Das ist ein Unterüberschrift
Der suspendierte Sektionschef Christian Pilnacek war ein Meister auf der Klaviatur der Medien. Wie ging er vor? Mit wem tauschte er sich aus? Wen setzte er unter Druck?
Wien, 11. März 2022 | Christian Pilnacek pflegte beste Kontakte zu ausgewählten Journalisten. In Nachrichten Pilnaceks, die ZackZack vorliegen, geht es immer wieder um Einflussnahme auf die Medien.
„Von mir geförderter Durchblick“
Manche Journalisten, darunter Presse-Investigativreporterin Anna Thalhammer, werden offenbar von Pilnacek mit Informationen versorgt. Am 15. August 2019 schreibt Pilnacek an den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, Hans Fuchs, Thalhammer „hat einen – von mir geförderten ? – Durchblick.“
Eine hohe Meinung von Thalhammer hat Pilnacek aber offenbar nicht. Sie sähe nur „Zusammenhänge, die man konstruieren kann… den größeren sieht sie nicht“ Eine Journalistin als Werkzeug des Sektionschefs?
Fühlt sich Thalhammer von Pilnacek instrumentalisiert? Hat sie ihn jemals aktiv nach Informationen gefragt? Hat Pinacek dafür Gegenleistungen verlangt? Eine erste, sehr emotionale Antwort auf diese Fragen erklärt Thalhammer im Nachhinein als off record. Und sie droht: „Wenn du das abdruckst, klag ich dich.“ Offiziell lässt Thalhammer dann wissen, sie könne zu Chats zwischen Dritten nichts sagen.
“Klar, wer geleakt hat”
Dass Pilnacek geheime Informationen an Journalisten seines Vertrauens weitergibt, ist seit einem Prozess der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen den Sektionschef erwiesen. Auch hier geht es um Thalhammer. Die Presse-Journalistin hat der WKStA vorgeworfen, Chats unrechtmäßig an den Untersuchungsausschuss zu liefern. WKStA-Ermittler klagen – „eine Überreaktion“, wie der Innsbrucker Staatsanwalt im Prozess sagt.
Pilnacek erfährt mutmaßlich über die OStA von der Klage – jedenfalls landen just an dem Tag, als die OStA die Sache zum Akt nimmt, Aktenteile auf Pilnaceks Handy. Der informiert eine Kurier-Redakteurin – unter Androhung von Klagen will sie nicht namentlich genannt werden – und sagt ihr am 16. Dezember 2020, dass sie noch nichts veröffentlichen solle, denn: „Das Ganze liegt bei der OStA, so wäre klar, wer geleakt hat.“
Für Richterin Julia Matiasch ist damit erwiesen, dass Pilnacek Amtsgeheimnisse verraten hat. Es sei jedoch kein Vorsatz nachweisbar und niemand geschädigt, daher spricht sie Pilnacek am 03. November 2021 frei. Ohne die Namen der beteiligten Journalistinnen zu nennen, spricht FPÖ-Abgeordneter Hafenecker die beiden Causen am Mittwoch im ÖVP-Untersuchungsausschuss an. Die Vorfälle seien Beweis dafür, dass Informationen von Behörden geleakt würden.
Das „lasse ich sie spüren“
Pilnacek interveniert auch bei Presse-Chefredakteur Rainer Nowak, als das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) Thalhammers Handy beschlagnahmen soll. Pilnacek sagt, er habe „irrtümlich eine Menge an Chats weitergeleitet.“ Nowak aber, so beklagt sich Pilnacek bei der Kurier-Redakteurin, habe „riesengroße Angst, dass seine Kommunikation mit Kurz und Strache wegen ORF-General offengelegt wird.“ Deshalb habe er nichts gegen die Sicherstellung von Thalhammers Handy unternommen.
Woher kennt Pilnacek diese „Kommunikation mit Kurz und Strache“? Warum müsse Nowak ihre Veröffentlichung fürchten? Nowak gab dazu keine Stellungnahme ab.
Bei der Bestellung eines neuen ORF-Generals 2016 favorisiert die ÖVP Richard Grasl, aber auch Nowak soll im Spiel gewesen sein. Apropos Grasl: Bei dem will die Kurier-Redakteurin in Absprache mit Pilnacek ein gutes Wort für Thalhammer einlegen. Die Klage der WKStA-Leute sei „stasi Methode“.
