Freitag, April 19, 2024

Opposition befragt Nehammer im U-Ausschuss

Viele Fragen, kaum Antworten

Der ÖVP-Untersuchungsausschuss startete am Mittwoch mit vielen abgewiesenen Fragen, kaum Antworten und wenig Inhalt. Die ÖVP hielt die Opposition hin – die blieb hartnäckig. Nehammers Befragung zog sich mit Unterbrechungen über fünf Stunden hin.

Wien, 2. März 2022 | Pressefotografen, Kamerateams und Journalisten stehen in der Wiener Hofburg bereit. Der ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss beginnt… erst einmal nicht. Bundeskanzler Karl Nehammer, die erste Auskunftsperson in diesem U-Ausschuss, ist für 10 Uhr geladen. Doch der Beginn der Befragung verzögert sich. Den Grund erklärt FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker der wartenden Presse so: Sobotka habe die Tonanlage umprogrammieren lassen, sodass die Abgeordneten ihre Mikrofone nicht selbst einschalten könnten, sondern nur er das Wort erteilen und es auch jederzeit per Knopfdruck nehmen könne. Das stößt nicht auf Gegenliebe und löste eine Geschäftsordnungsdebatte aus: Alle außer der ÖVP sprechen sich gegen Sobotkas Allmacht über die Mikrofone aus, die Tonanlage müsse wieder zurück in den Ursprungszustand.

Als er schließlich am Wort ist, dauert Nehammers Eingangsstatement knapp zehn Minuten – 20 wären erlaubt gewesen. Seine Gedanken seien bei den Menschen in der Ukraine und beim Krieg in Europa, sagt er. Der Vorsitzende des U-Ausschusses, Wolfgang Sobotka, tippt auf seinem Handy herum. Nehammer betont einstweilen die Begriffe „Transparenz“, „Aufklärung“ und „Klarheit“ und stellt klar, dass er dafür auch hier sei.

Aufdecken oder doch eher zudecken?

In seinem einführenden Pressestatement stellt SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer in den Raum, dass sich im U-Ausschuss zeigen werde, ob Nehammer “wirklich daran interessiert sei aufzudecken, oder eher zuzudecken”. Die ersten Fragen des Verfahrensrichters beantwortet Nehammer sehr knapp. „Was wissen Sie über das Projekt Ballhausplatz? Nehammer: „Das, was die Medien darüber wissen.“ Hat er selbst mitgewirkt, kennt er involvierte Personen? „Ich kenne Sebastian Kurz. Nein, ich war nicht involviert.“ Es folgen Fragen zum alten Kurz-Think Tank “Think Austria”, zum inhaftierten ÖVP-Großspender Markus Braun, Sideletter, BVT und zum neuen DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner. Besonders informativ fallen die Antworten nicht aus.

Zu den Nebenabsprachen der Koalitionsverhandlungen, die als Sideletter bekannt geworden sind, sagt Nehammer, er habe immer gewusst, dass es solche Abmachungen gegeben habe. Er sei aber nie aktiv involviert gewesen. Er sei auch nicht Teil des Verhandlungsteams gewesen. Zumindest 2017, während der Koalitionsverhandlungen zu Türkis-Blau, war Nehammer allerdings Teil der Untergruppe „Sicherheit, Ordnung und Heimatschutz“. Ob sich diese Aussage des Bundeskanzlers noch rächen wird, wird wohl erst das Protokoll zeigen.

Der erste Fraktionsführer, der mit den Fragen beginnen darf, ist Andreas Hanger von der ÖVP. Er nutzt die Gelegenheit, erst einmal vom Thema abzulenken – Stichwort sogenannte “Leaks” aus dem BVT und Egisto Ott (ZackZack berichtete im Vorfeld über die Strategie der ÖVP). Er fragt Nehammer nach seinen Wahrnehmungen dazu und behauptet gleich im Anschluss, dass Egisto Ott Informationen an die FPÖ und ins Ausland verkauft habe. Er soll laut Hanger ÖVP-Angehörige ausspioniert haben – Protest von der FPÖ. Daraufhin ergänzt Hanger seine Aussage um „mutmaßlich“. In welchem Zusammenhang diese Frage zum Untersuchungsgegenstand stehe, fragt Krainer und bittet um eine Stehung. Doch auch danach wird die Frage vom Verfahrensrichter zugelassen. Damit bietet er Nehammer eine Bühne. Dieser gibt sich als internationaler Brückenbauer und Erneuerer des Staatsschutzes.

Lange Geschäftsordnungsdebatten: Keine Frage von Krainer beantwortet

Es folgen Fragen zur Personalbesetzungskommission des Verfassungsschutzes. Hat Nehammer Einfluss auf die Personalauswahl genommen? Nein, sagt er. Als nächster stellt SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer die Fragen. Diese drehen sich um mutmaßliche Interventionen von ÖVP-Kabinettsmitarbeitern im Steuerfall Sigi Wolf. Und dann beginnt auch schon, was den restlichen Befragungstag prägen wird: die Debatte, ob die Frage zulässig ist oder nicht. Über eine Stunde lang versucht Krainer die Frage zu stellen, ob Nehammer Wahrnehmungen zu mutmaßlich mit Steuergeld bezahlten Umfragen zugunsten der ÖVP habe, Stichwort Beinschab-Tool.

