Inseratenaffäre
Hannes Schuh nahm das Beinschab-Österreich-Tool genau unter die Lupe. Finanzprokuratur-Präsident Wolfgang Peschorn soll verhindert haben, dass sein voller Bericht öffentlich wurde.
Wien, 10. März 2022 | In rund 20 Jahren als Leiter der Internen Revision (IR) hätte er so etwas noch nie erlebt, sagt Hannes Schuh zu den Interventionen von Finanzprokuratur-Präsident Wolfgang Peschorn. Hannes Schuh war am 8. Oktober 2021 von Damals-Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) beauftragt worden, die Vergabe von Inseraten, Steuern und Umfragen im Finanzministerium seit 2015 zu untersuchen, mit Fokus auf die “Österreich”-Mediengruppe. Peschorn wollte über den Status der IR-Untersuchung stets gut informiert bleiben und sorgte laut Schuh schließlich dafür, dass der eigentliche Schlussbericht nicht öffentlich wurde.
Am 12. Oktober wurde das sogenannte „Beinschab-Österreich-Tool“ der breiten Öffentlichkeit medial bekannt, über das die ÖVP laut Chats via Finanzministerium Umfragen in Auftrag gegeben und zu ihrem Vorteil frisiert hatte. Beinschab belastete in ihrer Einvernahme am 13. Oktober Sebastian Kurz‘ Umfeld stark.
Eigentlicher Bericht wurde zum „Anhang“
Ein Team aus fünf Personen prüfte die Vergaben des Finanzministeriums an die Mediengruppe “Österreich” – um Vergaben an andere Medien zu prüfen, fehlten die Zeit und ein entsprechender Auftrag. Aufträge für Studien, Umfragen und Inserate laufen im Finanzministerium direkt über die Kommunikationsabteilung. Kontrollmechanismen oder eine ordentliche Strategie und Planung zu Vergaben gibt es nicht – ein Kritikpunkt von Schuh.
Ende November lag der fertige Bericht vor, im Umfang von 142 Seiten. Laut Schuh hat Wolfgang Peschorn aber entschieden, den Bericht der IR nicht zu veröffentlichen. Stattdessen sollte der eigentliche Bericht zum Anhang erklärt und eine Zusammenfassung medienöffentlich gemacht werden. Hannes Schuh bekam den Auftrag, eine solche zu schreiben. Diese hat 18 Seiten, wurde „Bericht“ getauft und als solcher im Dezember bei einem Medientermin präsentiert.
IR-Erkenntnisse nicht öffentlich
Öffentlich im Sinne von auf der Website des Finanzministerium einsehbar oder herunterzuladen ist auch dieser „Bericht“ mit nur 18 Seiten Umfang nicht. Dass der unter Verschluss gehaltene eigentliche Bericht wesentlich umfangreicher ist, sorgt nicht nur für eine schiefe Optik, wenn zwischen den beiden Papierstapeln ein Lineal angelegt wird.
Die Finanzprokuratur ist “Anwalt und Berater der Republik Österreich”. Die Behörde hat “ganz allgemein das öffentliche Interesse zu wahren und stellt damit eine wesentliche Stütze der staatlichen Verwaltung dar”. Peschorn war laut Schuh der Ansicht, dass der echte Bericht die Öffentlichkeit „nichts angeht“.
Auch Rechnungshof bekam nur abgespeckten Bericht
Der Bericht wurde am 12. Dezember der WKStA übermittelt, via Finanzprokuratur, erzählte Hannes Schuh im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss. Erst im U-Ausschuss erfuhr Schuh durch ein vorgelegtes E-Mail, dass das Finanzministerium die WKStA gedrängt hatte, den vollständigen Bericht von der Akteneinsicht auszunehmen. „Dieses Dokument sehe ich meiner Erinnerung nach zum ersten Mal”, zeigte sich der IR-Leiter vom Mail überrascht. Auch die Finanzprokuratur war dafür, dass die WKStA den echten Bericht von der Akteneinsicht ausnahm. Ob das eigenes Tun gewesen oder ein Auftrag des Finanzministeriums gewesen sei, könne Schuh nicht beantworten.
Der Rechnungshof wurde ebenfalls aktiv, nachdem die Inseraten-Affäre bekannt geworden war, und wollte für seine Prüfung alle relevanten Unterlagen haben. Er koppelte die Untersuchung an den Rechenschaftsbericht der ÖVP aus dem Jahr 2019. Peschorn nutzte das laut Schuh als Argument, um dem Kontrollorgan nur die Zusammenfassung vorzulegen. Peschorn soll das Schuh gegenüber damit begründet haben, dass die WKStA gerade ermittelte und stellte dem Rechnungshof frei, sich zu melden, falls er weitere Fragen hätte. Das tat er nicht. Mit einer ähnlichen Begründung bekam auch der U-Ausschuss ebenfalls lange nicht den vollumfänglichen Bericht vorgelegt.
Einmischung Peschorns untypisch
Irgendwann wurde Schuh darüber informiert, dass Wolfgang Peschorn nach etwa zwei Drittel der Arbeit über den Zwischenstand informiert werden wollte. Peschorn sichtete später einen Berichtsentwurf und fügte ein paar handschriftliche Notizen an, die Schuh „als harmlos bezeichnen würde“. Peschorn war außerdem bei Zwischenbesprechungen dabei und war Adressat des Schlussberichtes. Der Schlussbericht war aber von Finanzminister Blümel in Auftrag gegeben worden.
Auch eine Person aus dem Generalsekretariat sollte Einsicht in den fertigen Bericht nehmen. Ob es dazu dann tatsächlich gekommen sei, weiß Hannes Schuh nicht.
Schuh: Kommunikationsabteilung braucht Kontrollmechanismen
Eine der Hauptkritikpunkte im Bericht der IR ist, dass die Kommunikationsabteilung Inserate direkt vergibt. Kontroll-Mechanismen bei Vergabe und Beschaffung, die sonst im Finanzministerium bestünden und sehr effektiv seien, fehlten dort. In diesem Kritikpunkt sind sich laut Schuh Finanzprokuratur und IR einig. Die Kommunikationsabteilung will aber am liebsten an ihrer Autonomie festhalten.
Allerdings: Es regt sich etwas. Schuh habe indirekt mitbekommen, dass es disziplinarrechtliche Folgen aufgrund der Inseratenvergabe geben dürfte. Außerdem haben Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und die Leitung der Sektion I – zuständig für Finanzverwaltung, Management und Services – angekündigt, dass die Empfehlungen der Internen Revision umgesetzt würden. Schuh wird den Prozess als Beobachter mit Fragerecht begleiten.
(pma)
Titelbild: APA Picturedesk