Ein vernichtendes Urteil zieht die Hofburg über die angekündigte Reform von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP). Sie “verkompliziere” Arbeitsbeziehungen und sei eine „Gefahr höchsten Ausmaßes“ für die Einsatzführung.
Wien, 09. März 2022 | Zwischen Hofburg und Verteidigungsministerium ist ein Streit ausgebrochen. Verteidigungsministerin Klaudia Tanner möchte eine Reorganisation des Bundessheeres. Doch die Hofburg, in Person von Thomas Starlinger, früherer Verteidigungsminister und Adjutant von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, sieht in der geplanten Reform des Bundesheeres eine massive Gefahr für “die zukünftige Einsatzführung des österreichischen Bundesheers”, berichtete “Der Standard”.
Tanner “verkompliziert”
Die Reform sieht kurz gesagt vor, dass aus fünf Sektionen künftig drei Generaldirektionen werden, von denen zwei zivil geführt sind. Starlinger kritisiert laut dem “Standard”-Bericht in einer E-Mail an das Verteidigungsministerium, dass mit dieser neuen Struktur die strategischen, operativen und taktischen Ebenen verschmolzen werden. Für eine solche militärische Struktur gebe es international keine Vorbilder. Durch die vielen verschiedenen Direktorate, die den drei Generaldirektionen unterstehen, “verkomplizieren” sich außerdem die Arbeitsbeziehungen, argumentiert Starlinger. Das sei ihm schon von anderen Kommandanten und “einigen Direktoren” bestätigt worden.
Ministerium will auf Videokonferenz im Krieg setzen
Aber auch andere Pläne “gefährden eine praktikable Einsatzführung im höchsten Ausmaß”, schreibt Starlinger: etwa, dass die Direktorate auf drei Standorte aufgeteilt werden, nämlich Wien, Graz und Salzburg. Dass das Ministerium offenbar auf Videokonferenzen setzt, “kann aufgrund der massiven Bedrohung von Kommunikationssystemen in einem militärischen Anlassfall als im höchsten Ausmaß ‘unzuverlässig’ beurteilt werden”, kritisiert Starlinger.
Im Hintergrund heißt es, dass der Konflikt vor allem ein Match zwischen Starlinger und Rudolf Striedinger sei. Letzterer ist Tanners Kabinettschef, zuvor war er im Abwehramt tätig. Beide sollen auf die Position des Generalstabchefs spitzen, die im Juni 2022 frei wird, und stark unterschiedliche Vorstellungen von der Zukunft des Heeres haben. Striedinger, der auch dem Corona-Beratungsstab Gecko vorsteht, hat vor zwei Jahren die militärische Landesverteidigung für obsolet erklärt und angekündigt, diese auf ein Minimum reduzieren zu wollen. Das Militär solle sich auf Cyber-Defense und Katastrophenschutz konzentrieren, meinte Striedinger. Starlinger soll dagegen auf konventionelle Konflikte fokussiert sein.
Auf Anfrage betont die Präsidentschaftskanzlei, dass derzeit “konstruktive Gespräche” mit dem Ministerium liefen. Aus dem Büro Tanner heißt es: “Sowohl das Konzept als auch die Vorgehensweise, insbesondere die begleitende Kontrolle durch die Direktion Kontrolle wurden mit Generalmajor Starlinger abgestimmt. Auch in der Überleitungsphase wurden der Herr Bundespräsident, die Wehrsprecher der Parteien, die Bundesheerkommission und der Bundesrat mehrfach über den Stand informiert.” Man sei laufend in Abstimmungsgesprächen.
Tanner-Ministerium bereits in der Vergangenheit im Clinch
Es ist jedoch nicht die erste Auseinandersetzung zwischen Verteidigungsministerium und Hofburg. Tanner hatte Van der Bellen zweimal ihren Wunschkandidaten für die Leitung des Truppenübungsplatzes in Allentsteig vorgeschlagen. Van der Bellen lehnte den Kandidaten allerdings ab, woraufhin Tanner den Vorschlag zurückzog. Doch Tanner hatte ihren vorgeschlagenen Oberst „mit der Leitung betraut“, ohne den Ernennungsvorgang abzuschließen. Gegenüber dem “Standard” begründete das Verteidigungsministerium: “Der Grund, warum Herr Bundespräsident den vorgeschlagenen Kommandanten des Truppenübungsplatzes nicht ernannt hat, entzieht sich unserer Kenntnis.”
Doch die Hofburg widersprach vehement. „Selbstverständlich“ habe man Tanners Ministerium die Gründe für die Nichternennung „zur Kenntnis gebracht. Daraufhin zog dieses den Antrag zurück.”
SPÖ: Die Reform muss gestoppt werden
SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer sah sich in seiner Kritik an der Reform bestätigt: “Diese Reform muss gestoppt werden. Der Bundeskanzler kann nicht weiter zusehen, wie seine Verteidigungsministerin die Wehrfähigkeit unseres Bundesheeres für eine Postenschacherreform aufs Spiel setzt. Die Einsatzfähigkeit und Einsatzorientierung des Bundesheeres erfahren keinen Mehrwert durch diese hochbürokratische Reform.” Laimer warnte in einer Aussendung Dienstagabend davor, das Bundesheer zu einer Sicherheitsbehörde à la Polizei zu machen: “Das Bundesheer braucht keine Direktoren, es braucht Kommandanten. Die Kritik des Adjutanten des Bundespräsidenten Thomas Starlinger bestätigt das vehemente Auftreten der SPÖ gegen diese fehlgeleitete Reform.”
(apa/bf)
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