehammers Befragung zog sich mit Unterbrechungen über fünf Stunden hin.
Wien, 2. März 2022 | Pressefotografen, Kamerateams und Journalisten stehen in der Wiener Hofburg bereit. Der ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss beginnt… erst einmal nicht. Bundeskanzler Karl Nehammer, die erste Auskunftsperson in diesem U-Ausschuss, ist für 10 Uhr geladen. Doch der Beginn der Befragung verzögert sich. Den Grund erklärt FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker der wartenden Presse so: Sobotka habe die Tonanlage umprogrammieren lassen, sodass die Abgeordneten ihre Mikrofone nicht selbst einschalten könnten, sondern nur er das Wort erteilen und es auch jederzeit per Knopfdruck nehmen könne. Das stößt nicht auf Gegenliebe und löste eine Geschäftsordnungsdebatte aus: Alle außer der ÖVP sprechen sich gegen Sobotkas Allmacht über die Mikrofone aus, die Tonanlage müsse wieder zurück in den Ursprungszustand.
Als er schließlich am Wort ist, dauert Nehammers Eingangsstatement knapp zehn Minuten – 20 wären erlaubt gewesen. Seine Gedanken seien bei den Menschen in der Ukraine und beim Krieg in Europa, sagt er. Der Vorsitzende des U-Ausschusses, Wolfgang Sobotka, tippt auf seinem Handy herum. Nehammer betont einstweilen die Begriffe „Transparenz“, „Aufklärung“ und „Klarheit“ und stellt klar, dass er dafür auch hier sei.
Aufdecken oder doch eher zudecken?
In seinem einführenden Pressestatement stellt SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer in den Raum, dass sich im U-Ausschuss zeigen werde, ob Nehammer “wirklich daran interessiert sei aufzudecken, oder eher zuzudecken”. Die ersten Fragen des Verfahrensrichters beantwortet Nehammer sehr knapp. „Was wissen Sie über das Projekt Ballhausplatz? Nehammer: „Das, was die Medien darüber wissen.“ Hat er selbst mitgewirkt, kennt er involvierte Personen? „Ich kenne Sebastian Kurz. Nein, ich war nicht involviert.“ Es folgen Fragen zum alten Kurz-Think Tank “Think Austria”, zum inhaftierten ÖVP-Großspender Markus Braun, Sideletter, BVT und zum neuen DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner. Besonders informativ fallen die Antworten nicht aus.
Zu den Nebenabsprachen der Koalitionsverhandlungen, die als Sideletter bekannt geworden sind, sagt Nehammer, er habe immer gewusst, dass es solche Abmachungen gegeben habe. Er sei aber nie aktiv involviert gewesen. Er sei auch nicht Teil des Verhandlungsteams gewesen. Zumindest 2017, während der Koalitionsverhandlungen zu Türkis-Blau, war Nehammer allerdings Teil der Untergruppe „Sicherheit, Ordnung und Heimatschutz“. Ob sich diese Aussage des Bundeskanzlers noch rächen wird, wird wohl erst das Protokoll zeigen.
Der erste Fraktionsführer, der mit den Fragen beginnen darf, ist Andreas Hanger von der ÖVP. Er nutzt die Gelegenheit, erst einmal vom Thema abzulenken – Stichwort sogenannte “Leaks” aus dem BVT und Egisto Ott (ZackZack berichtete im Vorfeld über die Strategie der ÖVP). Er fragt Nehammer nach seinen Wahrnehmungen dazu und behauptet gleich im Anschluss, dass Egisto Ott Informationen an die FPÖ und ins Ausland verkauft habe. Er soll laut Hanger ÖVP-Angehörige ausspioniert haben – Protest von der FPÖ. Daraufhin ergänzt Hanger seine Aussage um „mutmaßlich“. In welchem Zusammenhang diese Frage zum Untersuchungsgegenstand stehe, fragt Krainer und bittet um eine Stehung. Doch auch danach wird die Frage vom Verfahrensrichter zugelassen. Damit bietet er Nehammer eine Bühne. Dieser gibt sich als internationaler Brückenbauer und Erneuerer des Staatsschutzes.