Er stellt diese Frage in verschiedensten Variationen, doch immer wieder wird sie vom Verfahrensrichter als zu unpräzise abgewiesen. Dann wird endlich eine zugelassen: „Haben Sie Wahrnehmungen, ob der ÖVP im Gegenzug für Aufträge des Bundesministeriums für Inneres an die GfK Austria Rabatte gewährt wurden?“ Dazu habe er keine Wahrnehmungen, sagt der Kanzler. Vom Beinschab-Tool habe er aus den Medien erfahren. Auch mit der Frage, ob Teile dieser Studien mit Steuergeld bezahlt wurden, hat Krainer kein Glück.

Vor allem Andreas Hanger und Christian Stocker tun sich als ÖVP-Aufpasser hervor. Bei so gut wie jeder Frage von Krainer beschweren Sie sich darüber, dass diese angeblich nicht zulässig sei, weil sie sich nicht auf den Untersuchungsgegenstand beziehe. Auch die Akustik wird ins Spiel gebracht. Besonders Hanger wird nicht müde zu betonen, dass eine Partei kein Untersuchungsgegenstand sein könne. NEOS-Fraktionsführerin Steffi Krisper räumt gegenüber ZackZack ein, dass Krainer Fragen zwar teils unklar formuliert habe, aber zum Schluss sei nichts mehr einzuwenden gewesen. Da habe Krainer Fragen zu ÖVP-Tätigkeiten hinreichend mit Handlungen der Exekutive verknüpft. Da sei der Richter sehr streng gewesen.

Lebensläufe als “Bürgeranliegen”

FPÖ Fraktonsführer Hafenecker und Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli führen die Befragung fort. Insbesondere Fragen dazu, ob Nehammer bei Postenbesetzungen jemals zugunsten ÖVP-naher Bewerber interveniert hätte, verneint dieser. Er verweist darauf, dass im Zuge des Umbaus des Verfassungsschutzes eine unabhängige Kommission eingesetzt worden sei, um zu verhindern, dass Personalentscheidungen intransparent getroffen würden. Mails mit persönlichen Bitten, sich den einen oder anderen Lebenslauf einmal anzuschauen, bezeichnet die ÖVP als „Bürgeranliegen“, auch jene von ehemaligen Nationalratsabgeordneten. Entscheidend sei, wie man mit solchen umgehe, betont Nehammer.

Unter anderem fragt Hafenecker, warum Nehammer Andreas Holzer zum Chef des Bundeskriminalamts gemacht habe, obwohl dieser als Leiter der SOKO Tape rund um die Ermittlungen zum Ibiza-Video in „Erklärungsbedarf“ geraten sei. Nehammer erwidert, Holzer sei geeignet gewesen und sehr resistent gegenüber öffentlichem Druck, das habe ihn qualifiziert.

Um 16 Uhr wird die Befragung von Nehammer schließlich beendet, man will sich noch Zeit für Alexander Schütz nehmen, ein Unternehmer, der immer wieder an die ÖVP gespendet hat. Die Fraktionsführer ziehen ein gedämpftes Resümee nach Nehammers Befragung: “Es ist keine Rede von voller Aufklärung, die ÖVP macht dort weiter, wo sie im Ibiza-Untersuchungsausschuss aufgehört hat”, sagt etwa Krainer. “Dass Nehammer antwortet er sei in der ÖVP nicht zuständig gewesen, das hat nichts mit Aufklärung zu tun. Es wird hier dafür gesorgt, dass möglichst keine funktionierende Befragung zustande kommt.” Auch Stephanie Krisper sagt: “Zuerst volle Transparenz zusichern und dann das. Nehammer muss keine Debatten abwarten, er kann einfach antworten.”

(sm/pma)

Titelbild: APA Picturedesk

Stefanie Marek
Stefanie Marek
Redakteurin für Chronik und Leben. Kulturaffin und geschichtenverliebt. Spricht für ZackZack mit spannenden Menschen und berichtet am liebsten aus Gerichtssälen.
LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

25 Kommentare

  1. Was unserem Land guttäte, wäre eine direkt vom Volk gewählte, moralisch erhabene Person die über der Tagespolitik steht.
    Wir könnten diese Person – wenn z.B. die Kanzlerpartei Verfassung, Parlament und Volk zu sehr verhöhnt – auch mit umfassenden Rechten ausstatten um den Nationalrat aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen.