Die Kurier-Journalistin, die regelmäßig über Pilnacek berichtet, ist nicht zufrieden mit dem guten Ruf, den die WKStA bei vielen Journalisten genießt: „Alles was die WKStA sagt, wird als sakrosankt von Journalisten angesehen“, klagt sie gegenüber Pilnacek. Jeder Auftritt von WKStA-Ermittlern vor dem Untersuchungsausschuss sei „Begleiter von einem Vorwurf. Das checkt sogar die L.“ L., das ist eine Kollegin jener Redakteurin, mit der Pilnacek sich austauscht.
Pilnacek lässt dennoch kein gutes Haar an der einschlägigen Berichterstattung von L. Diese Unzufriedenheit „lasse ich sie auch spüren“, sagt Pilnacek.
Die Kurier-Redakteurin findet es auf Nachfrage „befremdlich“, dass ZackZack ihre Chats abdrucken wolle. Sie habe lediglich „die Pressefreiheit verteidigt – damit Journalisten nicht durch Anzeigen eingeschüchtert oder mundtot gemacht werden können.“ (ZackZack droht sie gleichwohl mit rechtlichen Schritten.) Pilnacek habe keinen Einfluss auf die Berichterstattung genommen.
Umso mehr freut sich der Sektionschef über Anna Thalhammers kritische Berichterstattung zur WKStA in der „Presse“: „Endlich Gegenwind“ schreibt er am 07. Juni 2020 an Anwalt Manfred Ainedter. Es geht um einen Artikel, in dem Thalhammer die SOKO Ibiza gegen Vorwürfe aus der WKStA verteidigt.
Pilnacek ist unzufrieden
Pilnacek gibt aber nicht nur Informationen weiter, er übt auch Druck aus, wenn ihm Artikel nicht gefallen. Ein ZIB-Bericht, der zahlreichen Weisungen des Justizministeriums thematisiert, stößt dem Mann, der für Weisungen zuständig ist, besonders sauer auf. Er beklagt sich am 04. August 2019 bei ZIB-Chefredakteur Matthias Schrom.
Der versucht, den aufgregten Sektionschef zu beruhigen: „Natürlich kann es vorkommen, dass in einer verkürzten (50 Sekunden) Berichterstattung manches nicht so umfassend wie wünschenswert dargestellt wird.“ Ein Fehlverhalten des ORF kann Schrom aber nicht sehen, den zuständigen Redakteur nimmt er in Schutz. Für Pilnacek hat er ein Angebot: „Was man überlegen könnte, wäre eine umfassende Geschichte (zb für zib2) zum Thema Weisungen zu machen.“ „Ja, das wäre gut“, findet Pilnacek.
Matthias Schrom wollte sich zu der Intervention Pilnaceks nicht äußern.
An Wolfgang Brandstetter schreibt Pilnacek, er habe “eine Menge Journalisten mit diesem ärgerlichen Schwachsinn befasst; die sollen einmal schreiben, wie wenig objektiv dieses Gebührenmonstrum ist.”
“Unterstützung” aus dem ORF
Mit dem Online-Chef des ORF, Thomas Prantner, ist Pilnacek per „lieber Tommy“. Als der burgenländische Landeshauptmann Hans-Peter Doszozil Pilnaceks Verhalten im Eurofighter-Verfahren kritisiert, meldet sich der Sektionschef am 17. Februar 2020 bei Prantner: „Lieber Tommy, im Zentrum, min 34, 10 entgegnet Peschorn perfekt die Anwürfe von Dosko, kann man das irgendwie unterbringen?“
Prantner zweifelt: „24 Stunden später kaum mehr möglich. Ich werde es aber CR Heidegger sagen.“ Am nächsten Tag schickt Pilnacek einen Link einem Artikel, der kurz zuvor auf orf.at erschienen ist. Darin heißt es, Pilnacek wolle selbst nicht zu den Vorwürfen Doskozils Stellung nehmen, verweise aber auf die Äußerungen Peschorns. Es folgt die Darstellung von Peschorns Verteidigung für Pilnacek.
„Danke für deine Unterstützung“, schreibt Pilnacek. Antwort: „Sehr gerne. LG Tommy“
Prantner sagt dazu, es habe in seiner Zeit als Online-Chef „unzählige Anfragen, Beschwerden und Kritik an redaktionellen Berichten auf ORF.at“ gegeben. Er habe die allermeisten an die Chefredaktion weitergeleitet – zur „Sicherstellung von Objektivität und Ausgewogenheit der Berichterstattung“, wie Prantner sagt. Die Entscheidung, ob und was geändert werde, habe stets bei der Chefredaktion gelegen.
Und Christian Pilnacek? Der suspendierte Sektionschef gab zu den Recherchen von ZackZack keine Stellungnahme ab.
(tw)
Titelbild: APA Picturedesk