Freitag, März 29, 2024

Weltfrauentag: Für Frauen ein Kampftag wie jeder andere – Ein Überblick

Ein Überblick

Am 8. März machten  Frauenorganisationen auf die vielen Baustellen in Österreichs Frauenpolitik aufmerksam. ZackZack gibt einen kurzen Überblick. 

Wien, 08. März 2022 | Der internationale Frauentag ist kein Tag zum Feiern. Darin waren sich  Vertreterinnen österreichischer Frauenschutzorganisationen bei einer Pressekonferenz am Dienstag einig. Vielmehr sei der 8. März ein Kampftag. Denn Frauen sei fast nie etwas zugestanden worden, ohne dass sie dafür kämpfen mussten. Wenn es nach Maria Rösslhumer, der Geschäftsführerin der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser geht, dann müsste jeder Tag ein Kampftag sein, „gegen das Patriarchat, gegen Gewalt an Frauen und für Gleichberechtigung.”

Denn die Liste der frauenpolitischen Baustellen, die es in Österreich zu bewältigen gibt, ist lang, auch wenn der diesjährige Frauentag für Frauenschutzorganisationen im Zeichen geflüchteter Frauen und Kinder steht. Diese Liste werde mit der aktuellen Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) nicht kürzer, kritisierte SPÖ-Frauensprecherin Eva-Maria Holzleitner bei der Pressekonferenz. ZackZack gibt einen Überblick über die Lage der Frauen in Österreich.

Gewalt gegen Frauen

Trauriges Thema Nummer eins ist auch heuer wieder Gewalt an Frauen. Ein großes Problem: es gibt keine offiziellen Statistiken zu Gewalt gegen Frauen und zu Frauenmorden. Der AÖF stellt folgende Zahlen bereit: Im Jahr 2021 gab es 31 Morde an Frauen, davon 30 – mutmaßlich – durch (Ex-)Partner, Bekannten oder Familienmitglied. Dieses Jahr waren es bereits fünf Morde an Frauen, vier davon mutmaßlich von nahestehenden Personen. Acht Fälle wurden zu schwerer Körperverletzung oder versuchtem Mord dokumentiert. Im Vorjahr waren es 63 Fälle.

Jede fünfte Frau ist ab ihrem 15. Lebensjahr körperlicher und oder sexueller Gewalt ausgesetzt. Jede dritte Frau musste seit ihrem 15. Lebensjahr eine Form von sexueller Belästigung erfahren. Frauen sind Gewalt am stärksten in den eigenen vier Wänden ausgesetzt, egal welcher Herkunft, welche Bildungsschicht und welchen Einkommens. Trotzdem sorgte eine Aussendung des Bundeskriminalamts vor einigen Wochen für Unverständnis, das dieses in Vorbereitung auf den Frauentag an ausgewählte Gemeinden geschickt hatte. Darin gab die Polizei Frauen “Verhaltenstipps” für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum, und schob damit Frauen (und nicht etwa potenziellen Tätern) die Verantwortung für ihre Sicherheit zu. Auch am zuletzt von der Regierung präsentierten Gewaltschutzpaket, gab es einiges an Kritik. Und: „Wir brauchen eine Frauenpolitik, die nicht beim Gewaltschutz aufhört“, so Elisabeth Cinatl, die Vorsitzende des Netzwerks österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen. Denn Gewaltschutz sei wichtig, aber Frauenpolitik sei viel mehr als das.

Immer noch mehr Teilzeit und weniger Gehalt

Im Dezember 2021 sorgte Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) in einem „Standard“-Interview für Empörung, in dem er de facto Frauen zumindest eine Teilschuld dafür gab, dass Arbeitskräftemangel herrscht. „Wenn alle Frauen, die Teilzeit beschäftigt sind, nur ein paar Stunden mehr arbeiten würden, hätten wir kein Arbeitskräfteproblem mehr“, analysierte Kocher die Lage.

2020 haben laut Statistik Austria nur 10,7 Prozent der Männer Teilzeit gearbeitet, aber 47,3 Prozent der Frauen. Einer der Gründe dafür ist, dass Frauen nach wie vor typischerweise die Haushaltsarbeit und die Kinderbetreuung überlassen wird. Wenn Kinder im betreuungspflichten Alter – also bis 15 Jahre – im Haushalt leben, gehen 90,9 Prozent der Männer und nur 67,7 Prozent der Frauen in Teilzeit.

Noch dazu sinkt der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen in den vergangenen Jahren nur langsam. Jährlich zeigt der Equal Pay Day an, wie viele Tage im Jahr Frauen im Vergleich zu Männern gratis arbeiten. Berechnungsgrundlage ist immer die Arbeitsmarktstatistik des vergangenen Jahres. 2022 arbeiten Frauen demnach 46 Tage gratis, um neun Tage weniger als 2021. Der geschrumpfte Gender Pay Gap ist aber das Ergebnis einer statistischen Verzerrung. Denn während der Pandemie sind vor allem Frauen aus der Erwerbsstatistik gefallen, weil sie eher ihre Jobs verloren haben.

