JVP-Parteitag:
Der ORF übertrug den Parteitag der Jungen Volkspartei ohne jegliche journalistische Einordnung. Die Rundfunkregulierungsbehörde RTR stellte fest: Das war ungesetzlich.
Wien, 10. März 2022 | Zwei Stunden Livestream in der TVThek. Das war dem ORF der Parteitag der JVP am 15. Mai 2021 wert. Regie und Bilder kamen von der Jungen Volkspartei, JVP-Werbespot inklusive. Aus journalistischer Sicht sei das “völlig untragbar”, ließ der ORF-Redakteursrat wissen. Für die Übertragung habe es keinen journalistischen Grund gegeben. ZackZack hat ausführlich berichtet.
“Politische Wunscherfüllung” also? Dieser Eindruck entstehe jedenfalls, befürchteten die ORF-Redakteure. Verantwortlich für die Ausstrahlung war der Vizedirektor der technischen Direktion, Thomas Prantner. Er galt als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge von Andreas Wrabetz als ORF-Generalsekretär. Das Rennen machte schließlich ein anderer von der ÖVP favorisierter Kandidat, Roland Weißmann.
RTR sieht Rechtsverletzung
Wurde nicht nur ein politischer Skandal ausgelöst, sondern auch Recht verletzt, indem der ORF die JVP-Veranstaltung übertrug? Die Antwort: Ja. Das stellte die Rundfunkregulierungsbehörde RTR am Dienstag in einem 90-seitigen Erkenntnis fest.
Aus dem Entscheid der RTR. Der ORF muss über den Gesetzesbruch informieren.
Das ORF-Gesetz legt fest, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk online Berichterstattung liefern darf, die sich “auf die wichtigsten tagesaktuellen Geschehnisse” bezieht. Dazu zählt der Parteitag der ÖVP-Jugendorganisation nicht. Es handelt sich laut RTR auch nicht um einen “sendungsbegleitenden Inhalt” – ein solcher wäre erlaubt.
Kein sendungsbegleitender Inhalt
In den Sendungen des ORF spielte der Parteitag aber kaum eine Rolle – lediglich die Wahl der neuen JVP-Chefin, der heutigen Staatssekretärin Claudia Plakolm, wurde kurz vermeldet. Für die RTR war die kurze Meldung aber nicht ausreichend, da eine zugrundeliegende Sendung fehlte, die den zweistündigen Livestream rechtfertigen würde.
Die RTR erlegt dem ORF nun auf, auf der Website der TVThek die heutige Erkenntnis zu veröffentlichen. Das Erkenntnis ist noch nicht rechtsgültig, der ORF kann noch Beschwerde einlegen, dann müsste das Bundesverwaltungsgericht entscheiden.
„Rundfunk-Aufsicht funktioniert“
„Es ist erfreulich, dass die Aufsichtsbehörde nach den Bestimmungen des Rundfunkgesetzes funktioniert“ sagt Medienwissenschaftler Fritz Hausjell von der Universität Wien. Die ORF-Führung müsse sich schon länger den Vorwurf gefallen lassen, unter türkisem Druck in die Knie gegangen zu sein. „Das beste Beispiel ist die Wahl des jetzigen Generaldirektors Roland Weißmann“, sagt Hausjell. Dass der ORF die RTR-Erkenntnis nun auf der Website veröffentlichen muss, sei vor diesem Hintergrund „sicherlich nicht angenehm“.
„Die Entscheidung der RTR muss für Geschäftsführung und Entscheidungsträger ein deutlicher Hinweis sein, wo unabhängiger Journalismus aufhört und die Liebdienerei gegenüber Regierungspolitikern beginnt“, sagt Hausjell. Die politischen Parteien hätten „mehr als genug“ Plattformen, auf denen sie ihre Inszenierungen ausspielen könnten. Der ORF, mit seinen vielen kritischen Journalistinnen und Journalisten, gehöre nicht dazu.
(fb/tw)
Titelbild: APA Picturedesk