  2. Krainer wurde abmontiert. Krainer wird als Hauptgegner wahrgenommen. Als Gegner alle. Das ist problematisch, wenn man bedenkt, dass die Parlamentarier dem Parlament verpflichtet sein müssen, nicht einer Partei. Insofern müssten alle anwesenden ein Interesse an Aufklärung haben wollen. Das Abomontieren von Krainer soll diesen verunsichern, zermürben. Das ist also die Strategie. Der erste Tag war seltsam. Nicht nur deswegen.

    Der Untersuchungsgegenstand ist die ÖVP bezüglich möglicher Korruption. Es wurden aber nur Fragen zugelassen (bei Krainer), die sich auf die Regierungstätigkeit bezogen. Das habe ich nicht verstanden. Denn die Partei kann ja auch anderwertig korrupt sein. Wurde hier (mit Pöschl) falsch gespielt oder war der Untersuchungsgegenstand zu eng gefasst? Weiß das wer?

    • Lieber plot_in,
      (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 1390/2021). Untersuchungsgegenstand des Ausschusses ist, inwiefern Vorteile an mit der ÖVP verbundene Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes zu parteipolitischen Zwecken gewährt und damit Gesetze gebrochen wurden.
      Dass die schwarze Mafia immer versucht Präjudize zu schaffen, die dann zeitintensiv diskutiert und selbst untersucht werden müssen, ist eine altbekannte Ablenkungs- u. Vernebelungstaktik. Beim Ibiza-UA, wollten selbige auch nur Fragen zur FPÖ zulassen. Der VfGH entschied dagegen…
      Es muss heller werden Österreich!

    • Lieber plot_in, der aktuelle UATitel lautet:

      “Sitzung des Untersuchungsausschusses betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen
      ÖVP-Regierungsmitglieder”;
      Parlamentskorrespondenz Nr. 78 vom 26.01.2022
      Es muss heller werden Österreich!

  3. Ein dermaßen agierender Vorsitzender gibt den inkriminierten, korrupten und verlogenen Befragten die notwendige Zeit und Sicherheit, ohne gröbere Schäden davonzukommen. Soferne sie überhaupt bereit sind, vor dem UA zu erscheinen. Würde jede unrichtige Aussage der Befragten mit 10 Euro vergebührt werden, käme am Ende des UA so viel Geld zusammen, um damit das Budget zu sanieren…
    Es muss heller werden Österreich!

  4. Gerade eine Rundschau auf Twitter beendet.
    Armin Wolf (Sebstbeschreibung auf Twitter: Für Fakten u. gegen Unwahrheiten im demokratischen Diskurs.)
    und auch Martin Thür( Selbstbeschreibung: Journalist • Reisender • I’ve got opinions. Facts, too.) erwähnen in keinem Tweet den UA.
    Soviel zu den beiden immer laut schreienden “unabhängigen” Topfjournalisten.

  5. Parteisoldat der vier tote zu verantworten hat…
    Das ist der “BK” und das soll in einer Demokratie möglich sein…nein…Regime ja….

  6. Ich hoffe ja doch das sich der Wähler bei der nächsten Wahlen an diese ÖVB erinnert und der ÖVB und auch gleich den Grünen eine Watschen einehaut dass die Orwaschl nur so rauschen?

  7. So ein verlogener widerwärtiger Typ. Die 4 Toten vom Terroranschlag unter ihm als Innenminister waren und sind ihm egal. Das 12 jährige Mädchen war ihm egal und hat sie mit Hunden und Polizei wie eine Schwerstverbrecherin ihrer Heimat verwiesen.
    Jetzt kreisen seine “Gedanken” um die Familien in der Ukraine….
    Erstick an deinen widerwärtigen Lügnereien…

    • Nicht vergessen, er schickte auch eine Sondereinheit mit Sonderfahrzeug nach GR um Flüchtlinge an der Grenze zur Türkei zurück zu prügeln…GR prügelte mit einsatz von Tränengas (in DE hergestellt) Flüchtlinge an der Grenze zurück die Erdowahn Richtung GR trieb um die EU zu erpressen…
      Und der widerliche Kicklnachfolger tat fleissig mit….

  8. Danke an die Redaktion für den Stimmungsbericht!
    Das Coaching mit dem dt. Experten kann zwei sensationelle Erfolge verbuchen:
    1. Nehammer macht vor dem UA eine Presseaussendung zum Thema Fair Play, woraufhin
    2. Sobotka den Abgeordneten das Mikro abdreht.
    Was wird für diesen Expertentipp den Steuerzahlern verrechnet?

  9. was hat man sich erwartet?
    es ist ein unwürdiges schauspiel, dass die övp vor allem in person von sobotka und hanger da abliefert.

    ich glaub trotzdem, dass den türkisen das alles nix nutzen wird.
    auf lange sicht lässt sich das mit allen tricks nicht mehr unter den teppich kehren.

    jetzt grad profitieren sie halt auch vom putinkrieg.
    aber auch das wird sich wieder ändern.

Kommentarfunktion ist geschlossen.

Jetzt: Polizeiäffäre "Pilnacek"

Denn: ZackZack bist auch DU!