Situation von Migrantinnen und Altersarmut

Die Frauenorganisationen fordern, dass das Arbeitsverbot für asylsuchende Frauen aufgehoben wird. Sie würden dadurch an den Rand der Gesellschaft gedrängt. „Die Fremdengesetze müssen überarbeitet werden zu modernen, nicht-diskriminierenden Maßnahmen, die die Wertschätzung für die Menschen und ihre Menschenrechte im Zentrum hat“, forderte Rosa Logar von der Allianz GewaltFREI Leben. Mit dem Ende des Arbeitslebens ist allerdings kein Ende der Ungleichheit in Sicht. Vielmehr sind Frauen dann überdurchschnittlich von Altersarmut bedroht. 25 Prozent von alleinlebenden Pensionistinnen sind von Armut gefährdet, daneben nur 19 Prozent von alleinlebenden Pensionisten.

Frauenorganisationen im Prekariat

Nicht nur die Arbeitssituation von Frauen ist prekär, sondern auch jene der Frauenschutzorganisationen. Die Belastung während der Corona-Pandemie ist auch hier gestiegen. „In den letzten zwei Jahren wussten viele in meinem Team nicht, woher sie die Kraft nehmen“, sagte Elisabeth Cinatl.

Seit Frühjahr 2021 fordern Frauenschutzorganisationen 228 Millionen zusätzliches Budget und 3000 Vollzeitstellen. Die Betreuenden sind überarbeitet und unterbezahlt. Laut Rosa Logar kommen auf „jede Beraterin 250 bis 300 Überlebende von Gewalt pro Jahr zu betreuen“. Damit sei es nicht möglich, Frauen nachhaltig aus einer Gewaltbeziehung zu holen. Sie fordert einen gesetzlichen Betreuungsschlüssel, wie es ihn für die Bewährungshilfe gibt – dort dürfen auf eine betreuende Person maximal 35 zu Betreuende kommen.

Die Frauenschutzorganisationen sehen sich in einer zentralen gesellschaftlichen Rolle und vergleichen sich mit Intensivstationen in der Gewaltprävention, die Leben retten, wenn es zum Äußersten kommt. Und sie sehen sich als Lobby für jene, die keine Stimme haben. „Wir sind Mahnwachen für die Politik und für die jeweilige Regierung, um auf die Schieflagen und auf die Baustellen immer wieder hinzuweisen“, sagte Maria Rösslhumer.

Forderung nach mehr Einbindung in politische Entscheidungen

Frauenorganisationen wollen von der Politik eingebunden werden, wenn Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen und gegen Diskriminierung von Frauen und Mädchen erarbeitet werden. „Sprechen Sie mit uns auf Augenhöhe. Wir haben Ideen, wir wissen, wie es Frauen und Mädchen geht“, appelliert Elisabeth Cinatl an die Regierung.

Jüngst stellte die Regierung einen Notruf für Frauen vor, in dessen Entwicklung viele Frauenschutzorganisationen nicht eingebunden waren. Maria Rösslhumer fordert die Regierung auf, künftig alle Frauenschutzorganisationen an den Tisch zu holen, auch jene, die geflüchtete und migrierte Frauen betreuen: „Damit nicht weiter ein Keil in unsere Arbeit getrieben wird und alle von den Finanzierungen gleich profitieren.“

(pma/sm)

Titelbild: HELMUT FOHRINGER / APA Picturedesk

Stefanie Marek
Stefanie Marek
Redakteurin für Chronik und Leben. Kulturaffin und geschichtenverliebt. Spricht für ZackZack mit spannenden Menschen und berichtet am liebsten aus Gerichtssälen.
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5 Kommentare

  1. Solche Tage gehören abgeschafft, genauso wie das Frauenministerium. Dieses ist nicht weiter als ein Lobbyministerium für Frauen, damit diese noch mehr Extrawürste bekommen und um Männer institutionell zu benachteiligen.

  2. Eine noble Geste – beim Artikel Frauenministerin die Kommentafunktion auszublenden. Damit wollte man wohl heute unpassende Kommentare zur Notwendgkeit eines Frauenministeriums unterbinden. Mit gutem Grund.

  3. Solange man nicht von staatlicher Seite dafür sorgt, dass die Kinderbetreuung von klein auf verbessert wird sowie breiter verfügbar ist und der Verdienst für gleiche Arbeit noch immer nicht derselbe ist, wird sich an der höheren Teilzeitquote leider nichts ändern. Zumal junge Familien oft auf jeden Euro mehr angewiesen sind.
    Damit sich das Gehalt für gleiche Arbeit endlich angleicht, müsste man von staatlicher Seite aus Anstrengungen unternehmen, dass das Einstellen junger Frauen für Arbeitgeber keinerlei wirtschaftlichen Nachteil (aufgrund des Risikos eines vorübergehenden Karenz-Ausfalls) mehr darstellt.

    In beiden Angelegenheiten sehe ich leider derzeit keine wahnsinnig große Anstrengungen und alles andere würde mich von einer überwiegend konservativen Regierung auch überraschen.

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