Lange Geschäftsordnungsdebatten: Keine Frage von Krainer beantwortet
Es folgen Fragen zur Personalbesetzungskommission des Verfassungsschutzes. Hat Nehammer Einfluss auf die Personalauswahl genommen? Nein, sagt er. Als nächster stellt SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer die Fragen. Diese drehen sich um mutmaßliche Interventionen von ÖVP-Kabinettsmitarbeitern im Steuerfall Sigi Wolf. Und dann beginnt auch schon, was den restlichen Befragungstag prägen wird: die Debatte, ob die Frage zulässig ist oder nicht. Über eine Stunde lang versucht Krainer die Frage zu stellen, ob Nehammer Wahrnehmungen zu mutmaßlich mit Steuergeld bezahlten Umfragen zugunsten der ÖVP habe, Stichwort Beinschab-Tool.
Er stellt diese Frage in verschiedensten Variationen, doch immer wieder wird sie vom Verfahrensrichter als zu unpräzise abgewiesen. Dann wird endlich eine zugelassen: „Haben Sie Wahrnehmungen, ob der ÖVP im Gegenzug für Aufträge des Bundesministeriums für Inneres an die GfK Austria Rabatte gewährt wurden?“ Dazu habe er keine Wahrnehmungen, sagt der Kanzler. Vom Beinschab-Tool habe er aus den Medien erfahren. Auch mit der Frage, ob Teile dieser Studien mit Steuergeld bezahlt wurden, hat Krainer kein Glück.
Vor allem Andreas Hanger und Christian Stocker tun sich als ÖVP-Aufpasser hervor. Bei so gut wie jeder Frage von Krainer beschweren Sie sich darüber, dass diese angeblich nicht zulässig sei, weil sie sich nicht auf den Untersuchungsgegenstand beziehe. Auch die Akustik wird ins Spiel gebracht. Besonders Hanger wird nicht müde zu betonen, dass eine Partei kein Untersuchungsgegenstand sein könne. NEOS-Fraktionsführerin Steffi Krisper räumt gegenüber ZackZack ein, dass Krainer Fragen zwar teils unklar formuliert habe, aber zum Schluss sei nichts mehr einzuwenden gewesen. Da habe Krainer Fragen zu ÖVP-Tätigkeiten hinreichend mit Handlungen der Exekutive verknüpft. Da sei der Richter sehr streng gewesen.
Lebensläufe als “Bürgeranliegen”
FPÖ Fraktonsführer Hafenecker und Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli führen die Befragung fort. Insbesondere Fragen dazu, ob Nehammer bei Postenbesetzungen jemals zugunsten ÖVP-naher Bewerber interveniert hätte, verneint dieser. Er verweist darauf, dass im Zuge des Umbaus des Verfassungsschutzes eine unabhängige Kommission eingesetzt worden sei, um zu verhindern, dass Personalentscheidungen intransparent getroffen würden. Mails mit persönlichen Bitten, sich den einen oder anderen Lebenslauf einmal anzuschauen, bezeichnet die ÖVP als „Bürgeranliegen“, auch jene von ehemaligen Nationalratsabgeordneten. Entscheidend sei, wie man mit solchen umgehe, betont Nehammer.
Unter anderem fragt Hafenecker, warum Nehammer Andreas Holzer zum Chef des Bundeskriminalamts gemacht habe, obwohl dieser als Leiter der SOKO Tape rund um die Ermittlungen zum Ibiza-Video in „Erklärungsbedarf“ geraten sei. Nehammer erwidert, Holzer sei geeignet gewesen und sehr resistent gegenüber öffentlichem Druck, das habe ihn qualifiziert.
Um 16 Uhr wird die Befragung von Nehammer schließlich beendet, man will sich noch Zeit für Alexander Schütz nehmen, ein Unternehmer, der immer wieder an die ÖVP gespendet hat. Die Fraktionsführer ziehen ein gedämpftes Resümee nach Nehammers Befragung: “Es ist keine Rede von voller Aufklärung, die ÖVP macht dort weiter, wo sie im Ibiza-Untersuchungsausschuss aufgehört hat”, sagt etwa Krainer. “Dass Nehammer antwortet er sei in der ÖVP nicht zuständig gewesen, das hat nichts mit Aufklärung zu tun. Es wird hier dafür gesorgt, dass möglichst keine funktionierende Befragung zustande kommt.” Auch Stephanie Krisper sagt: “Zuerst volle Transparenz zusichern und dann das. Nehammer muss keine Debatten abwarten, er kann einfach antworten.”
(sm/pma)
Titelbild: APA Picturedesk